Sie saß mit dem Rücken zum Fenster und schaute in das vor ihr liegende Cafe. Es war zu dieser frühen Nachmittagszeit nur mäßig besetzt, die Gäste saßen eher entspannt an den Tischen, lasen oder unterhielten sich leise. Sie hatte eine Tasse lauwarmen Kaffees vor sich, dessen Geschmack sie kaum wahr nahm, wenn sie in langen Abständen hin und wieder einen Schluck davon nahm.
Sie war es leid, es war genug, keinen Tag länger würde sie sich das antun. Wieder würde sich ein langes einsames Wochenende vor ihr erstrecken. K. hatte sich verabschiedet mit der üblichen Geschichte "Wochenendseminar", "Tagung", "Vortrag", sie hatte nicht mehr zugehört, es war ihr gleichgültig gewesen. Sie hatte nicht nachgefragt oder sich nach dem Thema erkundigt, etwa so getan, als interessiere sie sich für den Inhalt, die Teilnehmer oder den Ort, an dem er sich an diesem Wochenende angeblich aufhalten würde. Wie oft hatte sie in der Vergangenheit nachgeforscht, hatte angerufen, ja war ihm sogar nach gegangen. Seine Ausreden hatte sie verziehen, obwohl er sich im Lauf der Zeit weniger Mühe gegeben hatte, eine Geschichte zu erfinden, die ihre Zweifel zerstreuen sollte, mit der Absicht, sie zu beruhigen und eine Rechtfertigung für sie darzustellen, weiter zu machen wie bisher, gerade so, als sei alles in Ordnung.
Sie nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalt und bitter gewordenem Kaffee. Heute würde sie nun nicht nach Hause gehen. Sie würde überhaupt nicht mehr in diese Wohnung zurück kehren. In aller Eile hatte sie ein paar Sachen zusammen gepackt und das Haus verlassen. Kein Brief, keine Nachricht, nichts, Sie würde aus seinem Leben verschwinden wie ein immer schneller fahrender Zug. Die Entscheidung war gefallen. Sie fühlte sich stark und unangreifbar.
Als über den Lautsprecher die Aufforderung zu hören war, sich zur Abfahrt des Linienbusses nach B. auf Plattform 6 einzufinden, nahm sie ihren Koffer und verließ das Cafe. Sie schaute sich nicht um. Es war vorbei.
.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Joachim Wickel).
Der Beitrag wurde von Joachim Wickel auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2015.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Joachim Wickel als Lieblingsautor markieren
Kleiner Spatz was nun
von Karin Rokahr
Ein Gedichtsband über Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen einer Verliebten,
angereichert mit Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens,
geschrieben von einer ganz normalen Frau.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: