Thomas Kleinrensing

Selbstgespräch Nr. 07

Es gibt Tage von denen ich mehr haben möchte. Solche Tage schmecken mir wie ein guter leicht moussierender Roséwein. Im Sommer auf Madeira ganz entspannt im Schatten an der Hauswand der Mercearia Dom Sancho in Ponta do Sol lehnend, das Treiben in der Gasse durch ein rosa Weinglas betrachtend. Es scheint mir dann, als ob sich die Stunden mit den perlenden Kohlensäurebläschen in schillernden Luftblasen vereinigen und sich sanft von den blauen Liebesblumen fangen lassen und freudig zerplatzen. 

Natürlich ist mir bewusst, dass ein Tag mehr auch ein Tag weniger bedeutet. Aber das fällt nicht ins Gewicht. Früher bedauerte ich den Verlust der Zeit, wenn es auf einen Schlag drei und mehr Tage erwischt hatte. Solche südlichen Rosétage zum Beispiel. Dann dachte ich immer an Goethes Faust, machte die Gleiche in der Tasche und flüsterte, verweile doch oh Augenblick. Damals hatte ich noch die Zeit mit dem Augenblick gleichgesetzt. Aber die Zeit ist nicht an einem Verweilen geschweige denn am Bleiben interessiert. Zeit zwinkert nur mal kurz rüber und ist schon wieder weg. Ein Tag besteht rechnerisch aus Stunden, Minuten, Sekunden, deren Tausendsteln. Ist nur für die Uhr wirklich wichtig und noch immer für jene die glauben, dass Zeit gleich Geld sei. 

Für Geld kann man sich aber keine Zeit erkaufen. Auch auf der Brillanten besetzten Massivgolduhr läuft die Zeit davon, eben nur teuer bezahlt. Der verblassende Geschmack des Augenblicks der zwischen einem Zeigerruck liegt, davon möchte ich mehr, träume ich. Diese Augenblicke kann man leider auch nicht später wieder aufleben lassen, irgendwo und andernorts. Ein prickelnder Roséwein im Winter am knisternden Kamin ist für mich wie Oktoberfestbierzelt auf Mallorca, inklusive bajuwarischer Weißwurst Blasmusik. So unwirklich wie ein Gecko auf einer Eisscholle in der Antarktis.

Ich bin nicht deprimiert da die Zeit mich durch den Tag tickt, jeden Tag aufs Neue und rund um die Uhr. Was sind schon 24 Stunden im Vergleich zu 24 Augenblicken, sage ich mir. Es läuft mir auch nicht eiskalt den Rücken runter, da die Tageszeit auf Nimmerwiedersehen einfach verschwindet. Viel wichtiger sind mir heute Dinge die zwischen Kommen und Gehen liegen, zwischen dem Tick und Tack. Vielleicht ist das auch der Grund warum ich mittlerweile selten eine Uhr trage. Der zeitliche Verlust wird augenblicklich vom dazwischenliegenden Geschmack aufgewogen. Mit einem Zeitmesser kann ich niemals ein Stück von einem göttlichen Ziegenkäse herunterschneiden.

Ich nehme mir den Augenblick in der Zeit zeitlos zu sein um den Geschmack zu bewahren. Verzichte auf das Zählen von Sekunden über die Minuten zu Stunden und Tagen. Andere würden daraus eine Lebensphilosophie entwickeln und als dann vermarkten. Das hat auch einen gewissen Geschmack, sag ich mir dann immer. Aber das ist eben nicht der meinige. Ich bin zufrieden in der Einfachheit der Dinge für mich. Und wenn ich irgendwann sagen kann, dass ich den Geschmack nie vergessen werde, habe ich in und durch diesen Augenblick der Zeit ein Schnippchen geschlagen.

Der Tom
04.01.2015
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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