Christa Astl

Teuflisches Treiben

 

Erinnerungen
 
Seit Tagen sind sie unterwegs, die Teufel, die Perchten, die Ganggal  und wie die „Unholde“ der Vorweihnachtszeit alle heißen.
Leider sind sie jetzt unterwegs von einer Show zur anderen, haben ihre leuchtenden Auftritte mit wahren pyromanischen Höhepunkten, und mit entsetzlichem Rauch und Lärm. Letzterer kommt über eine riesige Lautsprecheranlage.
Der Nikolaus ist ebenfalls schon den ganzen Dezember unterwegs, bimmelt vor sich hin und verteilt vor oder in den Kaufhäusern seine Gaben. Und dessen ungeachtet, wie verwöhnt oder heikel die Kinder sonst schon sind, ein Bonbon oder ein Apfel vom Nikolaus ist immer was Besonderes. Oder ist das jetzt der Weihnachtsmann?
 
Alle Bräuche sind mittlerweile verflacht, verharmlost, kommerzialisiert. Gerne erinnere mich aber noch daran, wie es früher war, als das Brauchtum noch verwurzelt war im Dorfgeschehen.
 
Am 5.12. ging der höllische Spaß los! Teufel und Perchten waren unterwegs und trieben ihr Unwesen. Als Kind war ich natürlich all dem fern gehalten worden, das arme Mädchen könnte sich ja fürchten!
Kein Wunder, wenn ich mich als junge Erwachsene umso mehr dafür interessierte - aus sicherer Entfernung natürlich! Das wohltuende Gruseln spüre ich heute noch, wenn ich ihren Lärm, mit dem sie sich ankündigten, vernehme. Aber wenn sie zu nahe kamen, kriegte ich schnelle Beine! Die vermummten Gestalten nützten ihre Unkenntlichkeit leider auch weidlich aus. Rivalitäten wurden gerächt, wir Mädchen ziemlich derb angefasst und mitgezogen. Mit schwarzen Gesichtern und Kleidern, die manchmal sogar zerrissen, konnten wir uns frei machen...
 
In jedem Weiler gab es eine eigene "Pass" (Gruppe). Wehe, wenn die sich mit solchen anderer Ortsteile trafen! Rangordnungen wurden mit Fäusten ausgekämpft. Das kenne ich aber nur vom Hörensagen. Selbst erlebt habe ich aber, wie diese "Wilden" in Viehanhängern mit dem Traktor von Dorf zu Dorf zogen, der höllische Lärm, den sie dabei verursachten, könnte Tote wecken! Am Dorfplatz blieb der Traktor stehen, ein gutes Dutzend Perchten, Hexen und Teufel kletterten heraus. Mit ihren dicken Gewändern schon eine gewaltige Anstrengung, aber wenn einer fiel, war er immerhin gut gepolstert! Dann nahmen sie Aufstellung, schließlich wurde es ein geordneter Zug. Die Trommeln, bestehend aus leeren, möglichst großen Blechkanistern, wurden umgehängt, als Trommelschlägel diente alles, mit dem man zuschlagen konnte - was manchmal auch Zuschauer zu verspüren bekamen.
 
Wie sahen sie nun aus? Mit einem Tiroler Mundartwort: "schiach", - wild, abscheulich schön!
Das Kostbarste waren die kunstvoll geschnitzten und bemalten Holzlarven, die von einer Generation zur nächsten vererbt oder heute um teures Geld von selten gewordenen Schnitzern gekauft werden. Sie wogen einige Kilogramm. Lange Hörner, geschnitzt oder echte Bockshörner, zu teuflischem Grinsen verzerrte Gesichter, große offene Münder, aus denen die lange Zunge weit heraushing, vervollständigten den wilden Ausdruck.
Die Gewänder waren bei manchen aus Fell oder fellähnlichem Stoff, das waren die schwarzen Teufel. Die anderen, die mir so gefielen, hatten Gewänder aus Maisstroh, genau gesagt aus den Hüllblättern der Maiskolben, kunstvoll verfertigt von den Frauen, die das Jahr über daran zu arbeiten hatten. Auf eine alte Jeanshose und eine Jacke wurden die Teile einzeln aufgenäht, somit bekam eine Hose bereits ein beachtliches Gewicht, ebenso die Jacke. – Und darin steckte ein verschwitztes Mannsbild. So kalt konnte es gar nicht sein, dass denen nicht doch warm wurde!
Mit schauerlich tönendem Horn gab die voranlaufende Hexe das Kommando zum Abmarsch und die Warnung an alle, den Weg frei zu machen. Im Takt wurde getrommelt und geschlagen, dann setzte sich die "Pass" in Bewegung. Früher von einem Bauern zum anderen, gibt es heute andere Aufenthalte, wo reichlich Schnaps, Bier und Glühwein ausgeschenkt wird. Hin und wieder sah ich sie an späten Abenden, über- und untereinander liegend und Rausch und Müdigkeit ausschlafend, vor einem Haus!
Leider bewirkte der Alkohol nicht nur Müdigkeit, sondern auch die Aggressionen. Nachdem es zahlreiche Verletzte gegeben hatte, sollten diese Umzüge verboten werden, was sich natürlich im ländlichen, traditionsverbundenen Raum nicht durchsetzen konnte. So mussten die Gruppen sich bei der Gemeinde anmelden, jeder Teilnehmer sich ausweisen und er wurde mit einer Nummer versehen, die gut sichtbar angebracht sein sollte.
Später taten sich die "Passen" dann zusammen und traten bei Nikolaus- bzw. Krampusumzügen auf, nicht nur am Nikolausvorabend, da es ja Termine geben musste. In Plakaten groß angekündigt, marschierten sie dann meist am folgenden Sonntag oder Feiertag durch Dorf oder Stadt, die Wege dicht gesäumt von neugierigen Zuschauern. Da war es natürlich eine Gaudi, wenn Mädchen geschwärzt wurden oder ein Bursche niedergerungen! Kleinere Kinder staunten gebannt und ließen sich am Arm von Vater oder Mutter von der allgemeinen Aufregung anstecken, so beschützt brauchten sie ja keine Angst mehr zu haben.
 
Jahre später besuchte ich einen dieser modernen Events, die natürlich erst abends veranstaltet werden, wenn man nur noch die Gruppen sieht, die gerade im strahlenden Rampenlicht stehen - bis auch sie vom Rauch verschluckt werden. Künstliches Feuer, farbiger Rauch, worin sie sich bewegten, Musik schallte nun aus riesigen Verstärkeranlagen, lautstarke Ankündigung der Gruppen, und natürlich Glühwein in Mengen. Und für das ganze Megaspektakel muss man Eintritt bezahlen!
 
Wohin sind die alten Bräuche entschwunden, in denen noch Leben herrschte, all die Wildheit, mit der die bösen Geister in Haus und Hof vertrieben wurden?
 
 
ChA 05.12.14

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.12.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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