Arno Erol

Battleskies - Intermezzo Kapitel 1



Das Ende der Sezession ist nahe.
Durch Pein und Leid wird das goldene Zeitalter geboren.
Zuletzt wird sich die Erde selbst erheben und wir werden endlich wieder eins sein unter einem Himmel.
                                                       Gaamosk Vision des Braan-Kollektivs
 
 
Die Sonne stand knapp über dem Horizont und tränkte die Wolkendecke unter ihr in ein rosagoldenes Licht. Kleine Dunsttürme erhoben sich aus der geschlossenen Wolkendecke, um die die Strahlen wie Finger herum griffen. Der leichte Wind zog dünne Dampfschwaden in Schlieren aus den bauschigen Wolken. Dicht über ihnen schwebten vereinzelte Basheps dahin, die obersten Schichten mit ihren Tentakeln auf der Suche nach nährstoffreichen Partikeln durchpflügend. Friedlich segelte weit darüber ein Golian majestätisch durch die kühle Morgenluft, als die Idylle je unterbrochen wurde vom hämmernden Röhren eines vierzehn Zylinder Sternmotors auf voller Leistung.
In verzweifelten Ausweichmanövern donnerte der vollverkanzelte Doppeldecker vorbei und versuchte in einer breiten Schleife abwärts Richtung Wolkenmeer noch mehr Geschwindigkeit aus der bereits am Limit fliegenden Maschine zu holen. Unbeeindruckt zischte sein hartnäckiger Verfolger in Form eines schnittigen Eindeckers mit prominentem bulligen Lufteinlauf unter dem mächtigen Reihenmotor hinterher. Im Gegensatz zur hektisch zuckenden Fluglage des Fliehenden folgte ihm der Eindecker absolut präzise, wie auf Schienen.
Der Doppeldeckerpilot setze gerade zu einer spitzen Kehre an, als der Eindecker in Reichweite war und das Feuer aus vier schweren Maschinengewehren in den Tragflächen eröffnete.
 
Jessip verfolgte konzentriert wie ihre zwei kurzen Feuerstöße die linke obere Tragfläche des Doppeldeckers perforierten. Ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund, als sie den Steuerknüppel fest nach hinten riss und dem Doppeldecker in einen steilen Looping folgte. Sie spürte die g Kräfte an sich und ihrer Maschine zerren, wurde in ihren Sitz gepresst, verringerte jedoch die Volllast des Motors nicht. Der Pilot vor ihr kam leicht wackelnd und um einiges langsamer aus dem Looping und zwang seinen Flieger in eine Barrel Roll um Jessip, die rasant herangeschossen kam,  kein starres Ziel zu bieten. Plötzlich versuchte er erneut mit einer senkrechten Spitzkehre, bei der die zerschossene Stoffverkleidung der oberen Tragfläche gefährlich flatterte und weiter einriss, seine Häscherin abzuschütteln.
Jessip, viel zu schnell, ließ sich einfach gerade aus, dicht an dem Doppeldecker vorbei, fallen.
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck blickte sie ihm einen Moment nach, bevor sie beinahe gemächlich das Flugzeug in eine Kurve drückte und wieder dem Kurs des flüchtenden Piloten folgte. Ihre Hand auf dem Schubregler zog den Hebel etwas zurück, um die Motorleistung zu drosseln und dem Doppeldecker vor ihr mehr Luft zu verschaffen. Bewusst verringerte sie den Abstand nicht und blickte sich suchend auf der Wolkendecke unter ihr um.
Ohne jede Vorwarnung tauchte ein immenser Schatten im Wolkenmeer unter ihr auf. Wurde größer und größer, während sich die Oberfläche begann, unruhig zu kräuseln und Dunstwirbel zu zeigen, bis plötzlich direkt vor ihr eine riesige nicht enden wollende graue Wand durch die Wolken brach.
 
Hareby Smith, der Pilot des Doppeldeckers, saß hin und her rutschend, seinen Steuerknüppel verkrampft in der Hand, im Cockpit und starrte auf die Temperaturanzeige seines Motors, während er immer wieder gegen das ruckartige Ausscheren der Maschine, bedingt durch die Schäden an der Tragfläche, ansteuern musste. Wenigstens schien sein erbarmungsloser Jäger endlich von ihm abgelassen zu haben. Er konnte sich zwar nicht so recht erklären, warum, aber dennoch war er mehr als dankbar für diese Atempause.
Da der Eindecker ihn nicht weiter zu treiben schien und in weitem Abstand hinter ihm flog, erlaubte er es sich, sich auf die dringlicheren Sorgen zu konzentrieren, wie etwa das Überhitzen seines Aggregates. Der Öldruck schwankte bedrohlich und er konnte ein repetitives Schlag- bzw. Klopfgeräusch im Dröhnen des Motors wahrnehmen, dass sich nicht sonderlich gesund anhörte. Wenn jetzt der überhitzte Motor einen Kolbenfresser erlitt oder einfach der Ölkühler platzte, wäre er tot. Der Motor würde den Betrieb einstellen und sein Flugzeug würde langsam aber sicher durch die Wolken der Interferenzbarriere entgegen sacken, bis er auf sie träfe und seine Maschine und er selbst von den elektrischen Entladungen zerfetzt würden.
Zu fixiert auf die Armaturen in seinem Cockpit, bemerkte er nicht, wie bedrohlich ein dunkler Schatten über das Heck seines Flugzeugs kroch. Erst als dieser begann sich auch über seine rechte Tragflächen zu schieben, nahm ihn Hareby aus dem Augenwinkel war und drehte sich um. Zuerst blickte er auf den immer näher kommenden Schatten auf seinen Flügeln, bevor sein Kopf hoch  ruckte und erstarrte.
In seinen vor Schreck geweiteten Pupillen spiegelte sich die Spitze eines Kolosses, eines Giganten der Lüfte. Völlig perplex verfolgte der Pilot, wie sich einer der größten jemals gebauten Zeppeline vor die Sonne über seinen winzigen Doppeldecker schob. Nach der immer breiter werdenden Spitze erschien die riesige Kommandogondel, in der allein sein Fluggerät sicherlich viermal Platz gefunden hätte. Jeweils links und rechts des Hecks dieser Führergondel dröhnten gewaltige Motorgondeln, die jeweils ein Paar gegenläufiger Zweiblatt-Luftschrauben von gigantischem Durchmesser betrieben. Aus dem Heck der Führungsgondel selbst erstreckte sich eine Gangway, die in eine Plattform mündete, auf der mehrere flaggenschwenkende Einweiser standen und den Dreierreihen von Jagdflugzeugen die mit bereits laufenden Motoren startbereit in ihren Aufhängen schaukelten, wie Bluthunde, die unruhig darauf warteten, die Beute zu hetzen, Anweisungen gaben.
Noch immer hetzte zwischen den startklaren Jägern Servicecrew über die Gangways, um die letzten Vorbereitungen abzuschließen.
Hinter den Reihen von Jagdflugzeugen hingen in den Gestellen des Trägerzeppelins mehrere zweimotorige Torpedobomber, deren Besatzungen gerade über die Leitern in ihre Maschinen hinabstiegen. Erst als die hinteren Flugabwehrgeschütztürme am Heck des Riesen erschienen, wurde Smith aus seiner Schreckenslethargie gerissen, knallte den Gashebel bis zum Anschlag durch und zog seine Maschine am Zeppelinrumpf vorbei hoch.
Die Temperatur des Motors war jetzt seine geringste Sorge.
 
Jessip hatte den Augenblick genutzt und war wieder herangeschossen. Sie sah, wie der Doppeldecker unter dem Zeppelin hervor kam und versuchte, sich dicht an dessen Flanke entlang aus den Schussfeldern der Geschütztürme zu halten. Dies mochte funktionieren, machte ihn aber auch zu einem starren Ziel für Jessip.
Eine Maschinengewehrgarbe schlug in den Motor und die oberen Tragflächen nur knapp am Cockpit vorbei ein.
Tiefschwarzer Qualm stieß unter den Abdeckblechen hervor, begleitet von Öl, das über die Haube spritzte. Der Pilot zog panisch seine Maschine an und versuchte um die Oberseite des Zeppelins herum sich auf die andere Seite aus der Schusslinie zu retten. Doch Jessip gab eine weitere Salve ab, als er sich genau im Zenit über dem Luftschiffrumpf befand.
Der Doppeldecker verschwand in einer Explosionswolke aus der verkohlte Trümmer nach allen Seiten stieben.
Jessip stieß mit ihrem Jäger durch die verpuffende Wolke und schwenkte sofort in einer flachen Kurve vom Zeppelin fort. Dieser Doppeldecker konnte nur die Vorhut gewesen sein. Alleine könnte er sich niemals so weit in den bodenlosen Luftraum vorgewagt haben.
Plötzlich schossen ein Paar Doppeldecker in einiger Entfernung vor ihr durch die Wolkendecke. Kurz darauf gefolgt von einem zweiten Paar, bevor sich hinter ihnen ein großer Schatten durch den Dunstschleier abzeichnete.
Während die vier schweren Jäger Kurs auf Jessip und den Träger nahmen, erhob sich wie ein mächtiger Wal ein zweiter Schlachtzeppelin aus dem Wolkenmeer. In steilem Winkel mit maximaler Kraft, schnitt er durch den Wasserdampf und schwenkte seinen silbern glänzenden zigarrenförmigen Rumpf hinter seinem Begleitschutz ein.
Zwei Torpedobomber und acht weitere Kampfflugzeuge klinkten sich bereits unter dem Schlachtzeppelin aus, sackten einige Meter nach unten bevor, sie ausreichen Fahrt aufgenommen hatten. Währenddessen an Bord eifrig die Bordkanonen feuerbereit gemacht wurden. Geschützmannschaften rannten zu ihren Stationen, beluden die großkalibrigen Kanonen, kurbelten die Geschützluken des Zeppelins auf und fuhren sie in Schussposition.
 
An Bord des Trägerzeppelins spielten sich ähnlich Szenen ab. Auch hier wurden die Bordwaffen klar gemacht und die Jagdflieger wurden schnellstmöglich abgefertigt. Eine Welle nach der anderen startete und baute sich vor dem Zeppelin wie einen Schutzschild auf. Ihre Hauptaufgabe würde darin bestehen, die Bomber aufzuhalten und einen Abschuss der Torpedos zu verhindern, da diese einem Luftschiff am gefährlichsten werden konnten. Erst danach standen der gegnerische Zeppelin selbst und zuletzt die feindlichen Jäger auf der Prioritätenliste.
Dann trafen die beiden Luftflotten aufeinander. Aus den vor einem Augenblick noch so geordneten Formationen wurde plötzlich ein Hexenkessel von umherschwirrenden, sich gegenseitig jagenden Maschinen. Wie wütende Wespenschwärme tobten die gegnerischen Flugzeuge umeinander.
Einer der Trägermaschinen gelang es den Begleitschutz zu durchbrechen und sich hintern einem der langsameren Bombern zu setzen. Der Jäger versuchte sich in eine günstige Schussposition hinter und oberhalb des Bombers zu bringen, aber das Doppelgeschütz auf dem Rücken des Bombers richtete sich schneller auf seinen Gegner ein und spie dem Jäger tödliches Feuer entgegen. Funken schlugen aus dem Rumpf der getroffenen Maschine aus. Der Motor fing Feuer und der Propeller blieb stehen. Der Pilot versuchte noch verzweifelt seine Maschine von dem Geschützturm wegzulenken, aber die ebenfalls schwerbeschädigte Tragfläche hielt der Belastung nicht mehr länger stand und quittierte ihren Dienst. Das Flugzeug begann hilflos zu trudeln, als der linke Flügel wegbrach und stürzte der Interferenzbarriere entgegen.
Dem Bomber jedoch war keine Ruhepause gegönnt, schon hatte sich ein zweiter Jäger an sein Heck geheftet und versuchte es wie schon der unglückliche erste Pilot. Er feuerte eine Salve, die meterweit über den Bomber hinweg flog. Der Jäger schaukelte hin und her, um dem feindlichen Feuer zu entgehen, schaffte es dabei aber nicht, selbst einen sauberen Schuss anzubringen. Eine zweite Salve streifte lediglich eines der Leitwerk, ohne entscheidenden Schaden zu hinterlassen. Nicht mehr lange und der Bomber war in Position seinen Torpedo abzuwerfen. Der Verfolger fasste sich ein Herz, ließ sich etwas zurückfallen, um einen direkten Angriff zu starten. Doch der Bordschütze des Bombers war erfahren, kaum erschien der Jäger über dem Heckleitwerk erwartete er ihn mit einer vollen Breitseite, die direkt ins Cockpit einschlug. Die Maschine kippte einfach zur Seite weg und sackte in einem langgezogenen Bogen davon.
Doch dann tauchte plötzlich aus dem Nirgendwo ein weiterer schnittiger Eindecker auf, tanzte auf dem Luftstrom, den Bordgeschützen des Bombers wie in einem Ballett ausweichend, immer wieder kurz innehaltend und einen zerstörerischen Kugelhagel in die Struktur der Zweimot jagend. Der rechte Motor fing an lichterloh zu brennen. Der Eindecker schwenkte elegant auf die andere Seite des Bombers, schaukelte in unberechenbarem Takt hin und her, so dass die Bordschützen keine Chance hatten ihr Ziel zu treffen. Einige weitere Feuerstöße vollendeten das Werk Jessips und der linke Motor setzte mit einem Knall seinem Dasein ein Ende.
 
Langsam begann die Maschine abzusacken, während Jessip immer noch an ihrem Heck hing. Sie konnte beobachten, wie sich eine Bodenluke im Rumpf öffnete und in schneller Folge mehrere Besatzungsmitglieder heraus sprangen. Kaum hatten sie die das Flugzeug verlassen, flatterten ihre Ballons im Wind und blähten sich allmählich zu ihrer vollen Größe auf, bis die fremde Crew sicher an ihren Ballons hing und über die Wolken trieb.
Jessip zog ihre Maschine steil in die Höhe und stieg senkrecht in den Himmel auf. Der Motor jaulte unter Volllast auf, bis ihr Flugzeug wortwörtlich nur noch an seinem Propeller in der Luft hing. Jessip spürte das Vibrieren durch den Sitz, schnitt durch die dünnen hochgelegen Wolkenschleier, wartete auf den Beginn des Schüttelns. Sie horchte in sich und die Maschine hinein, wartete bis das vibrieren begann sich in ein niederfrequentes Dröhnen zu verwandeln, das ganz allmählich von den Spitzen des Leitwerks an in das Schütteln eines totalen Strömungsabrisses überging.
Jessip trat gefühlvoll in das Seitenruder und drückte den Knüppel gegen ihren Oberschenkel, als das Flugzeug den Moment erreichte, in dem es schwerelos für einen Augenblick am Scheitelpunkt des Turns hing und begann langsam kontrolliert über die linke Tragfläche abzukippen. Sie spürte wie es sie aus dem Sitz hob, sah, wie der Dreck und eine lose Mutter vom Cockpitboden abhoben und vorbeischwebten und lächelte. Die Schwerelosigkeit währte nur einen kurzen Moment, bevor die Schwerkraft ihr Recht einforderte und an der Maschine zog und sie zurück in die Tiefe zerrte. Die Nase schnitt durch die Bahn der Sonne, passierte die dünne Linie des Horizonts, bevor sie sich steil abwärts auf die Schlacht unter ihr richtete. Vor Jessip entfaltete sich das Geschehen aus dieser Höhe wie ein archaisches Gemälde. Zwei Armeen um ihre Schlachtschiffe gruppiert, die sich aufeinander stürzten und die Schlacht auf dem Feld zwischen ihnen austrugen. Immer wieder erblühten feurige Rosen zwischen den Schlachtzeppelinen, die, so ästhetisch sie aus dieser Höhe erschienen, das tragische Ende eines weiteren Piloten markierten.
Jessips Jäger nahm heulend Fahrt auf, stürzte sich wie ein Adler vom Himmel und warf sich in das Getümmel der Luftschlacht.
 
Immer wieder glühten neue Explosionen im Nahbereich der Zeppeline auf, als Angreifer von dem Abwehrfeuer der grauen Kolosse erfasst wurden, nur unterbrochen von den mächtigen Leuchtspuren, die die Geschosse der schweren Schiff zu Schiff Geschütze zwischen den sich beharkenden Luftschiffe zogen. Ohne Rücksicht auf Hindernisse in ihrem Weg pflügten sie durch die Luft und trafen dabei einen der Bomber, der das Unglück hatte, sich nicht rechtzeitig aus der Bahn des Geschosses zu bringen und in einer mächtigen Explosion zerrissen wurde. Beide Zeppeline steckten schwere Treffer ein. Was der riesige Trägerzeppelin an Panzerung und einfach schierer Größe an Nehmerqualitäten hatte, machte der kleinere Schlachtzeppelin durch höhere Agilität und Geschwindigkeit wett, dennoch war es ein ungleiches Duell.
Bei jedem anderen Träger hätte sich das Schlachtluftschiff Chancen auf einen Sieg ausrechnen können, nicht so aber mit dem Flaggschiff der van Haygenschen Flotte der Talusaan. Ihre massive Panzerung und ihre mächtigen Geschütze machten sie zu einer fliegenden Festung, die kaum einzunehmen war. Gnadenlos hämmerten ihre Kanonen auf den kleineren Gegner ein, zerrissen seine schützende Außenhaut die flammendämpfend, die empfindlichen entzündlichen Gaszellen im Inneren vor Feuer schützten, der Nemesis eines jeden Zeppelins.
Beide Backbord Motorgondeln im Heck brannten bereits und zogen schwere tiefschwarze Rauchschwaden hinter sich her. Die B-Zelle im Heck war leck geschlagen und verlor Gas. Die Außenhaut der beschädigten Zelle flatterte im Wind, wie ein wildes Tier, dass an seiner Kette zerrte, während an den Rändern Crewmitglieder, die auf der Hülle des Giganten wie winzige Insekten wirkten, an ihren Sicherungsseilen hingen und hektisch versuchten, das Leck unter Kontrolle zu bekommen und notdürftig zu flicken. Der wild um sich schlagende schwere beschichtete Stoff traf hart einen der Matrosen und schleuderte ihn blutüberströmt und bewusstlos über die glatte Seite des Zeppelins in den Abgrund, bevor ihn sein Gurt frei in der Luft baumelnd vor dem Absturz in die Tiefe bewahrte.
Weidwund entschied sich der Schlachtzeppelin gegen die Flucht und warf sich indes mitten in das Getümmel. Seine einzige Chance darin sehend, versuchte er sich nun näher an den Träger zu bringen, um seinem Gegner noch soviel Schaden, wie ihm möglich war, zu zufügen . Seine Geschützcrews arbeiteten fieberhaft und erhöhten verzweifelt die Schussfrequenz ihrer Kanonen, bis die Mündungsrohre rot glühten und die Leuchtspuren in dem enger werdenden Spalt zwischen den Zeppelinen sich zu einem leuchtenden Funkenteppich fügten. Einschläge erschütterten beide Schiffe, zerrissen Stoff, Metall, Fleisch und Knochen, warfen technische Ordnung in funktionsloses Chaos, schleuderte Schrott und Körperteile aus den klaffenden Wunden.
Ebenso wie die beiden Riesen, kannten auch die Flieger zwischen und um sie herum keine Gnade, hämmerten aufeinander und auf die Luftschiffe ein. Funken stieben von den Blech- und Aluminiumverkleidungen, die von Maschinengewehrkugel durchlöchert wurden. Öl spritze aus geborstenen Kühlern auf gesplitterte Cockpitkanzeln und nahm den Piloten die Sicht. Mit ohrenbetäubenden Krachen prallte einer der Eindecker, der die Kontrolle verloren hatte in einen zweiten. Kreischend wickelte sich Metall in Metall, Streben durchspießten  Beplankungen, Seilzüge rissen und zerfetzten mit peitschendem Knall Holz und Stoff, bis nur noch ein undefinierbarer Haufen Schrott vom Himmel fiel.
 Der Leuchtstreifenteppich der schweren Geschütze wurde mehr und mehr durchzogen von den braun- und tiefschwarzen Fäden qualmender Flugzeugmotoren. Immer wieder regneten glühendheiße Trümmer auf die Zeppeline von verendeten Jägern herab und brannten Löcher in die Wolkendecke unter ihnen. Die Bomber waren allesamt verschwunden. Zwar hatten es einige geschafft, sich zurück zur Talusaan zu retten und waren wieder sicher in ihren Landegestellen eingehängt, wurden aber nicht, obwohl die Waffencrew sie eilig wieder aufmunitionierten, wieder in die Schlacht geschickt, da sie bei der kurzen Entfernung und der wilden Schlacht dort draußen, kaum eine Chance hätten, lange genug zu überleben, um ihre Ladung effektiv anzubringen.
Die Geschütze hingegen donnerten ununterbrochen, spieen ihrem Gegnern Tod und Verderben entgegen. Die Crews arbeiteten schwitzend auf ihren Positionen, jeden Handgriff im Blut, luden sie nach, feuerten ab, fuhren ein neues Geschoss auf, wiederholten den Zyklus immer wieder und wieder, wie Automaten, die blind ihrer Umgebung gegenüber ihrem Programm folgten. Blind der benachbarten Geschützbucht, durch die von einem Volltreffer ausgelöst ein Feuersturm getobt war, den Sicherungsmannschaften nur mit Mühe in den Griff bekam. Blind den kaum noch menschlichen Schreien ihrer Kameraden, die mit den beißenden Rauchschwaden noch immer aus dem Flammenmeer herüberschwebten.
Der Schlachtzeppelin war kaum noch manövrierfähig. Nur noch drei seiner mächtigen Luftschrauben arbeiteten noch, wobei eine sich scheinbar nur noch im Leerlauf zu drehen schien und zwei der drei Motoren unregelmäßig stotterten, während bereits dünne grauschwarze Rauchschwaden bedrohlich unter ihren Verkleidungen hervorqualmten und vom baldigen dahinscheiden der Maschine kündeten. Alle verbliebenen funktionsfähigen Maschinen befanden sich auf der Steuerbordseite des Luftschiffs, das begann, trotz maximalen Anschlags des Seitenruders entgegen, vom Kurs auf die Talusaan abzudriften. Seine wenigen noch überlebenden Jäger formierten sich dicht an ihrem Mutterschiff und versuchten verzweifelt einen löchrigen Abwehrschirm aufzubauen.
Befreit von dem Luftschlachtgetümmel aus Einzelduellen, fielen auch die van Haygenschen Jagdflugzeuge in Formation und attackierten geschlossen, das Schlachtschiff und ihren kümmerlichen Rest von Begleitschutz, der einer nach dem anderen trotz heroischer Gegenwehr, den überlegenen Gegnern schnell zum Opfer fielen.
Einer der Maschinen wich in wildem Zickzack seinem Verfolger aus, riss immer wieder seinen Flieger aus der Schussbahn der Gegner, bis ihn zwei feindliche Jäger in die Zange nahmen und eine volle Garbe in den Motor und in sein Heck jagten.
Lichterloh brennend mit blockierten Rudern stürzte die Maschine unaufhaltsam auf den Schlachtzeppelin zu. Der Kopf des Piloten wackelte leblos auf seinen Schultern und schlug beinahe rhythmisch zum Rütteln der sterbenden Maschine gegen die Cockpithaube. Der Eindecker schnitt in Schieflage durch die Luft einen flammenden Kometenschweif hinter sich her ziehend. Panisch mit großen Augen beobachtete die überlebende Brückenmannschaft des Schlachtzeppelins, wie dieser feurige Komet rasendschnell auf sie zu stürzte. Einige sprangen instinktiv in einem zwecklosen Versuch sich zu retten aus der Bahn, als das Flugzeug, einem massiven Geschoss gleich, in die Kommandogondel schlug und wie ein heißes Messer durch Butter durch das Aluminium und die Unterseite des Zeppelinrumpfes schnitt.
Die bloßgestellten aufgerissenen Gaszellen entzündeten sich in sekundenschnelle am Feuerpilz, der von der Brückengondel aufstieg und genährt vom hochbrennbaren Gas zu einer riesigen pinkfarbenen Stichflamme anwuchs, die blendend aus dem vorderen Drittel des zigarrenförmigen Rumpfes in den Himmel schoss.
In nur wenigen Augenblicken fraß sich das Feuer durch den ganzen Rumpf, verzehrte die Hülle wie dünnes Papier. Die filigrane Trägerstruktur im Innern verbog und schmolz unter der enormen Hitze. Der Zeppelin verlor an Struktur. Teile seiner Oberfläche sackten in sich zusammen, während das Luftschiff wie eine riesige Fackel allmählich auseinanderbrechend an Höhe verlor und Bug voran der Wolkendecke unter ihr entgegen sackte.
Innerhalb einer halben Minute, war es zwischen den Dunstschwaden verschwunden und hatte nur eine riesige stehende Rauchsäule und eine unheimliche Ruhe hinterlassen, als plötzlich die Wolkendecke von einem lilafarbenen Blitzlichtgewitter weit unter ihr hellflackernd aufleuchtete, als das riesige Wrack auf die Interferenzbarriere stieß.
 
*
 
Die Sonne schickte sich bereits an, sich langsam dem Horizont zu nähern und erfüllte den Raum mit einem intensiven tief-orangen Licht, als ob es vom vergossenen Blut dieses Tages getränkt worden war.
Sie blickte in ihr eigenes Antlitz, das sich im Glas spiegelte und von einer goldenen Aura umhüllt zu sein schien. Der atemberaubende Ausblick auf die Wolkenwelt hätte einen überaus friedlichen, fast sakralen Eindruck hinterlassen, stünde nicht unbeweglich in der Windstille eine hässliche schwarze Rauchsäule, die wie ein massiver Pflock durch die Wolken stach und bis weit in den Himmel über ihr aufstieg.
Ein kurzes Zittern lief durch ihren Körper. Die dunklen Qualmschwaden warfen nicht nur einen Schatten auf die unbefleckte Wolkendecke, sondern auch auf ihrem Herzen. Tapfere Frauen und Männer hatten heute in ihrem Namen ihr Leben geben müssen und jedes einzelne war eine schwere Last auf ihren Schultern. Sie seufzte müde und drückte ihren Rücken durch. Dennoch, so schwer die Bürde auch sein mochte, es würde den Lebenden noch weniger nützen, wenn sie sich in Trübsal ergab. Sie musste für die stark sein, die sie noch retten konnte.
Sie wandte sich von dem beeindruckenden gläsernen Panorama ab, das sich über die gesamte Seite des Saals erstreckte und diesen wunderbaren Ausblick auf die Wolkenwelt unter ihr gewährte, der ihr heute keinen Frieden verschaffen mochte. Der Saal war gut vier Meter hoch und sehr weitläufig, lediglich durchzogen von elegant verkleideten Aluminium Säulenstreben des Zeppelingerippes. Die spartanische Einrichtung wurde von einem großen Kartentisch in der Mitte dominiert. Etwas abseits stand ein weiterer kleiner Schreibtisch und ein großer abgewetzter Sessel mit Holzlehnen, die mit zahlreichen geschnitzten Verzierungen versehenen waren, dahinter und zwei weiteren einfacheren Stühlen davor.
Friedericka blickte auf zu der Ecke, in der verborgen in den Schatten noch ein weiterer Sessel stand in dem unbeweglich eine zierliche Silhouette saß und anscheinend ihren eigenen Gedanken nachhing. Nur ein Glitzern in der Dunkelheit verriet, dass der Blick dieser Person auf Friedericka gerichtet war.
Sie ging langsam zu ihrem Schreibtisch und ließ sich müde in den großen Sessel fallen.
Sie seufzte.
„Wann werden wir endlich zur Ruhe kommen, Mareen?“
Und eher zu sich selbst murmelte sie leise, „Werden wir überhaupt irgendwann Frieden finden?“
Mareen erhob sich aus ihrem Sessel in den Schatten und schritt an den Schreibtisch heran.
„Es wird erst wahrhaftig Frieden geben, wenn wir diesen unausgesprochenen Krieg endlich annehmen und endgültig beenden. Nicht wie das letzte Mal mit einem unsteten Abkommen, dass dazu verdammt war zu scheitern, sobald nur ein neuer Herrscher mit Großmachtgelüsten das Ruder übernehmen würde, um mit dem Waffenstillstand zu brechen.“
Der Ernst in ihren Augen spiegelte sich in den scharfen Kanten ihres Gesichts und ihrer Nase. Nicht umsonst bezeichnete man sie als die eiserne rechte Hand Friederickas, die trotz ihres zerbrechlichen Äußeren hart war, wie der Fels auf dem das van Haygensche Reich gebaut war. Und ebenso wie der Fels das Reich trug, war es ihre unbedingte Loyalität, die der Fürstin half ihre Bürde zu schultern.
Friedericka blickte in ihre grauen Augen.
„Ja, aber wie viel mehr wird uns so ein Krieg kosten?“
„Jedenfalls wird es uns auf lange Sicht mehr kosten, wenn wir es nicht beenden. Ich verstehe Eure Sorgen, aber dennoch, es wird jedes Opfer wert sein, wenn wir den uns folgenden Generationen damit eine beständige sichere Zukunft geben können.“
Friedericka nickte traurig.
 „Natürlich. Trotzdem macht es auch der rechtschaffenste Grund nicht leichter, junge Männer und Frauen in den Tod zu schicken...“
Sie lächelte Mareen müde an.
„Verzeiht mir, wenn ich mir allein in Eurer Gegenwart erlaube, ein kleines bisschen weniger die unfehlbare und stählerne Herrscherin zu sein.“
Eines ihrer sehr seltenen sanftmütigen Lächeln durchbrach die eiserne Maske, als Mareen den Tisch umrundete und begann Friederickas Schultern zu massieren.
„Nichts, was ihr sagt oder tut, könnte jemals mein Vertrauen in Eure Fähigkeiten und Eure Stärke erschüttern. Ich weiß um Eure Bürde, die die richtigen Entscheidungen mit sich bringen und ich wüsste niemanden, dem ich es mehr zutraute, diese zu treffen.“
Friedericka legte ihre Hand auf die Mareens, welche noch auf ihrer Schulter ruhte.
„Ach Mareen, es ist nicht allein meine Kraft, die mir hilft. ...und überhaupt, was wäre die Alternative, wenn wir nicht tun könnten, was notwendig ist, so schmerzvoll es auch manchmal sein mag?“
Sie setzte sich auf und räusperte sich.
„Nun gut, dann lass uns beraten, welche Entscheidung die richtige ist.“ Sie machte eine Pause, innerhalb der Mareens Züge wieder ihr geschäftsmäßiges undurchdringliches Erscheinen annahmen. „Die Markierungen und Hoheitszeichen der Angreifer wiesen sie eindeutig als Einheiten des Serranot’schen Fürstentums aus. Das heißt, dass sie sich immer sicherer fühlen, wenn sie uns schon in den Randbereichen unseres eigenen Territoriums attackieren ohne ihre Herkunft zu verschleiern. Als ob sie austesten wollten, wie sehr wir uns provozieren lassen. Das bedeutet aber auch, dass der neu gewählte Baron von Serranot trotz der Abrüstung und Reparationen über ausreichend Ressourcen in der Hinterhand verfügen muss, um so offen einen Krieg mit uns zu riskieren.“
„Ja, das ist es, was auch mir Sorgen macht. Unseren Geheimdiensten war es nicht möglich seine Quellen aufzudecken. Zudem kursieren stichhaltige Gerüchte, dass er über immens effektive neue uns unbekannte Waffen verfügt, die uns im Ernstfall sehr zu schaffen machen könnten. Auch hier liegt ihre Herkunft im Dunkeln, da es uns nicht einmal gelungen ist, ausreichend Material über Forscher und Wissenschaftler zusammenzutragen, die für derartige Entwicklungen in Frage kämen. Nach unseren Informationen gäbe es die nämlich gar nicht, was aber mit der Existenz dieser Waffen widerlegt wird.
Auch die Informationen über den neuen Baron Serranot sind reichlich dürftig. Keinerlei eindeutige Herkunft und Vorgeschichte lässt sich finden. Es scheint fast, als sei er vor einigen Jahren einfach dem Schatten entsprungen. Wir wissen nur, dass er ein extrem charismatischer Mann ist, der es versteht die Massen zu beflügeln und zu lenken. Er beschwört seit geraumer Zeit die Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die sein Volk durch die Siegermächte erfährt. Erklärt, dass ihnen ihr rechtmäßiger Platz im Gefüge der Welt verwehrt wurde und er dafür auserwählt sei, dass Serranot’sche Volk wieder zu seiner Größe und Bestimmung zurückzuführen.“
Friedericka seufzte: „Ist es nicht deprimierend, wie anscheinend niemand aus der Geschichte zu lernen bereit ist? Immer dieselben leeren Versprechungen und Appelle an den Nationalstolz, die wirkungsvoll wie eh und je das Volk aufhetzen und es erneut wie eine blinde Meute in ihr Verderben rennt. Mit anderen Worten, wir stehen einem durchaus ernstzunehmenden Gegner gegenüber, der nicht nur uns in Waffentechnik überlegen sein könnte, sondern dessen Rückhalt im einfachen Volk kaum zu brechen sein wird.“
Friedericka lehnte sich gedankenvoll in ihren Sessel zurück.
„Es gibt also nur eine Lösung, die unsere Verluste in Grenzen halten können und uns den endgültigen Sieg versichern. Wir müssen eine eindeutige Übermacht schaffen.“
„Das wird uns nur mit mindestens einem Bündnispartner möglich sein.“
„Exakt. Das ist auch der Grund, weshalb ich bereits dafür gesorgt habe, das sich beim kommenden offiziellen Staatsbesuch des Abgesandten des Hauses Profiemov die Gelegenheit ergibt, vor der Eröffnungsparade mit dem Abgesandten General Gangbarov eine kleine geheime Unterhandlung zu führen.“
Mareen nickte langsam als sie sprach, in ihrem Gesicht ließ sich ablesen, wie sie bereits alle möglichen Fäden und Verhandlungsargumente durchspielte und analysierte.
„Ja, mit General Gangbarov würde uns ein überaus wertvoller Verbündeter zuteil. Schließlich heißt es, es gäbe kaum einen genialeren und erfahreneren Luftschiffkommandanten als ihn auf dem ganzen Planeten. Zudem ist bekannt, dass er ein ehrbarer Mann von hoher Integrität und Prinzipientreue ist.“
(...)

wird fortgesetzt...

                                                                            © "Battleskies" von Arno Erol 2006 - dato
 

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Der Beitrag wurde von Arno Erol auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.05.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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