Sonnenkind

Vor dem Haus sitzen eine Frau und ein Mann. Zusammen, auf einer Bank. Sie redet und erzählt. Von Gefühlen, von Ängsten, von Gedanken, von Wünschen, von Ideen, von schönen Dingen und den Unschönen. Ihre Füsse sind nackt. Ihre Augen gross. Der Wind pustet leise und liebevoll in ihr Haar.
Der Mann liest in einem Heft. Seine Füsse sind versteckt in Socken und Schuhen. Er spürt den Wind nicht. Auch nicht die Sonne, die mit ihren abendlichen Strahlen einen Gruss senden möchte.
Ab und zu blickt er auf, der Mann, der vertieft in sein Heftchen. Dann schaut er über den Rand seines Heftes. Sagt „aha“ oder „ach ja?“. „Mhhh“ und „soso“. Aber meistens schaut er gar nicht auf und nickt nur. Oft auch an falscher Stelle, an Stellen, in welchen es gar nichts zu bestätigen oder zu nicken gibt. So liest er in seinem Heftchen und die Frau redet. Sie wechselt den Platz und sitzt inmitten vieler Blumen, in der Sonne, streicht mit den Händen über die Erde, lässt Ameisen über ihre Finger laufen, schaut den Libellen zu die sich bunt schillern auf den Weg zum Teich machen. Sie redet mit ihrem Mann. Der Mann nickt und murmelt sein „aha“ oder sein „ach ja?“. Er blickt nicht auf. Sitzt auf der Bank, im Schatten und liest. Barfuss läuft seine Frau über die Wiese, streicht mit den Händen die Rinde der Bäume, berührt zärtlich  die reifen Äpfel und die blutroten Blüten der Rose.
Sie legt sich ins Gras und atmet den Duft der Erde, schaut dem Leben im Gras zu, berührt das Leben und schliesst die Augen.
Nach langer Zeit blickt ihr Mann vom Heftchen auf. Die Stimme seiner Frau ist verklungen. Er hält Ausschau nach ihr. Sieht sie nicht. Er sieht aber den kleinen Schmetterling der tanzend  aufsteigt. Er ist ganz bunt und schillert, er dreht sich im Kreis und fliegt hoch hinauf in den Himmel.  Seine Frau hat er nie wieder gesehen. 
 

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