Fritz Rubin

Ein neues jahr

„Guten Morgen, liebes Neues Jahr“, so begrüßte die Sonne den ersten Tag des Jahres, als ihre ersten Strahlen von einem blauen Himmel über den Försterberg neugierig hervorlugten.
Das kleine Dorf lag noch in tiefem Schlaf nach dieser Nacht, die mit einem lauten Feuerwerk – wie wohl überall in der Welt – das neue Jahr begrüßt hatte.
„Ja, ja, deine blauen Augen strahlen wie die eines neugeborenen Kindes, noch unschuldig, noch hoffnungsvoll.“
„Ach, Mutter Sonne“, flüsterte das Neue Jahr mit leiser Stimme, „ich bin noch nicht ganz wach nach dieser vielen Knallerei, die macht mich ganz wuschig!“
„Ich muss mich erstmal sammeln, das war doch zuviel für mich, aber ich habe mich doch gefreut, dass die Menschen mich so begrüßt haben!“
„Diese Menschen“, stöhnte die Sonne, „diese Menschen machen mir – ehrlich gesagt – große Angst, wenn ich an die vielen Kriege auf der Welt denke, das ist nicht zu fassen. Statt in Frieden miteinander zu leben, hauen sie sich die Köpfe ein, morden, schänden, zerstören das, was für viele Menschen Heimat bedeutet, nein, sie lernen einfach nichts aus der Vergangenheit. Sie sind blind und hasserfüllt, gewalttätig und machtbesessen.“

„Du kennst sicher den tollen Song „What a wondeful world“ von Satchmo Armstrong noch nicht, der beschreibt die Welt in leuchtenden Farben, preist ihre Schönheit. Im Laufe der zwölf Monde wirst du dieses Lied sicher auch noch öfter hören, du kannst dir deinen eigenen Reim darauf machen, glaube es mir, es ist der wunderbarste Song, den ich mir denken kann.“
„Du flößt mir dennoch Grauen ein, Mutter Sonne“, ächzte das Neue Jahr ganz laut, „was kann ich denn nur tun, um dieses alles zu verhindern? Was sagt eigentlich dein Bruder Mond dazu?“
„Ach, ich habe ihn heute Morgen getroffen, als ich aufging, er war gerade dabei, ins Bett zu gehen, er wirkt doch sehr müde und blass. Ich konnte ihn gerade noch fragen, wie es ihm geht, aber er konnte nicht mehr antworten, weil er so schnell hinter dem Horizont verschwand, und da geht es ja bekanntlich weiter, wie der Altrocker Udo Lindenberg singend berichtet. Sicher wird mir mein Bruder heute Abend darauf antworten, fügte die Sonne fürsorglich hinzu, ich bleibe ja 365 Tage mit dir verbunden, wir gehören bis zum 31. Dezember zueinander, ohne Wenn und Aber. Dann melde ich mich bei dir, um Bilanz zu ziehen, vielleicht siegen bei den Großen dieser Welt Einsicht und Vernunft, ich hoffe ganz stark darauf!“
„Oh, liebe Sonne“, „ich bin sehr aufgeregt auf das, was auf mich zukommt, was mich erwartet“, entgegnete das
Neue Jahr dennoch selbstbewusst, „ich bin mutig genug! Ich stelle mich meiner Verantwortung und hoffe dabei auf die Mithilfe der Menschen in der ganzen Welt. Vielleicht schaffen wir es ja doch gemeinsam, die Grausamkeiten einzudämmen, das große Leid zu mindern, ich werde das in meiner Macht Stehende dazu beitragen.“
„Deine Einstellung ist aller Ehren Wert, sie macht mir große Hoffnung“, lachte die Sonne, die sich gerade hinter einer dicken Wolke verstecken wollte, „das gefällt mir, du kannst immer mit meiner Hilfe rechnen“, fügte sie mit einem langen Augenblinzeln hinzu.
„Auf eine gute Zusammenarbeit“, ließ sich das Neue Jahr vernehmen, „packen wir es an, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit!“
„Ich danke dir für dieses Gespräch, ich freue mich auch“, verabschiedetet sich die Sonne und versteckte sich dann ganz hinter der dicken großen grauen Wolke.

© Fritz Rubin, Liebenburg – Othfresen, 01. 01. 2015


PS:
Diesen Dialog habe ich heute Morgen, als ich von unserer Haustür aus ganz still die Silhouette des Harzes betrachtete, heimlich mitgehört und deshalb gleich aufgezeichnet…

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Gestatten, dass ich mich vorstelle. Ich heiße Pedro und bin ein Graupapagei, ja, genau, der mit dem schwarzen Krummschnabel, der weißen Maske, dem grauen Gefieder und den roten Schwanzfedern. Meine drei Freunde Kasimier, genannt »Karl-Karl Kasel«, Grete, genannt »Motte-Maus« oder »Prinzessin«, Peter, genannt »O«, und ich leben seit Dezember 1994 in einem schönen Einfamilienhaus in einem Dorf in der Vorharzregion. Ich habe mir vorgenommen, aus meinem Leben zu berichten, was mir alles so passiert ist, wie mein Tagesablauf ist und war und was mich alles so bewegt.

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