Dana Kuttenhofer

Reizwortgeschichte Kupferkessel Kamin Katze Straße Moor


Bernadette setzte den Kupferkessel auf den alten Küchenherd auf. Das Feuer schien durch die brüchigen Stellen des alten Eisenofens, was Bernadette jeden Morgen darauf aufmerksam machte, wie endlich alles war.
Das war das erste, was ihr einfiel, wenn sie wieder einmal ihren Depritag hatte.
Vor allem aber führte der marode Zustand des einzigen Wärme spendenden Gegenstands in ihrem alten Haus ihr vor Augen, wie es um ihr Konto bestellt war.
Bernadette seufzte.

Dann rief sie Pucki, ihre Katze.

Gewohnheitsgemäß öffnete sie das mit Eiskristallen belegte Fenster ihrer dürftig eingerichteten Schlafkammer, von dessen Rahmen, „natürlich“ wie Bernadette dachte, die weiße Farbe abblätterte. Wie üblich erwartete sie Pucki nun von ihren nächtlichen Ausflügen zurück. Und Pucki kam wirklich immer zurück. Bernadette hatte noch nie andere Katzenliebhaber verstanden, wenn sie über das leidige Thema nachdachten, ob die Katze nun hinausdürfe oder nicht. „Was für ein ausgemachter Quatsch!“, dachte sie und drehte schon wieder um in Richtung Küche- als ihr auffiel, dass Pucki gar nicht erschienen war.


Panik keimte in Bernadette auf.

Im Morgenmantel stürzte sie hinaus und lief durch das Wäldchen den verschneiten Feldweg entlang, der zur nächsten großen Straße führte. Keine Katze weit und breit! Nur Puckis Spuren auf ihren üblichen Wegen! Keine Spur aber zurück zum Haus!
Die Schuhabdrücke der eleganten italienischen Stiefel bemerkte sie nicht. Natürlich nicht, denn sie interessierte nur eins: Die Pfotenabdrücke von Pucki. Und auch die wurden vom herabfallenden Schnee mehr und mehr zugedeckt.
An der Straße angekommen, traf Bernadette auf eine skurrile Szenerie. Ein elegant gekleideter Geschäftsmann lehnte an seinem nagelneuen, blank polierten schwarzen Wagen der Komfortklasse. Bernadette interessierte sich nicht weiter für Autos. Dass der Mann jedoch mitten im Wald dampfenden schwarzen Kaffee aus einer Thermoskanne in seine Porzellantasse goss, erschien ihr sogar in ihrer Panik seltsam.
Fror der Kerl denn nicht und musste er nicht zur Arbeit?


„Oh, einen schönen guten Morgen die Dame!“, grüßte er sie, scheinbar höflich, aber mit solch einem herablassendem Blick, dass Bernadette unwillkürlich ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Einen Kaffee gefällig?“
Bernadette spie ihm förmlich entgegen: „Nein danke, kann ich mir selbst kochen! Ich suche meine schwarze Katze: Pucki. Sie hat ein gelbes Halsband mit Glöckchen um, haben Sie Sie irgendwo gesehen?“
Der Fremde tat, als dächte er nach. Nach einer Kunstpause sprach er betont langsam:
„Ja, da wurde vorhin eine an den Straßenrand gezogen. Irgendeine Verrückte ist doch tatsächlich aus ihrem Karren gestiegen, um das tote Vieh zu bergen. Entschuldigen Sie die ehrlichen Worte, aber wegen einer Katze würde ich morgens nicht das warme Auto verlassen.“
Aber um Deinen dämlichen Kaffee zu trinken schon, dachte Bernadette. Und dann fiel es ihr plötzlich auf. Was es zu bedeuten hatte, das der Mann so beiläufig von sich gegeben hatte.
Sie versuchte einzuatmen, doch die Kälte versperrte ihr die Atemwege.

„Wo? Wo? Wo genau?“ mehr brachte sie nicht unter ihren Tränen hervor.
Der gut Gekleidete deutete unendlich langsam nach rechts zu einem Marterl, von wo eine Nebenstrecke abzweigte. Dass er von dort unmöglich gekommen sein konnte, kam Bernadette nicht in den Sinn. Sie rannte- oder besser sie stolperte- einfach los. Im Morgenmantel und mit den abgetragenen Flipflops an den Füßen, die sie als Hausschuhe verwendete, seitdem ihre Birkenstocks den Geist aufgegeben hatten.


Der Ofen ging wieder aus. Schwarzer Qualm von angekokeltem Zeitungspapier verließ noch für wenige Stunden den alten Kamin. Aber das kümmerte niemanden.
Auch in der Wäscherei vermisste niemand Bernadette. Sie hatte ihre Anstellung schon vor einem halben Jahr verloren. „Aus betrieblichen Gründen“, wie es geheißen hatte.
Gefunden wurde ihre Leiche eine gute Woche später. Das Moor war leicht angefroren und gab die Tote erst frei, nachdem Suchtrupps mit schwerem Gerät angerückt waren.

Die entfernt wohnenden Nachbarn hatten sich echauffiert, dass die zierliche schwarze Katze auf einmal bei ihnen aufgetaucht, um Einlass gebeten und zu Fressen verlangt hatte.
Doch auf ihren Beschwerdegängen zu der „asozialen Nachbarin“, der Name war ihnen entfallen, trafen sie tagelang niemanden an.


In der regionalen Zeitung stand  in der Rubrik Trauerfälle/ Bestattungen zu lesen:
Angehörige folgender Personen dringend gesucht:
XYZ geboren am… gestorben… usw.
Nager Bernadette, *20.12.1969 + 16.12.2014
Und bundesweit auf den Titelseiten der Boulevardpresse:
„Perverser Frauenmörder flüchtig“
Und im Fließtext auf Seite 3:
Gesucht wird ein gelber Beetle neueren Baujahrs. Gemäß detaillierter Zeugenaussagen soll der zugehörige Fahrer blond gelockt, von mittlerer Statur und leger gekleidet gewesen sein. Hinweise an jede Polizeidienststelle.

Selbstgefällig schlug der Vorstandsvorsitzende des in der entfernt gelegenen Großstadt ansässigen Finanzunternehmens seine Zeitung zu und strich sich aus alter Gewohnheit das längst nicht mehr vorhandene Haar aus der Stirn. Dann nippte er genüsslich an seinem schwarzen Kaffee.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.12.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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