Andreas Dany

Ein ganz spezieller Hochzeitstag ( Wenn Helden...)

 Ein ganz spezieller Hochzeitstag

Der nächste Morgen beginnt ohne Frühstück, was mir in der Regel nichts ausmacht, da ich das, besonders wenn ich früh aufstehe, eigentlich ganz gerne mache. Wenn ich nicht als erster aus dem Haus gehe(was sehr oft der Fall ist) versuche ich meiner Familie morgens aus dem Weg zu gehen.
Die einzige Ausnahme ergibt sich, wenn meine Frau krank ist, oder ich ihr aus irgendeinem anderen Grund leichtsinnig angeboten habe, die Kinder auf den Schulweg zu bringen. Das war auch schon zu Kindergartenzeiten nicht anders. Ich ziehe mich nicht etwa aus Faulheitaus dem Verkehr, sondern allein aus der messerscharfen Erkenntnis heraus, dass ich morgens einfach „über“ bin.

An den wenigen Tagen, an denen ich diese Aufgabe wahrnehme, ernte ich meistens allseitiges Unverständnis. In dem Bestreben, alles besonders gut zu machen, bringe ich auch alles kräftig durcheinander.Meine armen Kinder müssen sowieso schon darunter leiden, dass ich einige Dinge in meiner Kindheit zu entbehren hatte.

So ist unser Sandkasten zum Beispiel tiefer als 1,80 Meter und beinhaltet die komplette Ladung zweier Sand-LKWs. Das ist eine Folge aus der Tatsache, dass ich als Kind beim Buddeln, im nur Dreißigzentimeter tiefen städtischen Sandkasten, ständig auf Erde gestoßen bin.
Meine Kinder können sich problemlos stehend eingraben. Die Sandkästen ihrer Kinder werden wahrscheinlich wieder flach sein, um ihnen die Frustration zu ersparen, nie den Grund zu erreichen.

Auch kann ich mich noch gut an die Gesichter meiner Kinder erinnern, als ich ihnen einmal das „Glück meiner Kindheit“:„Zucker-Ei“ vorgesetzt habe.
Meine Frau, die auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achtet, hätte mich, wäre sie anwesend gewesen, sofort schimpfend aus der Küche gejagt. Anders meine Kinder–sie schoben die Gläser mit einer Mischung aus Ekel und Empörung von sich und verbaten sich(jedes seinem augenblicklichen kommunikativen Entwicklungsstand entsprechend) weitere derartigen Angriffe auf ihre körperliche Unversehrtheit. „Wir essen morgens Müsli“, war die Botschaft an mich. Nach dem Genuss von dreieinhalb Gläsern „Zucker- Ei“ hintereinander, verblassten auch meine schönen Kindheitserinnerungen an diese Speise(die Kleinste hatte ihr Votum mittels Handzeichen abgegeben, der halbe Inhalt des Glases verklebte Tisch und Fußboden auf längere Zeit).
Seit dieser Pleite halte ich mich, wenn ich denn überhaupt in Erscheinung trete, weitestgehend an das Ablaufprogramm meiner Frau. Von den wenigen mutigen Ausnahmen werde ich später noch berichten.

Am heutigen Tag aber gratuliere ich meiner Frau lediglich zum Hochzeitstag und konzentriere mich ansonsten auf mich selbst.
Als meine lieben Kleinen das Haus verlassen haben, humple ich, angetan mit der schützenden Orthese und mich auf die roten Krücken stützend, vorsichtig die Steintreppe hinunter.
Der einsame Wolf kennt keinen Schmerz und braucht keine Hilfe!“ Fast wäre der „einsame Wolf“ ausgeglitten und auf seinem blanken Hintern die Granittreppe heruntergerutscht! Zum Glück nur fast!

„Verdammt, kannst du nicht warten? Ich helfe dir doch“, die vorwurfvolle und etwas ärgerliche Stimme meiner Frau holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich erwähnte bereits, dass meine Handlungen nicht immer vernünftig sein müssen? Sie fährt mich zur Klinik (keine zehn Minuten Fahrzeit-hab ich doch gesagt). Irgendwie ist sie etwas unkonzentriert, sie vergisst nicht einmal zu blinken.

In der Praxis angekommen begleitet sie mich in den OP–Trakt. Hier, im Eldorado der Engelhemdchen, die nur erfunden wurden, um den Rittern des Missgeschicks und der Unvernunft den letzten Rest ihrer Würde zu nehmen, blüht sie richtig auf.

Zu meinem großen Glück befindet sich die Achillessehne ja im Peripherbereich des menschlichen Körpers. Dadurch kann ich den Minimalschutz meiner männlichen Würde, meinen Slip, anbehalten. Ein anderer Patient, ebenso zur Operation vorbereitet wie ich und ebenfalls von seiner Gattin begleitet, hat dieses Glück nicht. Als er sich zur OP-Liege begibt, ist ganz kurz seine Kehrseite zu sehen. Das ruft bei den Damen ein kurzes Prusten hervor, das zu allem Überfluss auch noch mit einem: „Süß–nicht?“, seiner besseren Hälfte kommentiert wird. Frauen können ja so niederschmetternd sein!

Das Highlight an meinem fünfzehnten Hochzeitstag hat jedoch der asiatische Anästhesist für mich parat. Der kommt kurz vor der OP zu mir. Ein freundlich lächelnder Chinese, noch in seinen Straßenkleidern.
„Bin ein bisschen spät, null schnell umziehen!“, versichert er mir. Der Mann versteht seinen Beruf! Das letzte was ich einige Augenblicke später sehe, ist die Spritze und sein lächelndes Gesicht. Dann reißt der Film.

Als ich vier Stunden später im Aufwachraum wieder zu mir komme, bin ich sofort voll da. Keine Kopfschmerzen, kein trockener Hals, kein Schwindelgefühl. Wenn Sie mal ein paar Stunden Auszeit brauchen – dieser Mann hat den richtigen Stoff und er kann damit umgehen!

Selbst die Schmerzen im Bein halten sich in Grenzen. Ich weiß allerdings schon von meiner Mutter, die zu ihren Lebzeiten eine engagierte Krankenschwester war, dass man sich in den ersten Tagen nach einer Operation besser etwas zurückhält.

Sogar meine Frau lässt mich heute nicht warten, sondern erscheint just in diesem Augenblick. Heute ist wohl mein Glückstag! Sie hilft mir dabei, mich umzuziehen. Ich hatte erwähnt, wie erniedrigend OP-Kleidung ist?

Mit Terminen zur Nachsorge und dem dringenden Hinweis, dass ich die Orthese nicht anzurühren habe, verlassen wir die heiligen Hallen.
Natürlich lehne ich ihr Angebot, mich zu stützen, dankend ab! Ein Schlachtfeld verlässt der ruhmreiche Krieger entweder auf seinen eigenen Beinen, oder gar nicht!

Zu Hause nehme ich wieder meinen Platz auf der Couch ein. Ich bekomme einen Orangensaft und eine leichte Mahlzeit. Der Fuß wird auf ein Kissen gebettet und der Fernseher eingeschaltet. Ich bekomme die Fernbedienung!!! Wenn wir jetzt noch den Orangensaft durch ein frischgezapftes Bier ersetzen würden, wäre ich im Männerparadies! Da kann man eine gerissene Sehne ganz gut verkraften!

 

Fortsetzung folgt...





kk

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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