Kerstin Stelzer

Liebesgrüße aus Dresden

Der Herbst ist bereits in vollem Gange, hat den Sommer abgelöst und die Blätter bunt gefärbt. Die Zeit des Vergehens hat begonnen. Einige Bäume sind schon fast kahl, bereiten sich auf den Winter vor, um dann im Frühjahr wieder neu zu erwachen.
Der Sonntag verspricht uns laut Wetterbericht, ein sonniger Tag zu werden und wir entschließen uns zu einer Radtour. Dass wir nicht allein sind mit unserer Idee merken wir, als wir in Dresden am Terrassenufer starten. Unzählige Menschen hat die Herbstsonne heute vor die Tür gelockt. Kleine Kinder füttern Enten, die selbst einen Familienausflug zu unternehmen scheinen und sogar die Schwäne, um einiges größer, sind friedlich gestimmt. Ein paar Meter entfernt vom Entengetümmel sind zwei Jungs damit beschäftigt, Steine ins Wasser zu werfen. Immer wieder werden Neue gesammelt und in der Elbe versenkt. Die Geduld, der dabei zuschauenden Großeltern scheint unerschöpflich. Irgendwann wenden wir uns diesen friedlichen Szenen ab und unseren Fahrrädern zu, um in Richtung Pirna zu starten.
Es geht kilometerweit an der Elbe entlang und ich kann mich nicht satt sehen am Glitzern des Wassers, am Farbenspiel der Bäume und an gegenüber liegenden Häuschen, der Seilbahn und dem alles überragenden Fernsehturm. Schon bald liegen die viel diskutierte Waldschlößchenbrücke und das "Blaue Wunder" hinter uns. Unterwegs bedauere ich, meine Sonnenbrille zu Hause gelassen zu haben und habe mich längst meiner Jacke entledigt. Ja, die Sonne gibt ihr Bestes. Beinahe so, als wüsste sie, dass sie bald für längere Zeit an Kraft verlieren würde. Mittlerweile sind wir in Heidenau und immer wieder begegnen uns an Häuserfronten und Mauerwerken Markierungspunkte in etwa 10 Metern Höhe mit der Aufschrift "2002". Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser kommen auf und es geht an die Grenzen des Vorstellbaren, mit welcher Kraft, das jetzt so ruhig dahin fließende Gewässer, ganze Orte zerstört hat. Mich überkommt eine Welle des Respekts vor den so greifbaren Naturgewalten.
Irgendwann ist Mittagszeit und wir suchen uns einen Platz an der Sonne, um unsere mitgebrachte Brotbüchse zu leeren. Ich liebe diesen Moment. Es ist ein Luxus, den wir uns in letzter Zeit doch ab und zu gönnen. Wir sind unterwegs ohne Blick auf die Uhr und ohne Handy und essen, wenn uns danach ist, unser Brot. Ich ziehe das jedem "4Gänge de luxe  Menü" vor. In Pirna angekommen, verweilen wir einen Augenblick, und lassen den Zauber des Städtchens auf uns wirken, bevor uns auf den Rückweg begeben. Die Zahl der Frischlufthungrigen hat noch zugenommen und es ist manchmal schwierig, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Doch ich halte mich tapfer und lasse deinen Vorsprung nicht all zu groß werden.
Natürlich geht unser Tag nicht ohne einen Bummel durch die Dresdner Altstadt zu Ende, mit dem Besuch eines Eiskaffees und einen ehrfurchtsvollen Blick auf die Frauenkirche. Obwohl wir beide noch nicht wissen, welcher Muskel uns morgen am meisten weh tun wird, sind wir mehr als glücklich über diesen so kostbaren vergangenen- über unseren gemeinsamen- Tag.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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