Monique Marschner

U.V.U. Bei Mord: Job Episode1 Staffel1

Das Cover: http://dying-mole.deviantart.com/art/Cover-Episode-1-001-512838871?ga_submit_new=10%253A1423507461

Es sollte wie ein Raubmord aussehen. Ein Messer im Rücken, die Tasche durchwühlt. Das Geld war weg, die Papiere fände man eine Straße weiter in einer Mülltonne. Die Mordwaffe war aus einem Messerset, welches millionenfach über die Ladentheke ging. Geschützt durch seine Handschuhe waren Fingerabdrücke ausgeschlossen. Er hatte wirklich alles bedacht. Was ihn nun noch fehlte war der geeignete Ort und die Gelegenheit. Beides sollte Jason heute auf dem Silbertablett serviert werden.
Sein Opfer hatte keinen Namen, nicht für ihn. Aus einem Bett von einhundert Dollar Bündeln war nur das Foto eines Mannes und ein Zettel mit einem festen Zeitpunkt und einem Straßennamen. Normale Routine, je weniger Kontakt er hatte, desto geringer die Gefahr das man den Auftragsmörder auf die Schliche kam. Außerdem schlief er besser, wenn er nichts über die Toten wusste. Hoffentlich lies sich dieser heute nicht zu lange auf sich warten. Auch wenn Mitternacht schon verstrichen war und die meisten Fenster im dunklen lagen, dies war immer noch eine Großstadt. Irgendjemand war immer aufmerksam. Ein Mann der nur in einer dünnen Windjacke. länger als eine Viertelstunde an einer Straßenecke stand, so was stach hervor. Vor allem bei diesen eisigen Wind, nun da es auch mit straffen Schritten auf den Winter zu ging. Den Kragen hatte er schon hochgeschlagen, damit es nicht mehr so im Gesicht biss. Aber mehr wollte er sich einfach nicht anziehen. Es war ihn um die Sachen zu Schade, die er nach jeden Job verbrannte, eine weitere seiner Sicherheitsmaßnahmen.
Der Lichtkegel eines Wagens erlaubte ihn einen Blick die Straße hinunter zu werfen. Da war er. Es war nur ein kurzer Moment, doch Jason hatte sein Opfer erkannt. Es trug sogar den selben mausgrauen Cabanmantel, wie auf dem Foto. Was für ein geleckter Fatzke. Trotz des Wetters blieben seine Haare streng nach hinten gekämmt, sie mussten vor Gel triefen.
Der Andere bog in eine Seitengasse ab, nun setzte sich der Mörder in Bewegung. Seine Hand griff nach dem Messer, welches hinten in seinen Gürtel steckte. Der Fatzke war fast bei dem mannshohen Maschendrahtzaun am Ende der Gasse. Da würde er begreifen, dass das was er suchte nicht her war. Dies wäre der Moment seines Todes. Ein abrupter Stopp, Jason lies alle Vorsicht fahren. Seine schnellen Schritte halten in der Gasse wieder. Während des Rennens holte er aus. In diesen Moment tauchte sein Opfer ab. Das Messer durchschnitt nur wütend zischend die Luft. Mit der Schulter landete er polternd im Zaun. Diese Schweine hatten ihn eine Falle gestellt. Dafür würden sie zahlen! Allen voran dieser Bürohengst. Innerhalb von dem Bruchteil einer Sekunde wechselte das Messer in seine unversehrte Linke. Fixiert auf die Person am Boden, entging ihn das Rumpeln aus Richtung des Müllcontainers. Dafür nahm er den Schmerz, der auf seinen Rücken explodierte um so heftiger war. Sein Aufschrei vermischte sich mit den Fauchen des Katers, dessen Krallen immer tiefer durch den Stoff drangen.
Augenblicklich war der Typ auf den Boden vergessen. Mehrmals dreht Jason sich um sich selbst um das Tier zu fassen zu bekommen. Mit hochroten Kopf schrie er erneut wütend auf: „Du verdammtes Scheißvieh!“ In seiner Not, blieb ihn als letzten Ausweg, sich mit den Rücken gegen die Stange des Zaunes zu werfen. Genau in diesen Moment Sprang der Kater ab. Knochen kollidierte krachend mit Metall. Alle Luft entwich aus Jasons Lungen. Benommen konnte er nur seinen Opfer nachsehen, welches aus der Gasse stürmte. Ein Auto hielt und flutete die den Schauplatz mit seinen Scheinwerfern. Die Türen knallten lautstark und Silhouette rannte auf ihn zu. Wenn er jetzt nicht wieder auf die Beine kam, war es aus. Vor ihm lag das Messer, mit einem Hechtsprung stürzte er zu ihm. Die Gestalt trat es weg, dabei streifte der Schuh seinem Daumen. Es war so knapp. Zu einem zweiten Versuch kam er nicht mehr. Eine übermenschliche Kraft zog ihn an seinen Kragen nach Oben. Schließlich verlor er sämtlichen Kontakt zu der Teerstraße und segelte schwerelos. Es Endete als er scheppernd in den Müllcontainer landete. Der herabfallende Deckel lies ihn K.O. gehen. Aber selbst ohne, hätte dazu sicher die Mischung von verrotteten Fischresten und vollen Windeln ausgereicht.
Aus seiner Ecke, sprang der Kater hervor, direkt auf den Eisendeckel. Schnurrend hob er seine Pfote um über diese zu lecken. Der Fremde hob die Augenbraue. „An deiner Stelle würde ich das lassen.“ Das kleine Köpfchen legte sich fragend zur Seite und folgte dann der ausladenden Geste über die Urinpfützen, vergammelnder Pizza und einigen zerbrochenen Spritzen. Langsam sank die Pfote unbeleckt zurück. „Kluge Entscheidung.“
Trotz einer sehr langen Dusche und einer komplett geleerten Flasche Duschgel, glaubte Jason immer noch zu stinken. Hätte ihn dieser Penner nicht einfach neben die Tonne werfen können?! Der Geruch würde ihm sicher noch Tage lang anhaften. Und dies war bei seiner jetzigen Lage nicht sein größtes Problem. Nach seiner Duschorgie hatte man ihn in einen dieser orangenen Gefängnis Overalls gesteckt. Die Schadenfreude in dem Gesicht seines Wärters sagte ihm, dass er sich wohl besser an dieses ekelhafte Orange gewöhnen sollte. Sonst gab er nichts auf die Meinung irgendwelcher Cops, doch heute war etwas anders. Es lag vielleicht nur an der Art seiner Festnahme, aber er war nervös. Und wie in den meisten Fällen, wenn er nervös war, konnte er nicht unterdrücken, dass sein Bein unaufhörlich wackelte. So füllte die Hand und Fußschellen den Raum mit einem beständigen Klirren, in dem sie gegen den Eisentisch schlugen. Man hatte ihn sogar an diesen gekettet. Neben zwei Stühlen, dass einzige Möbelstück hier. Genervt von sich Selbst und der ganzen Situation wischte sich Jason mit den Händen über das Gesicht. Im Moment sah es wirklich beschissen aus. Aber wenn er einen guten Anwalt bekam, schaffte er es eventuell sich mit einer versuchten schweren Körperverletzung und Raub aus der Sache zu winden.
Die Tür öffnete sich und gab einen kurzen Blick auf zwei Typen, in diesen schwer gepanzerten S.W.A.T Anzügen, frei. In den Händen je eine halb automatische Waffe. Okay, hier lief ganz sicher etwas verdammt schief für ihn. Herein kam ein Milchbubi. Offenbar ein Praktikant. Er trug weder eine Uniform noch einen Anzug, sondern eine verwaschene Jens und einen Kapuzenpullover mit einer so verschnörkelten Aufschrift, dass es unmöglich war, diese zu entziffern. „Hast du dich verlaufen Kleiner?“, fragte Jason und musterte dabei die Sachen des Anderen.
Der legte schmunzelnd einen Stapel Papiere auf den Tisch. „Dasselbe wollte ich Sie in der Gasse auch schon fragen.“
Die Augen des Killers weiteten sich. Das konnte doch nicht sein. Dieses prepupertäre Würstchen sollte ihn so fertig gemacht haben?! Nein, dass konnte nicht sein. Die verarschten ihn doch einfach nur. Von so was sollte er sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sein Blick ging zu den Papieren. „Brauchst du Hilfe bei den Hausaufgaben?“
„Ich denke nicht, dass mir ein Schulabbrecher wirklich helfen könnte Herr Phenix.“ Da kein Stuhl da war, setzte sich der Jüngere einfach auf den Tisch. „Und ich würde auch sagen, wenn einer Hilfe braucht, dann sind Sie es.“
„Wegen einem kleinen Überfall legt ihr so eine Aktenwulst an. Nun übertreibt Ihr es aber mit der Bürokratie.“
„Das sind nicht die Akten von dem Überfall. Sie gehören zu den Fällen Tshue Zhao, Babara Zische, Karlos Schmidt und Renè Jackson.“
Eine der Akten wurde Jason zugeschoben, der diese lustlos begann zu durchzublättern. „Und wer sind die? Deine World of Warcraft Freunde?“ Der Andere blieb gelassen und ließ ihn einfach weiter blättern. Als er das Tatortfoto sah, wusste er auch wieso. Um den Hals der Frau hing noch ihr Schal, mit welchem Jason sie vor einen halbem Jahr erdrosselte. Der Junge warf ihm die Fotos der restlichen Akten hin. Er erkannte alle. Vor ihm lagen seine diesjährigen Opfer, es fehlte kein Einziger. Er zwang sich weithin ruhig zu atmen, auch wenn der Drang nach Luft zu schnappen, ihn fast umbrachte. Sie wussten, dass er ihr Mörder war... nein sie wussten es nicht, sie vermuteten es. Das musste es sein. Er lieferte gute Arbeit ab, immer. Sie konnten einfach keine Beweise haben. Das waren haltlose Vermutungen, mehr nicht. „Ich habe keine Ahnung was du willst.“
„Ach nein? Sie haben diese Menschen umgebracht. Und verdammt, Sie waren richtig gut. Ich meine, einfach alles sah nach einem Raub oder Unfall aus. Keine Fingerabdrücke oder DNA. Ich meine bei Ihrem letzten Auftrag haben Sie ganz schön abgelost. Aber hey, irgendwann überschreitet jeder seinen Zenit.“
Angespannt richtete sich der Killer von den Fotos auf. „Ich bin 35.“
„Und ich 25.“ Es war unmöglich zu sagen, ob dies Sarkasmus war oder nicht. „Ich gebe zu, es war gar nicht so einfach Sie mit den Morden in Verbindung zu bringen.“
„Kann ich mir vorstellen, schließlich habe ich niemanden ermordet.“
Der Andere lehnte sich nun zu ihm über den Tisch: „Ich weiß das du es getan hast.“
Nun beugte sich auch Jason vor. „Für mich zählt aber nicht, was so eine polige Aushilfe zu wissen glaubt.“Auf dem Gesicht des Jungen erschien dasselbe Grinsen, wie dass des Wachmannes. Augenblicklich fühlte sich der Mörder noch unwohler.
„Nun wie gesagt, du bist ein Profi. Wir haben keinen einzigen Fingerabdruck gefunden. Nicht einmal die Einweghandschuhe, die du wohl benutzt hast.“
Jason erstarrte und sank wieder auf seinen Stuhl zurück.
„Ach nein, du benutzt ja keine Wegwerfhandschuhe. Du hast dieses nette, uralte Paar aus dem braunen Kunstleder. Sie sind sicher etwas ganz besonderes, wenn du sie noch trägst, obwohl sich die erste Schicht schon langsam ablöst.“
Der Andere legte eine Kunstpause ein.
„Rate mal was wir bei jedem der Opfer gefunden haben?“
Fest presste Jason die Lippen aufeinander. Doch von ihm wurde auch keine Antwort erwartet. Das Grinsen des Jungen wurde noch selbstgefälliger.
„Richtig, winzige Fetzen von braunem Kunstleder. Und ich wette auf den Handschuhen finden wir genügend Rückstände von Blut. Solche kleine Angewohnheiten sind doch was Tolles.“
Wieder war das Klirren von Eisen auf Eisen zu hören.
„Nur wegen ein paar Fetzen und etwas Blut wird kein Gericht der Welt einen unschuldigen Mann verurteilen.“
„Vielleicht nicht, aber es bringt uns zumindest einen Durchsuchungsbefehl ein. Ich bin ja wirklich gespannt, was wir noch so alles ausgraben. Deinen Bankdaten wird man sich besonders intensiv zuwenden. Sicher kannst du die Herkunft all deiner Einkünfte nachweisen. Was war noch einmal dein Job?“
Wie aus einem Ballon, aus dem unaufhörlich Luft entwich, sackte Jason immer weiter zusammen. Dieser kleine Pisser hatte ihn doch tatsächlich an den Eiern.
„Das hier ist dein Werk von diesem Jahr. Aber ich wette, mit mehr Zeit können wir noch viel mehr finden. Es läuft wohl alles auf die Todesspritze hinaus. Oder nutzen sie in diesem Staat den Stuhl? Ich weiß es jetzt gar nicht.“
Wieder fuhren die Hände des Älteren über sein Gesicht und krallten sich in seine Haare.
„Ich will einen Anwalt.“ verlangte er leise.
„Ohne ihn sag ich hier gar nichts mehr.“
„Schön, dann hast du aber leider nicht mehr die Chance für eine Alternative zu all dem.“
Die Fotos wurden von dem Jungen genommen und verschwanden wieder in den Akten. In seinem Gesicht zeichnete sich noch immer der Triumph ab. Aber etwas fehlte, etwas Entscheidendes.
„Was für eine Alternative kannst du mir schon anbieten Kleiner?“
Jetzt wusste Jason es. Ihm fehlte die Abneigung, der Ekel einen Mehrfachmörder so nah zu sein. Er hatte es gewusst, die ganze Zeit. Der Junge hatte ihn geneckt, mit ihm gespielt. Ja, aber die Abscheu, wie Jason es erwartet hatte, fehlte ihm hier. Wer zur Hölle war der Kerl?
„Ich biete dir einen Job an.“
Diese Aussage brachte den Killer zu einem freudlosen Auflachen.
„Einen Job? Das hättet ihr auch wesentlich einfacher haben können.“
„Ich rede nicht von einem Auftrag, sondern eher so etwas, wie eine Festanstellung.“
„Weißt du, ich bin eher nicht so der Typ der sich bindet.“ die Anspannung war wieder aus ihm gewichen. So kehrte auch seine große Klappe zurück. Wenn sie ihn verarschten, konnte er schließlich gleich mit machen. Das hier war so irre, dass es nicht mehr als ein Trick sein konnte. Erst stampfte der Milchbubi ihn in Grund und Boden und nun bot er ihm einen Arbeitsvertrag an? Aus welchem schlechten Film hatten sie das denn geklaut? Dadurch ließ sich der Andere aber nicht stören. Er zog sein Schauspiel knallhart durch.
„Entweder das, oder die Gerichtsverhandlung.“
„Weißt du, wenn dich jemand bei einem Mord erwischt und dir dann keine zwei Stunden später eine Arbeit anbietet, ist es nicht das klügste gleich ‚Ja‘ zu schreien. Ich weiß ja nicht einmal wer du und deine Leute seid. Uns so eine kleine Beschreibung von dem, was ihr von mir wollt, wäre auch ganz nett.“
„Du bist wirklich spießig.“ beschwerte der Jüngere sich.
„Ein unbekannter Job, von einem geheimnisvollen Fremden, so was ist doch aufregend.“
Bei der Aussage verzog sich Jasons Gesicht.
„Bitte bezeichne dich nicht als geheimnisvollen Fremden, das klingt einfach nur falsch.“
Offenbar hatte er den Kleinen damit beleidigt, denn als er fortfuhr war seine Stimme um einiges kälter.
„Mein Name ist Curtis Mechor. Ich bin ein Agent der U.V.U.“
„Nie davon gehört.“
„Wundert mich nicht, das liegt ein paar Stufen über deiner Fähigkeitsstufe.“
„Und dennoch bist du hier und bettelst mich an, dass ich bei eurem kleinen Verein mit mache.“
Der Junge gab einen unwilligen Laut von sich.
„Ich bettel nicht. Und wer mit machen kann bestimmen meine Bosse, nicht ich.“
„Vielleicht solltest du...“ der Blick des Anderen brachte ihn zum verstummen. Der Jüngere hatte das, mit den Blicken töten, wirklich perfektioniert.
„Schon gut, anderes Thema. Was ist die U.V.U?“
Es gab ein Zögern, nur kurz, aber Jason bemerkte es.
„Das ist schwer zu erklären.“
„Versuch es.“
„Sie... wir sind eine Organisation die mehrere Bereiche abdeckt. Zum Beispiel arbeiten wir mit den Geheimdiensten zusammen, sind aber auch in der Forschung und Erforschung aktiv.“
„Also eine Mischung aus N.S.A. und N.A.S.A?“, versuchte der Killer zu scherzen. Dem Anderen war es sichtlich vergangen.
„In welche Abteilung lande ich denn?“
„Das weiß ich nicht.“
„Was weißt du dann?“
„Das du in der Todeszelle landest, wenn du nicht annimmst.“, kam es kalt zurück.
„Hör mal, ich weiß du hast viele Fragen. Vermutlich kommt dir das auch alles seltsam vor. Aber Fakt ist, es ist scheißegal wie mies dieser Job ist, er ist besser als die Alternative. Und komm mir nicht damit, dass es noch nicht raus ist, was passiert. Wir wissen Beide, wie dieses Spiel für dich aus geht.“
So sehr ihn das auch ankotzte, Jason musste Curtis recht geben. Er konnte jetzt weiter wie die Katze um den heißen Brei schleichen oder es endlich hinter sich bringen. Denn Eins stand fest, er konnte nicht ablehnen.
„Bekomme ich einen Arbeitsvertrag?“
Unter all den Akten fischte der Andere einen verdammt dicken Stapel Papiere hervor. Dazu hielt er ihm einen Kuli entgegen.
„Bei den Kreuzen bitte unterschreiben.“
„Das ist doch jetzt bitte nicht dein Ernst, oder?“
Der Papierkram nahm einige Zeit in Anspruch. Seit seiner Schulzeit, musste er nicht mehr so viel lesen. Nach der fünften Seite warf er das Handtuch. Es war eh egal, also setzte er einfach nur noch seine Unterschrift bei den unzähligen roten Kreuzen und betete, dass er hier nicht gerade seine Organe verkaufte. Ein letztes Mal noch setzte er seinen Namen auf das Blatt, dann nahm ihm Curtis auch schon die Fesseln ab.
„Keine Angst, dass ich abhaue?“
Belustigt schnaubte der Andere kurz aus.
„Gern, wenn du als Sieb enden willst.“
Also waren die Wachen doch wegen ihm da. Kaum hatte er seinen ersten Schritt in den Flur gesetzt, schon ruhten ihre Augen nur auf ihm. Für seinen Geschmack zuckten ihre Finger zu sehr Richtung Abzug. Ein leichtes Kopfschütteln von Curtis reichte aber, schon senkten sich die Waffen wieder. Der Kleine hatte wirklich was zu sagen. Die Beiden folgten ihnen den Gang entlang. Damit erledigte sich jeglicher Fluchtgedanke. Im Eingangsbereich war es still, nur in einer Ecke saß eine junge Frau mit einem frischen Veilchen. Seltsam, als er ankam war hier alles voll mit betrunkenen Jungs von einer Massenschlägerei. Der Geruch von Blut und Erbrochenen lag sogar noch in der Luft. Ein einziger Beamter war hier, er kniete vor der Frau. Als diese sich erschrocken, durch den Anblick der schwerbewaffneten Männer, gegen die Kalkwand hinter ihr presste, blickte dieser auf. Sofort wechselte sein Ausdruck von echter Sorge, in eine Mischung von ‚in eine Zitrone gebissen‘ und ‚ich brauch unbedingt ein Klo‘. Mit einer letzten sanften Berührung an der Schulter ließ er die Frau allein, um sich ihnen direkt in den Weg zu stellen. Die Brust heraus gestreckt, die Hände in die Hüften gestemmt. Mit seinem dicklichen Bauch und den, durch die Brille unnatürlich großen Augen, erinnerte er an einen der Comicbuch Officer.
„Gibt es einen Grund, warum mein Hauptverdächtiger in unzähligen Morden, hier frei herum läuft?“
Seine Stimme war nervig, sie klang nach Besserwisser mit dem typischen Klugscheißer-Sing-Sang. Passte aber zu dem Gesamtpaket.
„Er ist nicht Ihr Hauptverdächtiger,“ Cutis beherrschte diesen Sing-Sang, genau wie der Bulle. Im Gegensatz zu diesen, klang es bei dem Jüngeren einfach nur falsch.
 „Er ist ein Verdächtiger der U.V.U., damit sind wir auch für ihn zuständig, auch für eventuelle Deals und er hat einen bekommen.“
Die Gesichtsfarbe des Officers verdunkelte sich deutlich, noch aber rang er um Fassung.
„Sie können hier nicht einfach herein spazieren und Verhandlungen mit mehrfachen Mördern führen.“
„Und dafür ist es wohl schon zu spät. Herr Phenix ist im Übrigen noch nicht verurteilt.“
„Verurteilt oder nicht, Sie überschreiten Ihre Kompetenzen.“
„Ich überschreite gar nichts, ich erkennen meine Kompetenzgrenze nur nicht an.“
„Selbst wenn sich alles im gesetzlichen Rahmen bewegt, sollte man gewisse Grenzen dennoch achten.“
„Leute habt ihr es bald?“ Jason war es leid, sich diesen Bürokratenmist an zu hören,  besonders nach so einer Nacht. Der Polizist wandte sich ihm zu. Der Hass loderte nicht nur in seinen Augen, sondern schien aus seinem ganzen Körper zu strömen.
„Von einem dreckigen, feigen Mörder lasse ich mir nicht den Mund verbieten. Vor allem nicht von so einer schmierigen Sorte wie Ihnen.“
Mit einem ekelhaften Knacken, brach Jason dem Anderen, mit nur einem Schlag, die Nase. Keuchend ging dieser in die Knie. Zwischen seinen Fingern strömte das Blut hervor. Der Lauf einer Waffe drückte Jason in das Kreuz. Mit einer unwirschen Handbewegung drückte Curtis die Waffe wieder weg. Mit einem Taschentuch, hockte er sich zu dem Officer. Dieser ließ ihn gar nicht erst an sich heran kommen, sondern riss ihm den Zellstoff einfach aus der Hand. Wieder reichte eine Geste und einer der Wächter nahm sich dem Verletzten an. Um einen Besuch in der Notaufnahme würde er wohl nicht herum kommen. Wortlos und mit mehr als nur einer gebrochenen Nase, räumte er das Feld.
„Du kannst ihm doch nicht einfach die Nase brechen,“ wetterte der Jüngere  auch schon los. Dass er sich so aufspielte, kommentierte Jason mit einem Augenrollen. Im Hintergrund sickerten Worte wie „Kein Krimineller“ oder „am Riemen reißen“. Er blendete die Standpauke einfach aus. Er würde sich doch nicht einfach von dem Milchbubi herum schubsen lassen. Draußen stoppte er kurz. Er konnte nicht glauben, dass der schwarze Mercedes wirklich Curtis gehörte. Es war ein gepanzertes Modell, ein VR7 oder VR8. So ein Wagen hielt sogar Sturmgewehren stand. Diese Wagen kosteten eine Menge Asche. Bei seinem Vertrag hätte er wohl doch mal einen Blick auf den Punkt ‚Gehalt‘ riskieren sollen. Beim Hinsetzten fuhren seine Hände über die geschmeidigen Ledersitze. Entspannt lehnte er sich zurück und wandte dann seinen Blick dem Fenster zu. „Wohin fahren wir eigentlich?“
Curtis schnallte sich an und warf dem Anderen einen auffordernden Blick zu, welcher ignoriert wurde.
„In die Hauptzentrale. Sie müssen dort einige deiner Daten aufnehmen und du offiziell eingeführt werden.“
„Wie spannend.“ Jason gähnte und das sicher nicht nur weil er müde war.
„Ach halt die Klappe und versuche zu schlafen, dein Tag ist noch lange nicht zu Ende.“
Der Andere war schon dabei, eine einigermaßen bequeme Position zu finden. Mit einem Letzten „Ja Mami“, tat er es ihm gleich.
Das Knallen einer Tür, riss ihn aus seinem Dämmerzustand. So hoch wie die Sonne jetzt stand, musste Jason etliche Stunden geschlafen haben. Man hatte ihn in ein Industriegebiet gebracht. Wie Bäume, schossen qualmende Schornsteine, um sie herum, aus dem Boden. Die Luft vibrierte durch tausende LKW Motoren. Umso weniger wollte dieses Bürogebäude, direkt vor ihnen, hinein passen und dass, obwohl dieser Klotz aus Glas und Beton seinen Brüdern und Schwestern in den Geschäftsvierteln der Städte, bis aufs Haar glich. Während er Curtis hinein folgte, streckte der Killer sich ausgiebig und ließ seine Knochen knacken. Der Wagen hinter ihnen fuhr zusammen mit der Wache los. Es gab einen kurzen Moment, in dem er einfach nur hätte los rennen müssen, dann fiel die Tür hinter ihm zu. Sofort stieg ihm der Kaffeegeruch in die Nase. Seine Seele gegen eine Tasse von dem schwarzen Gift wäre ihm, in diesem Moment, durchaus fair vorgekommen. Dem Gang folgend, wurde der Geruch immer präsenter. Verdammt, wie stark kochten sie dieses Teufelszeug? Sein Blick ging zur Seite, doch er traf nur auf herunter gezogene Rollos. Etwas stimmte hier nicht. Nun bemerkte er auch die drückende Stille. Kein Lachen der Arbeiter, keine Telefonate. Dies hier war eine gespenstisch, verdrehte Parodie eines Büros und er hatte schon gedacht grotesker ging es nicht mehr. Sie folgten dem Flur bis zu dessen Ende. Ihm war von dem aufdringlichen Geruch mittlerweile kotzübel. Vor ihnen öffnete sich die Tür eines Aufzuges. In ihm konnte Jason wieder durchatmen. Sein Kopf drehte sich zu Curtis. Auch wenn der Jüngere sich das laute Ein- und Ausatmen sparte, sah er an dessen Blässe, dass er auch froh sein dürfte, dem Gestank entkommen zu sein. Ihre Fahrt ging nach unten. Sie landeten in einer eins zu eins Kopie des Ganges über ihren Köpfen. Doch der Ton war auf gedreht und der Gestank abgestellt. Hinter den Fenstern sah er die Bewegungen! und h&o uml;rte das Gelächter. Gleich neben dem Aufzug war eine Tür mit der Aufschrift „Besenkammer.“ Curtis streckte die Hand nach der Klinke aus.
„Findest du nicht, dass es noch zu früh ist, für eine Büroromanze zwischen uns zweien?“, scherzte der Ältere und versuchte seine eigene Irritation und Unsicherheit zu vertreiben. Mit einem Augenrollen wurde die Tür aufgestoßen. Der Raum war größer als Jason ihn vermutete und fast vollkommen leer. Nur in seiner Mitte, stand frei, ein Türrahmen. Ein im giftgrün fluoreszierender Schleim füllte ihn aus. Jason machte sich nun nicht mehr die Mühe, seine Verwirrung und den Ärger darüber, aus seiner Stimme zu verbannen.
„Was zur Hölle ist das?“
„Wir müssen da durch.“
„Warum? Ist das so ein perverser Einführungsritus?“
„Kannst du einmal aufhören zu meckern!?“
Mit vor Wut funkelnden Augen hatte sich der Andere zu ihm umgedreht. Nun sah Jason deutlich die dunklen Schatten unter ihnen. Er war nicht der Einzige, der einen harten Tag hatte.
„Es ist einfach nötig okay?! Mach also.“
Und genau das tat er. Er wusste nicht wieso, aber der Andere sah in diesem Moment so verzweifelt aus, wie er sich fühlte. Und was konnte es schon schaden? Mit geschlossenen Augen ging er voran. Er hatte eine schleimige Kälte auf seiner Haut erwartet, aber da war nichts. Es war, als wäre er einfach durch einen leeren Rahmen getreten. Seine Augen öffneten sich wieder und untersuchten sofort seine Hände und seine Kleidung. Gerade als er seinen Ärmel ausgiebig schüttelte, erstarrte der Killer mitten in seiner Bewegung. Dies war ganz sicher nicht mehr die Besenkammer, wo er sich gerade befand. Vor ihm lag eine Halle, mit tausenden dieser Türrahmen gefüllt. Jeder leuchtete in seiner eigenen Farbe, es war wie ein Discobesuch voll gedröhnt mit LSD. Als sei dies Alles, dass normalste der Welt, quetschte sich Curtis an ihn vorbei und zog den erstarrten Jason mit sich.
„Wie?“ Konnte dieser gerade so gebrochen heraus bringen.
„Wie wir das gemacht haben? Nun ich bin keiner der Techniker. Ich habe keinen blassen Schimmer wie die Portale funktionieren, mich interessiert nur das sie es tun.“
Nur langsam fing sich der Ältere.
„Portale? Wohin denn?“
„Überall hin eben.“
„Fremde Städte?“
„Auch...“
„Kontinente?“
„Denk mal ein bisschen größer.“
„Planeten?“
„Noch größer.“
Jason quollen mittlerweile die Augen über.
„Galaxien?“
„Noch ein bisschen mehr,“ Curtis hatte sich wieder beruhigt. Ihm fing das Ganze wieder an Spaß zu machen.
„Was zu Hölle ist größer als eine Galaxie?“
„Es geht hier um Dimensionsreisen.“
„Du verarscht mich doch.“
Leise lachend drehte der Jüngere sich zum ihm.
„Ich wünschte mir wäre dieser Witz eingefallen, aber leider ist er real. Aber du wirst es gleich selbst sehen.“
An einer Stahltür angekommen, drückte der Jüngere einen Knopf, welcher ein schrilles Klingeln auslöste. Nach wenigen Minuten öffnete man ihnen und sie konnten weiter in einen neuen Fahrstuhl. Es war egal was sich Jason vorgestellt hatte. Alles was er sich jemals hätte vorstellen können, wurde hier übertroffen. Wieder war es eine Halle, diese hier war noch viel größer als die Erste. Alles war weiß und aus einem glatten Stein, ähnlich wie Marmor. Es war, als hätte der Architekt direkt von so einer Kitschkarte aus Griechenland abgezeichnet. Aber nicht die Räumlichkeiten waren das Beeindruckende, sondern die anwesenden Personen. Mit einem Keuchen suchte Jason erst einmal Halt bei einem Blumenkübel und lies sich schließlich auch auf ihm nieder. So überdimensional sie auch war, die Halle platzte aus allen  Nähten. In ihr sammelten sich, in langen Schlangen, Wesen, von denen er nicht einmal zu träumen wagte. Hautfarben aller Art waren vertreten. Damit war nicht nur Schwarz oder Weiß gemeint, sondern auch Lila über Blau, bis hin zu Orange. Die Anzahl der Gliedmaßen, Augen oder Köpfe war genau so variabel, wie die Tatsache, ob man Haut oder Schuppen hatte oder gleich aus Gelee bestand. Curtis klopfte Jason mitleidig auf die Schulter.
„Mach dir nichts daraus, einige brechen sogar bei dem Anblick ohnmächtig zusammen.“
Jasons Blick sprach Bände. Wie er diese Bastarde doch beneidete.
„Oh bitte, ich weiß am Anfang ist es hart, aber glaub mir, in einem Jahr wird es für dich alles vollkommen normal sein. Jetzt melden wir dich erst einmal an und dann sehen wir weiter.“
Sein Blick ging über die vielen Köpfe hinweg und nahm nun schnell wieder den Ausdruck von purer Verzweiflung an. An der Kaffeemaschine blieb er hängen. Er packte den Anderen am Arm.
„Schnell,“, zischte er und zog ihn mit sich.
Mit einigen Flüchen auf den Lippen, bemühte sich eine junge Frau, um an eines der Getränke zu kommen. Bis jetzt mit mäßigem Erfolg. Lässig lehnte sich Curtis gegen den Automaten. Als sich die Frau zu ihm drehte, bemerkte Jason das zusätzliche Paar kleiner Arme, welches aus ihrem Bauch wuchs. Auf Curtis Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus.
„Hast du Pause Cassie?“
Das Mädchen bedachte ihn mit einem Blick, als könnte sie sich noch nicht zwischen Zuneigung und Abscheu entscheiden. Die Abscheu gewann wohl, denn sie entgegnete ihm ein schnippisches: „Sonst würde ich wohl kaum hier stehen.“
Der Jüngere überging dies einfach.
„Wie ich sehe, spinnt die Maschine mal wieder. Haben sie es wohl immer noch nicht geschafft sie auszutauschen.“
„Ja,“ stieß sie seufzend aus, als sei dies das größte Elend auf der Welt.
„Ich habe nun schon neun Beschwerden geschrieben, aber du kennst das ja.“
Mitleidig nickte Curtis.
„Ja, es ist wirklich nervig. Hör mal, ich könnte dir doch einen Kaffe drüben vom Desserts holen,“ bot er ihr lächelnd an. Voller Misstrauen mustere sie ihn.
„Das Nächste ist eine viertel Stunde entfernt.“
Das Lächeln blieb wie gemeißelt in seinem Gesicht.
„Ach Cassie, für dich ist mir doch kein Weg zu weit.“
Von Cassie hörte man einige gemurmelte Worte, von denen Schleimer eindeutig das Netteste war. Aber ihr Widerwillen war noch nicht groß genug, um das Angebot endgültig ab zu lehnen. Sich immer noch nicht aus der Ruhe bringen lassend, kam der Andere zum Punkt. „Und damit dir nicht deine Pause verloren geht, würde ich vorschlagen, du nimmst ihn hier noch schnell im System auf.“
Mit einem Kopfnicken machte er sie nun auf Jason aufmerksam. Ihm schenkte sie einen eindeutig freundlicheren Blick.
„Ich will einen Doppelten, keine Milch, drei Löffel Zucker, die Kleinen nicht die Großen und zwei Schuss Karamellaroma. Und beeil dich, er soll schließlich noch heiß sein.“
Curtis ließ sich zu einer spöttischen Verbeugung hinreißen, bevor er abzog.
„Folgen Sie mir.“ Mit wiegenden Hüften ging Cassie voran und ganz plötzlich störte ihn das Paar zusätzlicher Arme um einiges weniger. Dafür, dass sie Beide einfach so an der Schlange vorbei huschten, bekam Jason mehr als nur böse Blicke. Es waren Morddrohungen mit den Augen. Sie ließ ihn hinter den Schalter kommen, damit war er abgeschirmt. An dem Schreibtisch nahm er gegenüber von ihr Platz. Schweigend tippte sie einiges ein, bevor sie sich ihm dann zuwandte.
„Ich muss von Ihnen ein Profil anlegen, dafür muss ich nur einige Standardfragen stellen. Also keine falsche Scheu. Das hat hier jeder durchgemacht.“ Jason zwang sich zu einem Lächeln.
„Okay geht klar.“
„Ihr Name?“
„Jason Phenix. Bitte mit E und nicht mit Ä“
Sie tippte so schnell, dass sie keine Pause bei den Fragen machen musste.
„Das Geburtsdatum?“
„06.01.1980“
„Haar und Augenfarbe?“
Die Augenbrauen von Jason zogen sich fragend zusammen.
„Ich bin Farbenblind,“ erklärte sie ihm höflich.
„Oh…ehm Verzeihung, die Haare sind dunkelbraun, die Augen sind ebenfalls braun.“
„Macht nichts, das ist Rassentypisch. So, Größe und Gewicht?“
„1,83 groß und 76 Kilo schwer.“
„Sexuelle Ausrichtung?“
Jason glaubte sich verhört zu haben.
„Wie bitte?“ Hakte er nach.
„Mit welchem Geschlecht landen Sie für gewöhnlich im Bett?“
„Müssen Sie das wirklich eintragen?“
„Nein, dass Frage ich aus persönlichem Interesse.“
In ihrem Gesicht versuchte Jason Anzeichen dafür zu finden, dass sie scherzte, aber es war genau so nichtssagend, wie bei allen anderen Fragen. Er war nicht prüde, aber das man ihn einfach so direkt fragte, war ihm auch noch nicht unter gekommen.
„Frauen, schätze ich.“
Nun kräuselten sich ihre Lippen doch zu einem Lächeln.
„Schätzen Sie? Also gab es doch das ein oder andere Intermezzo mit einem Mann?“
„Was?“ Jason klappte der Mund leicht auf.
„Ich meine, nein! Frauen, nur Frauen.“
Doch diese Antwort tippte sie nicht, lächelte aber dafür zufrieden.
„Sehr schön. Haben Sie noch lebende Verwandte?“
Hier zögerte er. Wollte er so einer Organisation wirkliche solche Informationen geben?
„Wir werden so wie so alles überprüfen und finden, wenn es da jemanden gibt.“
Das war ja klar gewesen.
„Meine Mutter.“
„Irgendwelche Religionen?“
„Ich…wurde getauft,“ antwortete er zögernd.
„Und glauben Sie daran?“
„Nein.“
„Also keine. Wie viele Menschen oder menschenähnliche Geschöpfe haben sie bereits getötet.“
Jason stockte: „Ehm...“
„Sie können auch schätzen,“ bot sie ihm freundlich an.
„Nicht nötig, es waren 83.“
„Okay, sehr schön. Damit wären wir dann so weit durch. Danke für die Kooperation.“ Sie wandte sich um und holte aus der Maschine hinter sich, einen kleinen Plastikausweis. Bis auf seinen Namen, konnte Jason kein Wort davon entziffern.
„Hier, der ist für den Übergang. Haben Sie die Aufzüge auf der rechten Seite gesehen.“
Das hatte Jason nicht, nickte aber dennoch.
„Gut, mit dem Ausweis kommen Sie rein. Fahren Sie in den vierten Stock. Folgen Sie einfach der roten Linie. Der Rest wird Ihnen dann da geklärt.“
Wieder nickte Jason. Beim Gehen spürte er ihre Blicke in seinem Rücken und er könnte schwören, dass sie besonders auf seinen Hintern gerichtet waren.
Das Lesegerät brauchte ein paar beherzte Schläge, bevor es sich zum funktionieren herab ließ. Wie angewiesen, drückte er den Knopf in den vierten Stock. Kaum waren die Türen zu, sank er in sich zusammen. Er hatte einige unschöne Tote gesehen und so manche Kugel war knapp an seinem Ohr vorbei geflogen. Keins von Beiden, hätte ihn aber je so mitnehmen können, wie die letzten Stunden mit Curtis. Sein Kopf hämmerte unter dem Versuch, all das zu verarbeiten. Dimensionsreisen, seltsame Alienwesen, er mitten drin. Sollte dies nun wirklich sein neues Leben sein? Vielleicht war er einfach bei seiner Landung in der Mülltonne, zu hart aufgeschlagen. Am Ende hing er in einem Krankenhaus, warm und sicher, an Schläuchen und dies war nur der Versuch seines Gehirnes, sein Koma zu verarbeiten. Leider war er sich aber auch ziemlich sicher, dass er für genau so was, zu wenig Fantasie besaß. Und sein Magen würde auch nicht so laut knurren. Die Vier leuchtete auf und er straffte wieder seine Haltung. Vor ihm lag ein weißer Flur. Wie angekündigt, zog sich durch dessen Mitte eine rote Linie. Der Linoleumboden, gepaart mit dem Geruch von Desinfektionsmittel, sagte ihm, dass er sich wohl in einer Art medizinischer Einrichtung befand. Sehr schön, dann konnte er sich gleich einweisen lassen. Ein Problem hatte er aber noch, die Linie ging in zwei Richtungen. Nun, er hatte eine fünfzig fünfzig Chance, also versuchte er erst einmal den Gang zu seiner Rechten. Seine Hoffnung auf Personal oder sogar einen Empfang zu stoßen, wurde bitter enttäuscht. Dafür landete er vor einer Tür, deren Schild er nicht lesen konnte. Aus Mangel an Alternativen, versuchte er es mit Klopfen. Was ihm öffnete, war zumindest auf den ersten Blick menschlich. Keine merkwürdigen Zusatzteile oder Farben. Es war ein ganz normaler Arzt, inklusive weißer Kittel und einer dieser klobigen Brillen, die jetzt als retroschick galten. Er e! rinnerte ihn, ein wenig, an einen dieser Serienärzte aus dem Abendprogramm, die vor allem den Frauen gefielen. Er selbst würde so etwas natürlich nie ansehen. Jason schwieg wohl etwas zu lange, der Andere zog schon die Augenbrauen hoch.
„Ja?“
„Ich bin einer der Neuzugänge, ich…nun ich weiß nicht genau wo ich hin soll,“, erklärte er sich. Man schenkte ihm ein nachsichtiges Lächeln.
„Nun, bei mir bist du richtig, komm rein.“
„Sind Sie ein Arzt?“, fragte er zur Vorsicht lieber noch einmal nach. Der Angesprochene zeigte auf eine Krankenliege, auf der Jason auch Platz nahm.
„Ja bin ich, du kannst Doc zu mir sagen.“
„Doc und wie weiter?“
„Nichts weiter, aber das ist auch nicht nötig, glaub mir. Du bist ein Mensch nicht wahr?“
Da dies zu den normalsten Gesprächen seit gestern zählte, nickte der ehemalige Killer die Frage einfach nur ab.
„Lass mich raten, keiner hat dir was erklärt. Du wurdest einfach nur überall durch, bis zu mir gescheucht?“
Wieder ein Nicken.
„So in der Art, ja.“
Hinter seinem Schreibtisch abgetaucht, kramte der Doc in ein paar Schubladen herum.
„Das machen sie immer,“ schimpfte er erbost.
„Dabei sollten sie wissen, dass die Einführungsgespräche nicht meine Aufgabe sind.“
Er fand was er suchte und drückte Jason eine Plastikdose in die Hand. Entfernt erinnerte ihn deren Inhalt, an Spagetti mit grüner Pasta, roch aber eher nach Fisch. Er wollte gar nicht wissen was es war, sondern nahm einfach die angebotene Gabel.
„Danke.“
Der Geschmack war nicht schlecht, ähnlich wie Brot mit Walnüssen. Es machte ihn wenigstens satt. Man ließ ihn in Ruhe, bis er fertig war. Als er dann noch eine Flasche Wasser hinter her trank, fühlte er sich fast wieder normal. Der Doc nahm ihm die Dose wieder ab und sie landete im Müll.
„Nun, du fragst dich sicher, was wir für eine Organisation sind. Das Wort U.V.U. steht als Abkürzung für Universal Villain Unit.“
Sogleich unterbrach ihn Jason.
„Villain? Wie Villain der Bösewicht?“
„Ja genau so. Nun ja, wie soll ich sagen, jeder der hier arbeitet, hat ein paar kleinere Probleme mit dem Gesetzt gehabt.“
„Klein? Wie...“ Er ließ seine Frage unausgesprochen und dachte an die Fragen von vorhin zurück. Eigentlich war er der Meinung gewesen, dass sie eine Information über ihn bekommen hatten und die Frage nach den Morden gewesen war, um ihn aus der Reserve zu locken. Nun war er sich da nicht mehr so sicher. Wenn dies nun wirklich zu den Standardfragen gehörte, dann befand er sich in einem...
„Das hier ist ein Knast? Ein Knast für alle Universen?“
„Oh, ich würde es nicht unbedingt ein Gefängnis nennen. Es ist eher eine Besserungsanstalt. Anstatt uns weg zu sperren, geben sie uns lieber eine sinnvolle Aufgabe.“
Überrascht blickte er den Arzt an.
„Uns? Sie also auch? Aber, wenn hier wirklich jeder ein Verbrecher ist, warum sind dann alle so ruhig?“ Sich die Ärmel umkrempelnd seufzte der Doc.
„Nun ja, ich bin auch ein Verbrecher. Jeder den du hier triffst ist einer, nur die Wachleute bilden die Ausnahme.“
Er nahm Jasons Arm und suchte nach einer Ader. Zu spät begriff dieser, dass ihm kein Blut abgenommen werden sollte. So schnell, dass er den Einstich kaum spürte, injizierte man ihm eine silbrige Flüssigkeit. Die Spritze fiel zu Boden und zerbrach, als Jason den Doc am Kragen packte.
„Was verdammt noch einmal war das?!“ Schrie er ihn an und brüllt auch schon im nächsten Moment vor Schmerzen auf. Über seinen Handrücken zog sich eine klaffende Wunde. Sein Gegenüber hatte ein blutiges Skalpell in der Hand. So schnell, wie sich der Andere bewegte, war dies sicher kein Mensch und er hatte es wohl nur dessen Nachsicht zu verdanken, dass es nicht seine Kehle war, die jetzt blutete. Auch wenn er sich gerade sehr schutzlos in seinem orangenen Overall und ganz ohne Waffen vorkam, so einfach wollte er nicht klein bei geben. „Was war in der verdammten Spritze?“, fragte er mit Nachdruck in der Stimme. Das Skalpell wurde gründlich abgewischt und verschwand wieder in der Tasche des Docs.
„Der Grund warum hier keiner aus der Reihe tanzt. Ich habe dir eine nicht gerade geringe Menge Nanobots in deinen Blutkreislauf injiziert. Solltest du glauben Mist bauen zu müssen, werden sie dich von innen heraus auseinander nehmen.“
Ungläubig schüttelte Jason mit dem Kopf.
„Das kann nicht sein. So was ist doch unmöglich.“
„Glaubst du das wirklich? Nach allem was du heute gesehen hast?“
Nach all dem glaubte er nur an eins, dass er todsicher durchdrehte. Diese Dinger waren natürlich besser als jede Mauer oder jede Handschelle. Ein Vertragsrücktritt war damit unmöglich. Aus dieser Sache kam er nie wieder raus. Mit einer Mullbinde und Nähzeug, trat der Doc wieder zu Jason. Dieser hatte seine Hand gegen seinen Oberkörper gedrückt, weshalb sich auf seiner Brust ein großer roter Fleck bildete.
„Gib mir deine Hand,“ Der Arzt klang so, als sei nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Nur zögerlich kam der Verletzte dem nach. Das Desinfektionsmittel brannte höllisch. Als man ihm die Stiche setzte, presste er die Kiefer fest zusammen, um keinen Laut von sich zu geben. Zum Glück war der Doc nicht nur schnell darin Wunden zu zufügen.
„So sollte das gehen. Ich muss dich jetzt noch operieren, dann bist du durch.“
Wieder brauste Jason auf.
„Von Operationen war nirgendwo die Rede! Ich lasse mich doch nicht einfach aufschneiden!“ Bestimmt drückte der Arzt ihn wieder auf die Liege.
„Doch lässt du.“
„Aber ich...“
„Du hast keine Wahl!“, fuhr er ihm dazwischen.
 „Das hier ist kein Spaß. Entweder du gehorchst oder man bringt dich im Sarg hier heraus. Hier hast du keine Rechte und selbst wenn, würde sich niemand um den Tod eines popligen Gangsters kümmern. Also Klappe halten und hin legen.“ Steif gehorchte Jason. Er wusste, er hatte mehr verloren als nur seine Freiheit. Er hatte sein Recht zu Leben eingebüßt. Man gönnte ihm nur eine lokale Betäubung. Aber er wollte auch gar nicht mehr. So hatte er wenigstens die Illusion der Kontrolle. Mit geschlossenen Augen hoffte er einfach nur, dass alles schnell vorüber gehen würde.
„Ab jetzt bitte nicht mehr sprechen,“ wies man ihm an. Jason fühlte die Berührung, des Messers an seiner Kehle, aber nicht den Schmerz, als die Haut nachgab und das Fleisch sich teilte. Für ein paar Atemzüge strömte die Luft nicht nur durch seine Nase, sondern auch durch das Loch in seinem Hals. Blut lief seitlich herunter, viel weniger als er es erwartet hätte. Er war wie erstarrt, traute sich weder zu schlucken, noch den kleinen Finger zu rühren. Ein kleiner Gegenstand wurde durch das Loch hinein geschoben und setzte sich fest. Jasons Kiefer presste sich zusammen, in der Erwartung, bei seinem nächsten Atemzug keine Luft mehr zu bekommen. Doch alles klappte wunderbar. Die Öffnung war wie durch ein Wunder verschwunden. Durch seine Nase strömte der Sauerstoff hinunter in seine Lungen. Alles war, wie es sein sollte. Kurz kam es ihm in den Sinn, dass ein solcher Eingriff, in einem sterilen Operationssaal, besser aufgehoben wäre. Aber das fiel wohl unter die Kategorie, ‚Wen kümmert es, wenn so ein popliger Gauner an ein paar Keimen verreckte‘. Sein Kopf wurde zur Seite gedreht. Gründlich sprühte man das Betäubungsspray in sein rechtes Ohr. Wieder bekam er voll mit, wie man ihm etwas in das Ohr einsetzte. Es bohrte sich tief in die Haut, um sich fest zu verankern. Vorsichtig zog der Doc ihn wieder in eine aufrechte Position.

„Das war es, du darfst wieder sprechen.“
Seine Hand legte sich sofort um seine Kehle, doch Jason fand nichts. Kein Verband, nicht einmal die Erhebung einer Narbe.
„Was für Dinger waren das wieder?“
„Übersetzungsmodule. Es wäre unmöglich alle Sprachen zu lernen. Das Modul in deiner Kehle nimmt die Schwingen deiner Stimmbänder auf und schluckt sie so zu sagen. Dann übersetzt es sie in die Sprache deines Gegenübers und gibt diese dann wieder. Das wirst du gar nicht mitbekommen. Das Modul in deinem Ohr übersetzt alles was gesprochen wird wieder in deine Sprache, auch das was du sagst.“
„Das heißt, was ich hier gerade sage...“
„Kommt nicht von deinen Stimmbändern, richtig.“
Jason sackte etwas mehr zusammen. Nun hatten diese Schweine sich sein Leben und seine Stimme unter den Nagel gerissen. Bald war von ihm nichts mehr übrig.
„Und die Wunde?“
„Sie ist verheilt. Ich habe da so meine Tricks.“
Kurz entspannte er sich, dann schnellte der Kopf, des ehemaligen Killers, wieder nach oben. „Warum haben Sie dann diese Tricks nicht bei meiner Hand angewandt?“
Das Grinsen dieses Mannes, ließ Jason schwören, sich nie wieder mit ihm anzulegen.
„Du solltest wieder nach unten fahren,“ sagte der Doc und lächelte im nächsten Moment wieder freundlich, „da wartet dein Partner. Neuzugänge bekommen immer jemanden an ihre Seite gestellt, der ihnen hilft, sich zurecht zu finden.“
Wieder im Fahrstuhl, wäre er am liebsten in Tränen ausgebrochen. Er war einfach nur durch mit sich und der Welt. Doch er hatte weder Zeit zu verzweifeln, noch wie ein kleines Mädchen zu heulen. So entschied er sich dafür, mehrmals tief einzuatmen und alles so weit wie möglich von sich zu schieben. Im Moment musste sein höchstes Ziel sein, zu überleben und das konnte er nur, wenn er funktionierte. Er trat wieder hinaus in die Haupthalle und vor ihm stand doch allen Ernstes der Milchbubi. Offenbar hatte er nicht nur der hübschen Cassie einen Kaffee geholt, so wie der unter Strom stand. Der Blick von Curtis ging, von dem großen Blutfleck hin, zu dem Verband an Jasons rechter Hand.
„Du hast dich mit dem Doc angelegt? Ganz böser Fehler.“
„Das habe ich auch gemerkt. Hey warte mal, du kennst den Kerl?“
„Jeder kennt den Doc. Er nimmt alle Neuen auf und sortiert schon einmal vor. Wer sich zu unkooperativ zeigt, wird aussortiert.“ Jason klappte der Mund auf.
„Und da hättest du mich nicht vorwarnen können?!“ Ging er ihn erbost an.
Der Jüngere zuckte nur mit den Schultern.
„Das durfte ich nicht, hat doch aber auch so super geklappt. Komm schon Partner, wir müssen los zu unserem ersten Fall.“
Damit lief er los und Jason musste zu sehen, dass er hinter her kam.
„Hey, wie wäre es mal mit schlafen oder einer Pause? Etwas anderes, als dieser Overall zum anziehen, wäre auch nicht schlecht.“
„Ja ja, du kannst dich im Auto umziehen und schlafen auch,“ Freundschaftlich klopfte Curtis ihm auf die Schulter.
„Jetzt guck nicht so angesäuert, dass Schlimmste hast du noch vor dir.“
Ganz plötzlich fragte sich Jason, ob die Todeszelle wirklich so schlimm gewesen wäre.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.02.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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