Das Mädchen saß auf dem großen Findling und baumelte mit den Beinen. Es hatte ein rotes Kleid an, und auf dem Kopf saß ein blauer Strohhut.
Die Sonne schien, der Wind wehte sacht, ab und zu sang ein Vogel in den Hecken ringsum eine kurze Strophe.
Das Kind wartete darauf, dass es zum Essen gerufen würde. Die Freundin war schon fort.
Plötzlich zupfte etwas am linken Schuhband. Das Mädchen riss den Fuß hoch, doch es war nichts zu sehen. Es hob den anderen Fuß in die Höhe. Da klebte eine Klette an der Schleife des Schuhs. Das war nichts besonderes, schließlich wuchsen die Kletten ja vor den Hecken an den Feldrändern.
Wieder zupfte es am linken Schuhband.
Diesmal sah die Kleine an ihrem Bein entlang in die Tiefe. Ein Schmetterling, so schien es, saß auf der Schuhspitze mit ausgebreiteten Flügeln.
Schon wieder zupfte es, obwohl der Schmetterling sich nicht bewegt hatte, sondern sich weiter sonnte.
Das Mädchen beugte sich weit nach unten und schob vorsichtig ihren Zeigefinder in Richtung Schuhband. Richtig, da bewegte sich etwas, krabbelte auf den Finger, so dass es ziemlich kitzelte.
Mit Mühe unterdrückte das Kind den Wunsch zurückzuzucken und hielt still.
Es geschah nichts weiter, es kitzelte auch nicht mehr. Ganz vorsichtig hob das Mädchen die Hand und hielt sie sich so unter die Augen, dass es etwas erkennen konnte. Auf dem Finger saß – nein, so etwas! – eine kleine durchsichtige Gestalt. Eine winzige Menschengestalt in einem kaum erkennbaren rosa Kleidchen. Es war klar: das musste eine Elfe sein!
„Was willst du?“, fragte das Kind leise.
Das Elfchen zeigte mit der Hand auf den blauen Strohhut. Verwirrt nahm das Kind den Hut vom Kopf und hielt es der winzigen, durchsichtigen Gestalt hin.
Das Elfchen machte eine höfliche Verbeugung, hüpfte auf den Hut und bedeutete dem Mädchen, dass es den Hut wieder aufsetzen sollte.
In dem Moment rief die Mutter zum Essen. Das Kind richtete sich langsam auf.
Da flatterten zwei Schmetterlinge um seinen Kopf und gaukelten zu einem lustigen Flug in Richtung Blumenwiese.
Auf der Schuhspitze und auf dem Hut saß nichts mehr. Nun konnte das Mädchen rennen.
Es wusste, es würde Eis zum Nachtisch geben.
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.08.2014.
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