(Im Februar 2014 nahm sich M. Wahler, Kopf und Herz der Berliner Fun-Punkband 'Die Suurbiers' das Leben. Kurz danach entstand dieser Text.)
Diese Jahre sind Jahre der Wiedervereinigungen. Punk-Bands, die sich schon lange, lange von dieser Welt verabschiedet hatten, sind plötzlich wieder zusammen und spielen so laut und wild ihre alten Songs, dass es einen Staunen, ja fast an Wunder glauben lässt. Wer ist da nicht alles wieder am Start und wirkt jünger und frischer als je zuvor??!! (Sogar die Pistols kamen vor ein paar Jahren wieder auf die Bühne, um sich ein paar Euro für die nächsten, gegen das Altersrheuma so dringend nötigen holidays in the sun dazu zu verdienen.) Was wir allerdings nicht noch mal live sehen werden, das sind die Suurbiers unter ihrem Käpt'n Micha Wahler.
Nun muss ich sagen, dass ich in meiner Jugend nicht mehr als ein ferner Bewunderer der Suurbiers gewesen bin. Und dieses 'fern' ist doppelt zu verstehen: Einmal trennte uns der Raum. Ich war Spandauer und man macht es sich heute kaum noch klar, wie fern für einen Spandauer damals Reinickendorf lag. Reinickendorf … das war terra incognita, beim besten Willen fiel mir damals nicht ein, was ich denn gerade in Reinickendorf sollte. Zum anderen trennten uns musikalische Gründe. Die Suurbiers waren mir irgendwie zu Rock'n'Roll-mäßig unterwegs – ich mochte damals eher den puren, unvermischten Punk.
Ein Bewunderer war ich aber trotzdem und zwar aus gleich mehreren Gründen. Zum einen waren die Jungs lustig: lustige Typen mit lustigen Songs, die unter ihren Fans gute Laune verbreiteten. Das war für mich mit meinem Hang zu Depression und Weltuntergangsstimmung wichtig und schön.
Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass sie gute Texte machten. Ein paar Beispiele: 'Mit dem WFC am Flughafensee'. Den WFC kannte ich überhaupt nicht, den Flughafensee höchstens flüchtig. Den Song fand ich dennoch herausragend wegen seines damals absolut untypischen Muts zur Regionalität. Musik für Freunde. Wer den Flughafensee nicht kennt ... scheiß drauf. Mir hat das damals wirklich imponiert.
Dann die in unserem Milieu gar nicht typische Fähigkeit und Bereitschaft, mehr oder weniger religiös aufgeladene Symbolik zu verwenden. 'Manche blöden Säcke, die mögen uns nicht, aber die, die stehen im Dunkeln und wir, wir stehen im Licht.' Hätten Freunde der Gnosis das schöner formulieren können? Oder: 'Helmut, du bist unsere Sonne' – eine Reminiszenz an den altrömischen sol invictus in einem Punklied über den abgetretenen Bundestrainer! Schließlich: 'Einer ist keiner, zwei sind mehr als einer, aber sind wir erst zu dritt, dann machen auch die andern mit': Wer denkt da nicht an Matthäus 18, 20?
Nun ist Käpt'n Suurbier abgetreten und wird mit seinen Suurbiers nicht auf der Wiedervereinigungswelle reiten können, die gegenwärtig in die westlichen Metropolen schwappt. Allerdings: Wer so schöne, fröhliche, bisweilen religiös angehauchte Texte hatte: Vielleicht hat der sich ja längst im Himmel neue Musiker zusammen getrommelt und spielt seine alten Songs eben nicht auf schmierigen Bühnen in verrauchten Clubs im Diesseits, sondern in himmlischem Glanz vor einem lächelnden Herrn, der den Käpt'n vielleicht eben genau darum so früh zu sich gerufen hat, weil er die lustigen Songs aus fucking Reinickendorf endlich auch mal live hören wollte. Und wenn das so sein sollte: Dann kriege ich den Käpt'n und seine nunmehr wirklich unsterblich gewordenen Suurbiers vielleicht doch noch mal live zu hören. Eines wahrscheinlich gar nicht mehr so fernen Tages. Ich freue mich drauf.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.02.2015.
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