Andreas Dany

Im Exil ( Wenn Helden...)

Im Exil


Im Erdgeschoss unseres Endreihenhauses, haben wir ein kleines Gästezimmer. Dieses Zimmer wird mir jetzt, wo die Treppen unseres Hauses eine ernst zu nehmende Barriere darstellen, als mein Refugium zugeteilt. Tagsüber: Sofaecke-nachts: Gästezimmer.

Damit ich es etwas bequemer habe, wird das Zimmer noch „gemütlich“ gemacht. Auf diese Maßnahmen habe ich nur bedingt Einfluss. Da auch meine Jüngste sich an dieser Aktion beteiligt, erhält das Zimmer eine recht bunte Ausstattung. Die von ihr ausgewählte „Felix“ Bettwäsche ist zum Glück aus einem angenehm kuscheligen Biber-Stoff. Star Wars wäre schlimmer gewesen!

Das Bett erhält ein zusätzliches Polster, damit ich mein Bein hochlegen kann. Außerdem bekomme ich noch eine Leselampe ans Bett: „Falls du mal nicht einschlafen kannst.“.
Meine Jüngste legt mir noch eines ihrer zahlreichen Kuscheltiere ins Bett. Es ist „Kuddelmuddel“ ein mittelgroßer Teddybär mit dem ich in Zukunft meine Nächte teilen darf. Den komischen Namen hat er von mir.Ich freue mich natürlich über die freundliche Geste, traue mich aber nicht zuzugeben, dass ich meine Frau als Bettgenossin vorziehe. Andererseits kann ich aber über diese Ausquartierung nur froh sein. Schließlich muss ich dadurch nicht befürchten, meine Frau um ihren nächtlichen Schlaf zu bringen. Selbst schlecht zu schlafen ist eine Sache, aber wenn mein Partner dadurch nicht zur Ruhe kommt, ist das einer der ganz seltenen Fälle, bei denen ich ein richtig schlechtes Gewissen habe.

Diese Nacht habe ich unruhig geschlafen und schlecht geträumt. Im Traum wurde ich von irgendwelchen, ekligen Außerirdischen verfolgt. Ich konnte mich vor ihnen in letzter Sekunde auf einen Baum retten. Dummerweise hing mein rechtes Bein noch herunter. Als einer dieser schleimigen Aliens danach griff, musste ich es reflexartig nach oben ziehen. Der stechende Schmerz weckte mich, die Orthese verhinderte das erneute Reißen der Sehne. Ich beschließe, demnächst lieber irgendein langweiliges Buch vor dem Einschlafen zu lesen.

Um mich herum erwacht meine Familie. Radiowecker informieren ihre Besitzer lautstark über die Neuigkeiten des Tages, ein nerviger Batteriewecker steigert stetig seine Lautstärke, bis ein Scheppern mir verrät, dass er, wohl durch einen gezielten Schlag, von seiner Aufgabe entbunden wurde. Und über allem tönt der Wecker meiner Jüngsten, der mit seiner hohen, elektronischen Stimme seine Botschaft auf die Reise schickt: „Diddel, Diddel, Diddel - Diddel, Diddel, Diddel- und hoppladihop, raus aus den Federn! Aufstehn, ein guter Laune Tag fängt an… Diddel, Diddel, Diddel…“. Langsam beginne ich meine Frühschicht zu vermissen!

Meine Frau kommt kurz zu mir, wünscht mir einen „guten Morgen“ und bittet mich, mit dem Aufstehen so lange zu warten, bis die Kinder aus dem Haus gegangen sind: „Ich helfe dir dann, du kannst ja noch ein bisschen weiterschlafen.“. Wie denn bei dem Krach?

Ich habe das dringende Bedürfnis mich zu duschen. Da das Gästezimmer ein eigenes, kleines Duschbad hat, fällt meine Eigenmächtigkeit sowieso nicht auf. Bei dem Geräuschpegel im Rest des Hauses könnte ein Düsenjet unbemerkt starten!

Ich stehe also auf und quäle mich in das Bad. Mühsam rücke ich einen Stuhl vor die Duschwanne. Ich lege Handtuch und Duschgel in erreichbare Nähe. Jetzt Wasser aufdrehen, angenehme Temperatur einstellen und die Dusche in die Wanne legen. Ich kann nur hoffen, dass keiner auf die Idee kommt die Toilettenspülung zu betätigen! Die Krücken lehne ich an den Stuhl. Vorsichtig setze ich mich auf den Rand der Duschwanne und ziehe mich hinein. Mein defektes Bein, bleibt, mit einem Handtuch vor Wasserschäden geschützt, außerhalb des Beckens.

Das Bild, das ich dabei abgebe, muss blamabel sein. Mit der Eleganz eines umgekippten Maikäfers, dusche ich mich ab. Wie herrlich kann heißes Wasser sein! Ich unterbreche widerwillig, um mich einzuseifen. Im Sitzen ist das alles etwas umständlich. Ausgiebig spüle ich mir den Seifenschaum von meinem Körper. „Sch…“, natürlich rutsche ich seitlich weg und gebe damit den letzten Rest meiner würdevoller Zurückhaltung auf. Prustend und schimpfend ziehe ich mich wieder hoch, dabei richte ich den Duschkopf, versehentlich, in den Raum. Zum Glück verfehlt der Wasserstrahl, wenn auch nur knapp, mein handtuchgeschütztes Bein.

Ich bringe meine Reinigungsaktion doch noch zu einem halbwegs passablen Ende und wische die Überschwemmung im Bad mit dem Badehandtuch auf, was sicherlich sehr grazil anmutet. Aber es sieht ja keiner.
In diesem Augenblick erscheint meine Frau: „ Du hast doch wohl nicht etwa alleine geduscht?“
Sie wartet keine Antwort ab, sondern schimpft gleich weiter: „Kannst du nicht einmal einen Augenblick warten? Irgendwann brichst du dir nochmal den Hals, wegen deiner Ungeduld!“.
Gleichmütig warte ich das Gewitter ab. Jede Verteidigung würde sie nur zum Weitermachen animieren. Trotz ihres Unmutes reicht sie mir frische Kleidung.
Ein Socken hätte auch gereicht“, obwohl ich weiß, wie stumpf meine Waffen im Moment sind, wage ich diesen kleinen Entlastungsangriff.
Meine Frau geht gar nicht darauf ein: „Hör bloß auf zu meckern! Versuch lieber Mal diese halblange Jeans über dein Holzbein zu ziehen.“.
Die dreiviertellange Hose, die sie mir aus dem Schrank mitgebracht hat, ist eine spürbare Verbesserung meines Outfits. Sie wird in den nächsten Wochen noch zu meinem treuesten Begleiter werden.

„Warum ist eigentlich das Handtuch so nass?“
Ich beschließe auszuweichen: „Welches Handtuch?“. Der Tonfall und mein unschuldiger Gesichtsausdruck zeigen dieser erfahrenen Ehefrau, dass es überhaupt keinen Sinn hat, dieses Thema weiter zu verfolgen.

Gemeinsam verlassen wir das Haus, sie mit federndem Schritt voran, ich mit meinen Krücken hinterher. Klaglos hieve ich meinen geschundenen Körper mit leicht verzogenem Gesicht ins Auto. Sie kann ja ruhig sehen, wie schlecht es mir geht! Auch meine Krücken finden einen sicheren Platz.

Die gemeinsame Fahrt zum Arzt, findet in einer leicht unterkühlten Atmosphäre statt. Und das, obwohl ich gar keine Bemerkung über den unbenutzten Fahrtrichtungsanzeiger mache. Vielleicht klammere ich mich aber auch einfach nur zu krampfhaft am Haltegriff fest.

Der Arzt ist mit mir zufrieden, wenigstens einer. Mit einem neuen Termin versehen schickt er uns wieder nach Hause.
Auf dem Heimweg besuchen wir noch den Orthopäden. Heute soll ich meinen „gepimpten“ linken Schuh bekommen. Irgendwie freue ich mich darauf, es geht einem nämlich ganz schön auf den Wecker, wenn ein Bein drei Zentimeter länger als das andere ist!

Heute bedient uns eine freundliche junge Frau. Sie gibt mir keine Tipps fürs Motorradfahren, hilft mir aber beim Anziehen des Schuhs. Stolz über die gewonnenen Zentimeter stehe ich auf. Ich hatte seit den siebziger Jahren keine Plateauschuhe mehr an, ohne Rüschenhemd und Schlaghose wirken sie aber irgendwie unvollkommen!

Meine Frau beschließt auf dem Rückweg noch einkaufen zu gehen. Ich halte das für einen verzögerten Racheakt für meine morgendliche Duschaktion. Zur Untätigkeit verbannt, muss ich eine gefühlte Ewigkeit im Auto warten, bis meine Frau mit den Einkäufen zurückkehrt.

„Es tut dir mal ganz gut ein bisschen zu warten! Schließlich wollen wir nicht alle darunter leiden, wenn du krank bist!“.
Ha, jetzt ist es raus: Diskriminierung eines altgedienten, führenden Familienmitgliedes aufgrund seiner momentanen Unpässlichkeit! Sippenmobbing aus Gesundheitsgründen! Ich finde das moralisch in höchstem Maße verwerflich! Beleidigt schweige ich den Rest der Heimfahrt. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass sie das wirklich stört, aber: wahre Helden leiden leise!

Fortsetzung folgt...


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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