Christa Astl

Leben in Klausur




 
Schon in den ersten Jahren unserer Zeitrechnung zogen sich Menschen zurück in die Einsamkeit. Es waren tiefgläubige, stark religiöse Personen mit großem Hang zur Nachdenklichkeit.Manche von ihnen lebten in völliger Abgeschiedenheit von allen Menschen. Meist waren es Mitglieder eines Ordens, anfangs nur Männer, erst um die Jahrtausendwende lebten auch Frauen als Eremitinnen, sie schlossen sich aber in Gemeinschaften zusammen. Auch die Eremiten in den buddhistischen Klöstern leben gemeinsam in Klöstern.
In der Literatur ist mir besonders der Einsiedler aus der Gralssage bekannt, der mit seiner einfachen Weisheit dem suchenden Ritter Parsifal den Weg zur Erlösung weisen konnte.
 
Ich versuche es manchmal, dem Wesen und Leben  dieser Anachoreten zu folgen.
Ich lebe zeitweise wie ein Einsiedler, ziehe mich hin und wieder gerne in eine Art „Klause“ zurück, treffe dort niemanden, keiner besucht mich, denn es weiß kaum jemand, dass ich hier bin. Und das ist gut so. Ich will allein leben. Allein mit der Natur um mich.
Ich habe hier wenig des für die meisten nötigen Konsumkomforts. Es gibt keinen Fernseher zur Unterhaltung, das Internet verwende ich äußert selten und nur gezielt, Radio höre ich hin und wieder, Zeitungen oder gar irgendwelche Zeitschriften haben keinen Eingang, die Werbung flattert sofort in den Papierkorb. …. An der Tür des Hauses lasse ich alles, was an Alltag erinnert, zurück.
Hier gibt es keine Hektik, deinen Zeitplan. Ich stehe am frühen Morgen auf. Ein kurzer Blick zum PC, beim Frühstück überlege ich was ich tun werde. Wenn möglich halte mich sehr viel im Freien auf, bin den ganzen Tag in Bewegung. Einen Garten x-mal zu durchqueren, erfordert schon viele Schritte, und da ich planlos arbeite, bin ich bald am einen, bald am anderen Ende beschäftigt.
Ich vermisse die Menschen überhaupt nicht. Ich sehe Nachbarn in einiger Entfernung auf ihren Grundstücken, hin und wieder fährt ein Auto vorbei.
Nur wenn ich abends im Haus bin, freue ich mich über eine Mail, schreibe auch gern selber welche und warte auf Antwort, das Handy liegt meist in einer Ecke, es läutet nicht.
Meine selbstgewollte Einsamkeit, ich liebe sie. Sie bedeutet völlige Freiheit, ohne Kontrolle, ohne Vorschriften, ich kann meinen Tag leben.
Die Kriterien der frühen Mönche waren ja: arbeiten, beten und innerer Frieden.
Arbeiten – ja, fast den ganzen Tag, im Garten jäten, mähen, ernten, etwas zurückschneiden, einsetzen… – und dabei können die Gedanken wandern, sich neu formieren...
Ich betrachte meine Pflanzen, versuche ihr Leben nachzuvollziehen, Bedingungen zu erkennen und zu verbessern, es kommen aber auch alle möglichen Gedanken. Sie kommen in Ruhe, können nicht belasten, da meine Konzentration auf den Garten beschränkt ist. Schon dadurch sind andere, vor allem menschliche Probleme an zweite Stelle gereiht. Und wenn diese Menschen nicht in Reichweite sind, ist es nur umso besser. Die innere Distanz ist mir zeitweise enorm wichtig.
An milden Abenden sitze ich fast bis Mitternacht allein vor dem Haus. Ich blicke auf den Tag zurück, höre dem Lied der sich zur Ruhe begebenden Vögel zu, erwarte die ersten Sterne und träume und sinniere. Da bin ich ganz Eins mit der mich umgebenden Natur.
In die Weite gerückt, sind auch große Probleme klein und unscheinbar. Man hat alles im Blick, aus der Nähe hingegen drückt schon ein Detail, das festhält und ein Weiterkommen verhindert. Aus der Ferne sieht man sofort einen Weiterweg, der Blick öffnet sich, zeigt Wege, die dann gangbar sind. Auch in der geistigen Weite verhält es sich so, Gedanken laufen ihre Wege, sofern man sie lässt, und in der Natur ist dies möglich. Da muss ich sie nicht an Ketten legen. Und siehe da, es gibt dadurch keine Konflikte, sie vereinen sich, kommen zur Ruhe.
Diese Ruhe, den inneren Frieden kann ich hier erreichen. Deshalb ist mir das Alleinsein so besonders wichtig. Manchmal geschieht es schon nach zwei Tagen, manchmal brauche ich auch zwei Wochen, bis ich so weit bin. Dann reicht die Kraft wieder eine Weile für den Alltag mit seinen Pflichten und Geboten.
 
 
ChA 27.05.14

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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