Georges Ettlin

Leise Passagiere

Die Passagiere waren grössteneils nicht angeschnallt. Wegen eines technischen Versagens
starben die Passagiere und die Piloten schmerzlos, sie schliefen einfach ein.
Die  " Luft" war atembar, aber es fehlte der nötige Sauerstoff. Die Flugmaschine MH370 flog per
Autopilot weiter, bis sie wegen Treibstoffmangels langsam und sanft
auf den Wellen landete und schnell versank. Die Maschine zerbrach infolge der
Aufprallschäden und des Wasserdruckes in der Tiefsee in vermutlich drei Teile, was der
Meeresströmung für lange Zeit ermöglicht, das Innere des  ruhig- liegenden
Flugzeuges zu durchströmen. Es ist bei 4000 Metern Tiefe stockdunkel, nur die
Bioluminiszenz der Tiefseefische und Molusken usw. erzeugen bei der
Nahrungssuche im Flugzeug ein bläulich-funkelndes Lichterfest, als ob
die Toten dort eine Feier veranstalten würden:  Mit meinem geistgen
Auge der Fantasie leuchte ich wie mit einer Taschenlampe
durch die runden Kabinenfenster der Maschine,
die mir wie Bullaugen eines versunkenen Schiffes erscheinen. Einige Passagiere
schauen zu den Fenstern hinaus, als ob sie noch lebten, doch ihre toten Augen
sehen nichts. Die Stömung des Tiefseewassers bewegt die sonst sehr stillenPassagiere,
deren Geräusche nur aus den austretenden Gasen der Darmbakterien herkommen,
die sich durch kleine Gas-Blasen in unregelmässigen Abständen bei
allen Körperöffnungen bemerkbar machen. Der dadurch entstehende Auftrieb im Darm
lässt die Passagier aufstehen, aufschweben...Die Sitzpositionen verändern sich und gar mancher
Passagier erhebt sich langsam und setzt sich wie zufällig mit der schwankenden Stömung
wo anders hin. So sitzt der Passager vom Sitz 234 jetzt auf dem Sitz 238, der von einer jungen
Frau besetzt ist, die wie lächelnd den Mann mit bleichen Armen umfängt, wärend ihr Kopf mit offenem Mund nach hinten fällt. Andere Passagiere scheinen wie in Zeitlupe über den Mittelgang zu robben oder
schweben mit allerlei Verrenkungen zur Kabinendecke. In den Kleidern bewegen sich schon weisse Aale, was dem scheinbaren Bewegungsdrang der Leichen ungewollt förderlich ist.
Bei rhythmischen Strömungen schaukeln die Oberkörper von den wenigen noch angeschnallten
Passagieren hin- und- her, alles macht den Eindruck von Lebendigkeit, die gar nicht
da ist , weil die Passagiere tot sind.. .Durch die Kräfte der Verwesung öffnen sich die Münder,
als möchten alle reden, aber niemand spricht...Oder doch? Denn sie Seelen der leisen
Passagiere verständigen sich nonverbal über die Fragen ihres körperlosen Weiterlebens mit jämmerlichem Klagen, Hoffen, Weinen und Stöhnen: Keiner der Passagiere war im christlichen Sinne gläubig, denke ich.
 Aber sie fragen jetzt nach Gott...: " Existiert ER, kommt Er... und wann?"
Nur sein ersehntes  Kommen könnte den einsamen Seelen der Passagiere von der Hölle der ewigen Langeweile in der schwarzen, kalten Tiefsee befreien !
Die armen Passagiere sind sich nun nach langer Zeit einig: Sie müssen warten und die Hölle ist kein Feuer, sondern die Langeweile und die Abwesenheit von Gott !

***

c/G.E.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.05.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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