Robert Nyffenegger

Segeln einst und jetzt


 
Kannst Du Dich in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück versetzen, weisst Du was Segeln ist? Wenn nicht, lohnt es sich nicht weiterzulesen, drück Return.
Einst:
Mein Pate schenkte mir auf dem Totenbett seine Briefmarkensammlung, die ich nach der Abdankung - möglicherweise nicht in seinem Sinn- veräusserte und mir dafür eine ältere, gaffelgetakelte Segeljolle aus Lärchenholz kaufte. Sie gehörte zur Klasse der H-Jollen. Mit einem eigenen Boot  brauchte man keinen Segelschein. Mein Revier war der Thunersee (CH).
Zu dieser Zeit gab es weder  Seepolizei, noch Sturmwarnung .Der Seenotrettungsdienst war, wenn überhaupt, spontan. Wer gerade Zeit und Lust hatte. Oft rettete das Kies-Ledischiff  der Kanderkies AG, wenn es auf seinem Kurs zufällig vorbei fuhr. Kontrollen und Vorschriften existierten nicht oder zumindest gab es keiner, der sie hätte kontrollieren können. Man hielt sich einfach mehr oder weniger an die Strassenvorschriften oder an Handzeichen und Brüllen. Die schlechteren Schwimmer führten einen Korkrettungsgürtel mit, die guten Schwimmer ihr Selbstvertrauen. Nachts segelte man mit Petrollampe und Bier, sicher aber Bier. Motorisiert war kaum einer, deshalb war es üblich, dass man zu spät zum Essen oder zur Arbeit kam. An den Wochenenden regnete es oft gegen Abend, sodass man die Baumwoll-Segeltücher nach Hause zum Trocknen mitnahm. Hin und wieder ist einer ersoffen oder mit Boot und Maus versunken, das war zwar sehr traurig, aber entschuldigt, wenn einer die Wetter-und Windverhältnisse nicht beurteilen konnte. Er oder Sie wurden ohne Juristengeplänkel beerdigt, sofern man sie fand. Nachts schlief man mit Wolldecke auf den Holzplanken. Die Notdurft wurde den Fischen kredenzt. Am Wochenende gab es meist eine Regatta, gewinnen war wichtig, aber noch wichtiger war das anschliessende gesellige Zusammensein. Jeder hat sein Bötchen selber gepflegt Die Unterhaltskosten konnten auch mit dem Sackgeld bestritten werden. Wundervolle Mondnächte, herrliche Ausflüge und ebensolche Abenteuer!
Jetzt:
Meide ich selbstverständlich den Thunersee. Was da alles so rumkreuzt:
Motorboote, Paddelboote, Surfer, Stehsurfer, Kiter, Wasserskifahrer, Segelboote, Touristendampfer etc. und die Kosten und die Vorschriften und das Alkoholverbot!
Begnüge mich nun mit dem Atlantik. Kürzlich hat mich ein guter Freund mit seiner Yacht besucht. Dazu musste er mit seinem Boot vier Kilometer  -wegen der Untiefen- auf der Lagune um vierundzwanzig Pfähle kreuzen. Die Pfosten sind nachts rot oder grün beflammt und wurden von der EU für die Fischer bezahlt. Da diese die Einfahrt aber auswendig kennen, dienen sie jetzt vorwiegend den Seglern und Motorbootfahrer. Mein Freund wollte nach Porto Santo und dann auf die Kanaren. Da er keine Gesellschaft mit hatte, besser gesagt seine Frau den Landaufenthalt bevorzugte, wollte ich ihn zur Unterhaltung begleiten. Nachdem das Notwendige an Tranksame verstaut war und nach geziemendem Abschied von den Ehefrauen, ging es unter Motor raus auf den Atlantik. Dazu musste das GPS nur auf „Zurück bis Atlantik“ gestellt werden, Radar in Betrieb setzen und wir genehmigten uns in der Kajüte den obligaten Start-Trunk. Draussen auf See: Segel setzen, Kurs abstecken, Radar einstellen, fertig ist die Segelei .
Von nun an ging alles dank der Technik (GPS, AIS, Radar, Echolot, Funk, Wetterprognose etc.)  automatisch. Gegen schwimmende, über Bord gegangene Container war das Vorausecholot eingeschaltet.
Nach zwei Tagen- ohne Hand am Steuerrad - spannender Unterhaltung erreichten wir Porto Santo und wenige Tage später Puerto de Mogan auf Las Palmas. Ein einziger nächtlicher Zwischenfall ist zu vermelden, aber die Beschreibung würde den Rahmen dieser Kurzgeschichte sprengen. Es ging mir einzig darum den gewaltigen Unterschied  des Segelns innerhalb von knapp sechzig Jahren aufzuzeigen.
Abenteuer, wo bist du geblieben? Wenn die Technik versagt oder veraltet oder nicht vorhanden ist, dann gibt es sie noch. Siehe: Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen Atlantik 1-6
 
Das Segeln war ein Abenteuer
Dank Technik ist es jetzt bloss teuer
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.08.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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