Peter Somma

Seitensprung

Maria und Patrik waren zwölf Jahre verheiratet, hatten zwei Töchter und waren glücklich miteinander. Zwar hatte der Alltag, das tägliche Einerlei auch in ihrer Ehe Routine einkehren lassen, hatten die Umarmungen, auf die beide immer noch nicht verzichteten und die beide durchaus beglückten und befriedigten, an Heftigkeit ein wenig nachgelassen, aber immer noch war Patrik verliebt in seine Frau und zufrieden in seiner Ehe und dachte nicht im Traum daran, sie zu betrügen.

Heute Morgen, als Patrik ins Büro aufgebrochen war, hatte ihn seine Frau Maria noch, so wie sie es immer tat, mit einem Kuss verabschiedet, aber das war heute kein Küsschen gewesen, wie er das gewohnt war, sondern das war schon ein ordentlicher Kuss gewesen, den sie ihm da auf die Lippen gedrückt hatte, ein Kuss, der etwas versprach und der von Verlangen erzählte. Und als ob sie die Bedeutung dieses Kusses noch bestätigen hätte wollen, hatte sie ihn dann noch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und den Worten „Komm heute bitte nicht zu spät nach Hause“ verabschiedet.

Darauf hatte er ihr, mit einem Ausdruck des Bedauerns im Gesicht erklären müssen, dass es gerade heute wohl später werden werde, da, er hatte ihr das ja schon gestern gesagt, er mit seiner Kanzleikraft heute das wichtige Offert, das für seine Firma von so großer Bedeutung war, fertig stellen müsse, damit es morgen früh zur Post gebracht werden konnte, und dass sie leider gerade heute besser nicht mit seiner frühen Heimkehr rechnen dürfe.

Und tatsächlich hatte dann Patrik mit Renate, seiner Büroangestellten, die er vor einigen Jahren eingestellt hatte, als sie blutjung direkt von der Handelakademie gekommen war, und die seither in seinem Büro arbeitete, den ganzen Tag an einer wichtigen Kalkulation gearbeitet und es war, wie er es vorhergesehen hatte, sehr spät geworden, bis er endlich unter das fertige Offert seine Unterschrift setzen, es verschließen hatten können.

Patrik mochte Renate. Sie war ein tüchtiges, heiteres junges Mädchen, mit dem er gerne zusammen arbeitete, aber er hatte im Übrigen stets einen gewissen Abstand gehalten und hatte sich ihr gegenüber keine Vertraulichkeiten erlaubt. Er hatte stets freundlich, aber dienstlich mit ihr verkehrt und hatte das Private privat sein lassen und nie wäre es ihm im Traum eingefallen, mit ihr nach der Arbeit irgendwo ein Glas miteinander zu trinken.

Heute aber, hatte er sie, weil sie den ganzen Tag ordentlich geschuftet hatten, es spät und sie hungrig geworden waren und um auf das Offert anzustoßen, das ihnen hoffentlich den erwünschten, großen Auftrag einbringen sollte, zu einem kleinen Imbiss und einem Gläschen in einem Stehbuffet eingeladen.

Patrik hatte diese Einladung ganz ohne jeden Hintergedanken ausgesprochen, und wollte mit ihr nur seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, dass Renate so lange gearbeitet und sich sosehr für diese schwierige Arbeit eingesetzt hatte.

Sie waren dann in einem Stehbuffet eingekehrt, hatten einen Toast gegessen und ein Gläschen getrunken und dann noch eines und sich dabei gut unterhalten. Renate strahlte über das ganze Gesicht und es war nicht zu übersehen, dass sie ihren Chef anhimmelte. Patrik hatte es als seine Pflicht angesehen, danach Renate nicht einfach auf der Straße stehen zu lassen, sondern sie mit seinem Wagen heimzubringen, denn es war schon lange nach Mitternacht und die Sterne leuchteten schon von einem tiefblauen Himmel.

Als sie bei ihr zu Hause angekommen waren, war Patrik aus dem Auto ausgestiegen, um sich von ihr zu verabschieden. Aber Renate hatte, als sie mit ihm vor ihrer Haustüre stand und ihr zum Abschied die Hand reichen wollte, die Gelegenheit ausgenützt, hatte ihn umarmt und ihn leidenschaftlich geküsst.

Patrik war von diesem plötzlichen und unerwarteten Überfall völlig überrascht worden und hatte nicht gewusst, wie er sich nun verhalten sollte. Noch hätte er die Möglichkeit gehabt, sich aus ihrer Umarmung zu lösen und endlich zu seiner Frau nach Hause zu fahren, die ja sicher schon sehnlichst auf ihn wartete und das ganze wäre ein mehr oder weniger harmloses Ereignis geblieben. Renate aber ließ ihn nicht aus ihrer Umarmung entkommen und säuselte ein zärtliches „Komm doch noch zu einem Gläschen mit herauf!“ Jetzt wusste Patrik nicht, wie er sich verhalten sollte. Noch nie hatte er sich, seit er mit seiner Frau Maria verheiratet war, in einer solchen Situation befunden. Er hatte ja nie die Absicht gehabt, mit ihr eine Liebschaft anzufangen. Andererseits – hätte ihn da nicht jeder ausgelacht, wenn er so eine Gelegenheit ausgelassen hätte? Patriks Gegenwehr begann langsam zu schwinden und die Aussicht, auf ein so unerwartetes Abenteuer, ließ seine ehrliche Absicht seiner Frau treu zu bleiben, in den Hintergrund treten. Seine Frau musste ja nichts davon erfahren, dachte er und Renate war eine Sünde wert. Sie war jung und hübsch. Konnte er da nein, danke sagen? Und weil Patrik nicht ausgelacht werden wollte, ging Patrik mit Renate mit hinauf.

Oben angekommen sagte Renate: „Machs Dir nur bequem, ich geh mich nur rasch umziehen.“ Und als Renate zurückkam trug sie einen sehr kurzen Bademantel und es war leicht zu erraten, dass sie darunter nichts anhatte. Noch heute am Morgen hätte er jeden Eid geschworen, dass er seine Frau nie betrügen würde, aber nun saß er in der Falle, aus der nicht mehr entkommen konnte, - und in diesem Augenblick wohl auch nicht entkommen wollte, wollte er nicht sein Gesicht verlieren.

Renate ließ den Bademantel gekonnt über ihre Schultern gleiten, zu Boden fallen und stand nun nackt vor ihm. Da schoss Patrik das Blut in den Kopf – und wohl auch noch woanders hin und er vergaß alle Zweifel, liebte sie heiß auf der Sitzbank, am Boden und schließlich auch noch im Bett.

Als sie sich verabschiedeten, war es Drei Uhr früh und Patrik fuhr mit gemischten Gefühlen, heim zu seiner Frau. Die lag längst im Bett und schlief, erwachte aber, als er sich ins Bett fallen ließ. „Ist aber spät geworden heute?!“ sagte sie und er antwortete „Ja, war ganz schön anstrengend.“

Patrik schlief kurz und schlecht in dieser Nacht. Alle möglichen Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Schlechtes Gewissen vermischte sich mit der Erinnerung an das eben Erlebte, das er, wenn er ehrlich war, auch nicht bereuen wollte. Und wie sollte er morgen mit Renate umgehen? Keinesfalls wollte er in ein länger andauerndes Abenteuer schlittern. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte, nicht wie er sich morgen betragen sollte, wenn er ihr entgegen treten würde.

Dann kam er, der nächste Morgen. Renate war schon im Büro als er eintrat und lächelte ihn an. Auch Patrik lächelte ein wenig verlegen zurück. Dann meinte er: „Wegen gestern…..“ „Ja,“ fiel Renate ihm ins Wort, „ich wollte Dir, Ihnen,“ Sie wusste nicht recht wie sie ihn ansprechen sollte, „sagen, dass es sehr schön gewesen ist, aber…..“ „Ja“ sagte Patrik, „das wollte ich auch gerade sagen“. „Nein,“ meinte Renate, „Aber Sie, Du.“ Da fiel er ihr ins Wort und meinte ein wenig trocken: „Ich glaube, wir sollten besser beim Sie bleiben!“ „Ja, gut.“ Sagte sie. „Also ich meine, Sie sollten sich nicht zuviel von mir erwarten. - Das gestern, das war ein Ausrutscher, ich weiß selbst nicht, wie das alles passieren hat können. Das hätte nicht passieren dürfen. Sie sind ja verheiratete, und ich, na ja, ich bin ja verlobt und ich liebe meinen Verlobten. Und ich bitte Sie, dass Sie das wieder vergessen! Das von gestern und dass Das von gestern unter uns bleibt.“ „Ja, selbstverständlich“ antwortete Patrik erleichtert. „Ich sehe das auch so.“ Man merkte fast, wie ihm bei diesen Worten ein Stein vom Herzen fiel und beruhigt dachte er dabei, es war ja nur ein Seitensprung, von dem meine Frau nie etwas erfahren wird und nie wird es wieder vorkommen.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Peter Somma).
Der Beitrag wurde von Peter Somma auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.07.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Peter Somma als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Nicht nur seelenverwandt: Kurzgeschichten in Episoden von Regina Elfryda Braunsdorf



Kurzgeschichten in zwei Abschnitten.
Im Abschnitt: die 12 heiligen oder rauen Nächte werden 12
Tages-Episoden von 12 Leuten aus diesem Zeitfenster erzählt.
Im zweiten Abschnitt trifft Elly ihre nervigenFreund:innen - eine Woche lang.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Peter Somma

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sandkastenliebe von Peter Somma (Sonstige)
Mama ...Lupus...autobiographisch... von Rüdiger Nazar (Sonstige)
ein ganz normales Abendessen mit zwei Schul-Kindern von Egbert Schmitt (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen