Von nun an wurde das Leben des kleinen Gespenstes noch lustiger. Nur die Eule war unzufrieden, denn sie erkannte nie, ob Wendel auf dem Dach wartete, wenn er sich schwarz gezaubert hatte.
In einer warmen Herbstnacht schwebte Wendel allein auf den Friedhof. Eigentlich erwartete es dort niemanden. Er wusste, die Menschen gruseln sich im Dunkeln an einsamen Orten. Aber wer weiß? Er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun. In der Stadt war nicht viel los, denn es hatten wieder einmal Ferien begonnen. Es schien als wären alle Leute verreist. Auch Paul war mit seinen Eltern zur Oma gefahren.
Auf dem Friedhof war es tatsächlich still und menschenleer.
Gerade als Wendel ihn verlassen wollte, kletterte eine Frau über das Tor. Sie hatte eine Taschenlampe dabei und beleuchtete das erste Stück des Weges, den sie ging. Als die hohen Bäume aufhörten und neben den Gräbern nur niedrige Sträucher wuchsen, knipste sie die Lampe aus und ging weiter. Ab und zu blieb sie stehen und besah sich ein Grab, das eine Figur aus Stein hatte.
Als sie zu einer Bank unter einer hohen Buche kam, setzte sie sich. Sie lauschte in das Dunkel, rührte sich aber nicht. Was wollte sie hier? Wartete sie auf jemanden? Hatte sie keine Angst? Die Menschen erzählten sich doch immer, dass es auf dem Friedhof nachts spukte!
Die Frau saß reglos auf der Bank, manchmal seufzte sie leise, fast unhörbar.
Wendel sah zum Himmel. Der Mond schien hell, Wolken waren nicht zu sehen. Eine günstige Gelegenheit, wieder einmal den Zauberspruch zu benutzen.
„Wille, wille wix,
verwandele mich fix“,
flüsterte er und reckte die Hände mit ausgestreckten Zeigefingern zum Mond.
Dann schwebte er vorsichtig auf die Frau zu. „Hihi, hihi“, lachte er leise vom untersten Ast des Baums.
Die Frau sah sich suchend um, blickte auch hoch in den Baum.
Dann saß sie wieder unbeweglich und lauschte.
Das Gespenst ließ sich auf der Bank neben ihr nieder. „Hihi, hihi“ lachte es wieder.
Die Frau streckte vorsichtig die Hand aus und tastete neben sich die Bank ab.
Aber da saß Wendel auch schon auf ihrer Schulter. „Hihi, hihi, huhuuu“, rief er ihr ins Ohr.
Diesmal rührte sich die Frau nicht.
„Also doch“, sagte sie laut.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.05.2014.
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