Iris Klinge

Das schräge Leben

Es gibt Menschen, deren Lebensweg geradlinig verläuft. Sie wachsen in einer intakten Familie auf, lernen vielleicht den Beruf ihres Vaters oder übernehmen sein Geschäft, finden den richtigen Partner und gründen mit ihm eine neue Familie. Im Alter erfreuen sie sich an den Enkeln und sterben, wenn sie Glück haben, eines Tages im Schlaf.
 
Die Generation unserer Väter, die noch im Krieg gekämpft und die erlebten Schrecken nie vergessen konnten, stirbt langsam aus. Sie waren Opfer und kümmerten sich nur ums nackte Überleben und später um den Wiederaufbau ihrer Existenz.

Wir Nachkriegs-Generation haben das Privileg, von Kriegen weitgehend verschont geblieben zu sein.
Doch wir mussten mit anderen Schwierigkeiten fertig werden. Mit Vorurteilen, mit falschen Vorstellungen, was richtig oder falsch ist. In Freiheit aufzuwachsen, war nur wenigen vergönnt.

Aber was sollten wir tun, wenn wir das Elternhaus wie ein Gefängnis empfanden, in dem der Gehorsam das oberste Gebot war und die Seele litt, weil sie wußte, dass ihre Bestimmung eine andere war, als die  vorgegebene.

Es gab zwei Möglichkeiten der Lösung des Problems: entweder sich anzupassen oder zu rebellieren, auszubrechen, ein Aussteiger zu werden.

Oder als dritte Möglichkeit, sich dem Schein nach vorläufig anzupassen mit dem Wissen, eines Tages das Weite zu suchen und ein Leben nach seiner Bestimmung zu führen.

Ich glaube, dass diese dritte Möglichkeit einigen meiner Freunde und auch mir gelungen ist. Andere, die es nicht geschafft haben, die Fesseln der Bürgerlichkeit abzulegen, wurden inzwischen krank oder resignierten, einige starben sogar an Krebs,  denn dies ist eine Krankheit der Seele.

So gelingt meist in der Zeit zwischen 40 und 50, in der sogenannten Midlife Crisis, der Absprung in die Freiheit. Für viele zurück Gebliebene unverständlich, eine Provokation, ein Frevel an der Familie. Das schräge Leben wird von ihnen abgelehnt und verteufelt.
 
Für den, der es wagt, seiner Bestimmung zu folgen, beginnt nun ein Neuanfang, der nicht immer rosig ist sondern auch viele Entbehrungen mit sich bringt, z.B. wenn die eigenen Kinder kein Verständnis für die Emanzipation eines Elternteils haben.

Es ist, wie von einer Klippe zu springen mit dem Vertrauen, dass unten ein Sicherheitsnetz den Sturz aufhält. Es ist auch die Gewissheit, dass einige beste Freunde Verständnis für den Ausbruch aus dem Gefängnis haben, auch wenn sie selbst es nicht wagen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen.

Das schräge Leben hat Ecken und Kanten. Es geht nicht immer vorwärts sondern legt auch mal eine kreative Pause ein, in der sich der Abtrünnige fragen muss, ob seine Entscheidung die richtige war.

Der Preis für dieses von der Gesellschaft nicht akzeptierten Lebens ist im höheren Alter die Gewissheit, dass die Entscheidung damals richtig war und alle Fähigkeiten genutzt und verwirklicht wurden – egal, was die anderen denken oder sagen. „Be yourself, no matter what they say“, heißt es in einem berühmten Song. Und meistens gibt der Erfolg uns Recht. Wir erfahren den Einklang von Herz, Geist und Seele, ohne Stress und ohne krank zu sein.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.07.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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