Fritz Rubin

Zurück vom Ende der Unendlichkeit


 Meine Reise an das Ende der Unendlichkeit beginnt im Jahre 2038, an einem sonnigen Morgen. Wir schreiben den 22. August, es ist mein 100. Geburtstag. Es sind nicht mehr viele da, die sonst an den Geburtstagsfeiern teilgenommen haben.
   Meine Frau, auch weit über 80, meine alten Kinder, so um die 70 und Großsöhne, um die 40, haben es sich auf der Terrasse bequem gemacht. Die Sonne wärmt mich.
 
   Ich liege in meinem Ruhesitz, hänge meinen Gedanken nach, als mich eine Stimme auffordert, mitzukommen.
  
   „Wohin soll ich mitkommen“, frage ich mit leiser Stimme.
 
   „Komm mit an das Ende der Unendlichkeit“, sagt diese Stimme mit warmen Unterton.
    „Frei wie ein Vogel“, denke ich, und schon sehe ich mich am Himmel dahinschweben. Immer schneller entferne ich mich von meinem Ruheplatz, es wird ganz hell, und ich schwebe immer weiter, immer weiter, immer weiter.
   „Du wirst jetzt ganz lange fliegen, bis du das Ende der Unendlichkeit erreicht hast“, flüstert diese Stimme wieder. „Wenn du dann am Ziel bist, wirst du einen großen blauen Funkelstern entdecken. Nimm ihn auf und schau hinein. Du wirst eine Botschaft lesen. Folge diesem Text.“
   Das ist das Letzte, was ich von dieser Stimme höre.
 
   „Wie lang ist eigentlich die Unendlichkeit?“, denke ich, während ich meinem Ziel entgegenschwebe. „Wie lange brauche ich, um dort anzukommen?“
  
   „Die Zeit ist endlos“, da ist sie wieder, die Stimme. „Zeit, Zeit spielt jetzt keine Rolle mehr für dich, du hast jetzt Zeit, ganz viel Zeit, Zeit bis zur Unendlichkeit!“
   „Wann bin ich denn am Ziel?“, frage ich fassungslos.
 
  „Du musst nicht so ungeduldig sein, bleibe gelassen, du wirst schon merken, wann du da bist! Du bist auf der Reise zu den Sternen, dann wirst du auch ein Stern sein, wenn du das Ziel erreicht hast!“
  
Der ruhige Tonfall dieser Stimme gibt mir Sicherheit, ich fühle mich geborgen.
 
   „Zeitlos“, so empfinde ich meinen Zustand der Schwerelosigkeit. Ist das meine Seele oder sind es mein Gedanke, die mich in die Unendlichkeit treiben lassen?
 
„Ich bin noch nicht am Ziel“, überlege ich, und meine Reise in die Unendlichkeit dauert jetzt wohl schon 1 000 Jahre oder eine Million Lichtjahre, ich weiß es nicht, es ist mir auch gleichgültig. Die Unendlichkeit kennt den Begriff „Zeit“ nicht, sie dauert eben endlos, oder gibt es an ihrem Ende doch ein Ende?
   „Was werde ich dort vorfinden? Werde ich den blauen Funkelstern überhaupt finden?“
   „Warum zweifelst du?“, lässt sich die Stimme plötzlich vernehmen,  „vertraue dem, was ich dir gesagt habe!“
   Frei von jeder Angst schwebe ich mit Lichtgeschwindigkeit durch die Unendlichkeit, hoffend, den Funkelstern zu entdecken. „Wie lange bin ich eigentlich schon unterwegs? Leuchtet da nicht in der unendlichen Ferne ein schwaches blaues Licht?“

 „Nein, ich irre mich wohl., oder..? Nein, ich irre mich nicht, der blaue Schein wird immer klarer.“
   „Du wirst den Stern bald in die Hände nehmen können“,  höre ich die Stimme sagen. „Du bist gleich am Ziel!“
 
   Vorsichtig nähere ich mich dem  blauen funkelnden Stern, der auf einem runden, mit rotem Tuch abgedeckten Tisch liegt. Ein harmonischer Dreiklang unterstreicht dieses magische Szenario, immer wieder diese drei wundervollen Töne nacheinander.  „Was erwartet dich? Was kommt auf dich zu?“
 
   „Nimm´ den Stern in die Hände!“,  fordert mich die Stimme auf. „Du wirst darin eine Nachricht für dich lesen, und dann legst du ihn zurück an seinen Platz!“
 
   Ohne zu zögern berühre ich den fußballgroßen Stern und nehme ihn mit meinen Händen auf. Ein leichtes Klingeln ist zu vernehmen, ein leichtes Vibrieren folgt, und der Stern leuchtet ganz plötzlich in einem wunderschönen strahlend blauen Licht.
Fasziniert starre ich den Stern an, unglaublich, so etwas habe ich noch nie gesehen.
 
   Atemlos sehe ich dann eine von rechts nach links laufende Schriftzeile:
„Du, ich bin dein Stern, aber du bist zu früh da, du musst den ganzen Weg zurück, zurück in deine Welt. Ich möchte noch längere Zeit für dich funkeln, du musst noch so viel schreiben. Irgendwann werden wir uns wiedersehen, du weißt ja jetzt, wo ich wohne. Wenn es soweit ist, wirst du gerufen. Leg´ mich bitte wieder zurück!“
 
   Vorsichtig lege ich den Stern ab, das strahlende Leuchten verlischt, nur ein zartes blaues Licht zeichnet noch die Konturen des Stern auf der roten Decke, das Vibrieren hatte aufgehört, und auch das Klingeln war nicht mehr zu hören.
Ich bin ganz still, atme ganz flach und leise, als mich etwas Unbekanntes am Kopf berührt. 
 
   Die Stimme meines Enkels  reißt  mich mit den Worten: „Opa, du schnarchst ja schon wieder“ aus allen meinen Träumen.
 
   Verwirrt blicke ich auf, ich ruhe auf der Liege auf der Terrasse.
 
   Meine Frau hat den Tisch gedeckt, und ein unwiderstehlicher Duft von frischem Kaffee zieht über sie hinweg. Die Mienen unserer Gäste zeigen eine heitere Gelassenheit!
 
   Hatte ich wirklich nur geträumt und meine Seele eine Zeitreise unternommen?
 
 
© Fritz Rubin, 07.07. 2007, Othfresen
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wie herbstlich wird die Dämmerung,
wie gläsern ihrer Lüfte Kühle,
die Schatten liegen auf dem ›Grün‹
und rufen leis’ »Auf Wiederseh’n!«

Der Sommer sagt: »Adieu, macht’s gut,
ich komme wieder nächstes Jahr!«
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