Klaus Heinzl

Gestern im Wald ...

Und da saß ich nun. Vogelzwitschern, das Rauschen der Bäume und dann doch diese Stille. Aber nichts was unheimlich wäre. Fast andächtig lausche ich dem Schauspiel der Natur. Nichts Verfälschtes. Natur unplugged. Dann denke ich an „sie“. Ein Gedanke, der zur Stimmung passt...  auf merkwürdige Weise. Sie war so anders. Anders als ich sie mir stets vorgestellt hatte... oder sie mir gewünscht hatte... anders.
 
War es ihr Fehler? Oder eher meiner, weil ich bei ihr meine Erwartungshaltung zu sehr mit eigenen Vorstellungen und Regeln verband. Weil sie so war, wie sie war und ich es anders mochte. Ein Klopfen über mir lässt mich meine Gedanken für einen Moment vergessen. Vielleicht war sie es, die mir ein Zeichen gab. Will vielleicht sagen: „Lass es sein. Grüble nicht so viel nach und leb dein Leben unkomplizierter, zwangloser...“ – Zwanglos. Sind wir nicht alle ständig Zwängen ausgesetzt? Immer wieder und tagtäglich unterwerfen wir uns den gesellschaftlichen Auflagen, die wir zwar nicht wollen... aber dennoch praktizieren. Tag für Tag. Als ob es eine heilige Pflicht wäre. Heilig... was ist schon heilig. Jemand, der vorbildlich und fromm sein Leben im Sinne der Kirche gemeistert hat? Heilig. Im Glaubensbekenntnis stellen wir fest, dass, zumindest die katholische Kirche, heilig ist. Die Kirche. Ein Gebäude? Eine Glaubensgemeinschaft? Das Unternehmen?
Also, das Unternehmen kann ich als heilig nicht akzeptieren. Folterte und mordete man nicht in Vergangenheit im Namen eben dieser heiligen Kirche? Sah man nicht auch erst jüngst tatenlos zu, wie Tausende vergast, verbrannt und gefoltert wurden und ließ es zu? Heilig? Die Glaubensgemeinschaft kann es auch nicht sein, da diese eigentlich nicht grundsätzlich aus Heiligen bestehen kann und das Gebäude...  Nein. Dann wären wir wieder bei einer Götzenverehrung und warum sollte man ein Gebäude vergöttern und heilig „schimpfen“?!?
 
Was hab ich da wieder für Gedanken. Sollte mich der Ruhe des Waldes hingeben. Hinhören, wo jemand besonders esoterisch auf mich Einfluss nimmt. Ein Windstoß bewegt erneut die Bäume und ein Tannenzapfen fällt der Schwerkraft zum Opfer und macht mich fast zu einem.
Da... !!! Ein kleines Eichhörnchen fetzt in unglaublicher Geschwindigkeit an einem Baumstamm hoch. Hält dann kurz inne und wirkt nun – ich muss lachen – wie ausgestopft. So regungslos ist seine Haltung in drei Metern Höhe. Hab fast das Gefühl, es hat mich grade bemerkt und unsere Blicke treffen sich. Gedanklich beginne ich eine Konversation mit dem kleinen Nager. „Na, noch nie einen Waldmenschen gesehen? Seh ich denn so dämlich aus?“
Gleichzeitig wird mir bewusst, dass ich – so wie ich das sitze und es angaffe – ein wirklich merkwürdiges Bild für das kleine Wesen abgeben muss. Es wird denken: „Eye... was will der denn hier? Gehört der nicht in diese sterile Welt aus Beton und Asphalt? Da, wo seinesgleichen sich gegenseitig auf die „Nüsse“ gehen? Wo es zum Himmel stinkt und man sich auch noch kleine weiße Räucherstäbchen ins Maul steckt, damit man herzhaft husten kann? Die Welt der Verrückten... und der da hat sich wohl verirrt...!“ – Tja, und schon wird aus dem Steifftierchen wieder ein flinkes Eichhörnchen. Schwupps, weg ist es. Fast schon erleichtert löst sich nun auch mein Blick von jenem Baum und ich fasse mir an den nun etwas verkrampften Hals. Nein, ein Waldmensch bin ich wahrlich nicht. Mir tun ja allein schon die Blicke weh... und ich merke, dass sich beim Kreisen meines Kopfes langsam die Verkrampfung löst.
Wann hatte ich meine letzte Massage? Ist auch schon Jahre her... und anstatt über den Ablauf diese angenehmen Therapie nachzudenken, muss ich über die Praxisgebühr lachen, die man einführte, damit die Kassen weniger Kosten hätten... Was hab ich mich damals darüber aufgeregt. Mein Masseur musste sich hier meine Verärgerung über diese willkürliche Entscheidung dieser „Versicherer im Namen des Volkes“ anhören. Der Arme... Vielleicht waren auch deshalb seine Hände etwas forscher und handgreiflicher als sonst. Gebracht hat es den Kranken eigentlich nichts... Hypochonder sahen diese Gebühr damals als eine Art Abbo und nutzen mittels vermehrter Besuche beim Arzt, dieses clevere Konzept intensiver aus, als sie es anfangs planten. Der Rest verschob den Arzttermin nach Möglichkeit ins nächste Quartal, um dann aber richtig krank zu werden...  (was auch logisch ist).  Krank war allerdings hier nur das System, mit welchen man zwar angeblich erzieherisch schalten und walten wollte... und das sich letztlich als nützliche Therapie für die eigenen finanziellen Rücklagen herausstellte. Aber wie schon bei den Finanzspritzen diverser Banken in deren „Krankenstand“, war es der Staat, der dieses eigennützige Verwalten von Geldern billigte und keinen Anlass sah, hier mal moralische Bedenken zu äußern.
Gesundheitsminister sind ja auch nur Menschen... (und meist ohnehin privatversichert)
 
Und schon reg ich mich wieder auf. Wollte doch die Ruhe genießen. Die Stille der Natur.
Eine Stille, die ich zu Hause nicht so in den Griff bekam. Erst recht nicht, wenn „sie“ da war und mir – ohne Punkt und Komma – ein Ohr abknabberte.
Ich sehe in Richtung des Baumes und sehne mich nach dem Eichhörnchen. Soll es doch denken was es will. Vielleicht gewinnt es ja im Laufe der Zeit einen anderen Eindruck von mir und meinesgleichen. Wenn ich so starr dasitze und wie starr auf sie wirke. Vielleicht wandeln sich seine Gedanken dann und es grinst in sich hinein: „Ei, schau... ein ausgestopfter Mensch. Dass ich das mal erleben darf... wie der aussieht, fliegt er beim nächsten Windstoß eh um. Menschen sind ja sowas von walduntauglich... !“  - Aber das kleine braune Tierchen, mit dem flauschigen Schwanz, lässt sich auch nach geraumer Zeit nicht mehr blicken. Auch gut. Hab ich später keinen steifen Hals und brauch auch keinen Masseur. Den würd ich eh nur zulabern.
 
Wieder kracht ein Tannenzapfen haarscharf an mir vorbei, trifft einen Baumstumpf, prallt davon ab und mir an die Birne. Während ich mir an den Schädel fasse und ertaste, ob ein bleibender Schaden greifbar ist, fasse ich nun den schlauen Entschluss den Heimweg anzutreten.
Ein letzter Blick nach hinten. Der Wald ist immer noch so dicht und wirkt durch die eintretende Dämmerung nun noch dichter. Fast schon ein wenig unheimlich. Pech für das Eichhörnchen... es muss leider hier Quartier nehmen. Hat keinen Kachelofen zu Hause und einen 150-Zoll-Flachbildschirm-Fernseher in HD-Qualität. Naja... dafür Sauerstoff in rohen Mengen... Mit diesem geistreichen Gedanken mache ich mich schließlich auf den Weg. Stolpere noch einmal andächtig über einen saublöden Ast, der sich unbedingt vor mir platzieren musste und denke dabei sofort an Haarausfall (Bäume sind auch nur Menschen) und dass ich morgen im Drogeriemarkt ein Antischuppenshampoo kaufen muss. Auch, dass ich beim nächsten Waldbesuch nicht nur bessere Stimmung, sondern auch besseres Schuhwerk mitzunehmen habe. Tannennadeln können ganz schön pieksen, wenn man mit läppischen Sandalen unterwegs ist.
Bin ja nicht Jesus...    und erst recht nicht heilig ...
 
 
© kh. 21.10.2014

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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