Thomas Kleinrensing

Selbstgespräch Nr. 13

Ich diskutiere schon seit langem mit mir, woran es wohl liegen mag, dass man den Deutschen auch nackt erkennt. Speziell jene Silberrücken, die vor der rollenden Zweitwohnung breitbeinig im Campingstuhl den Bierbauch über das Gestänge falten und beseelt die Wildecker Herzbuben hören. Die  Wickelschürze hinten offen, seit weit über 50 Jahren dauergelockt anvertraut, serviert Eisbein. Ist etwas klischeehaft, denke ich, aber während eines Selbstversuchs an der Ostsee im letzten Jahr, habe ich auf einem FKK Campingplatz bei Ahlbeck (Usedom) nicht nur richtig gelegen, sondern bei der Nationalität Schätzung eine Trefferquote von 75 zu 100 erzielt. Damit ist auch das Alter der Testpersonen trefflich eingegrenzt.

Ich frage mich, ob es zu dem am zackigen Gang des textillosen Altinfantristen liegt, der ihn auch an der Wasserfront von all den anderen älteren Freikörperlichen unterscheidet. Ich vermute, dass der grauerblasste Germane in seiner Mimik und Gestik, trotz oder aufgrund seiner Nacktheit, noch etwas Herrschaftliches ausdrücken will.

Den deutschen knackigen Stechschritt hat er schließlich schon in früher Kindheit mit kurzer Hose und Holzgewehr geübt. Wenn der Veteran auf dem Strand von Ahlbeck am Grenzverlauf zu Polzka hin- und her patrouilliert, weiß der Pole wo die Glocken hängen. Als überzeugter weltoffener  Freidenker klammere  ich dieses Mal die alten Geschichten aus und ignoriere die stetigen Satzanfänge der Ewiggestrigen mit Früher. Man ist frei und sagt ja zu seinem Körper. Nicht zuletzt hat schließlich dieser den Krieg, die Kinder und den malzigen Karo Kaffee aus- und ertragen.

Die Würde im Alter ist unantastbar. Wenn gleich auch manchmal in textilfreien Situationen noch nicht mal mehr greifbar, auch ob der unsäglich nackten Gesinnung.
Schluss jetzt, ermahne ich mich. Da ich dem Alter viel Respekt entgegenbringe, gehe ich jetzt rein empirisch vor und beschränke mich auf die Fakten, nicht zuletzt da ich mich auch schon in einer engeren Umlaufbahn zum Ruhestand und der damit verbundenen Materialabnutzung befinde.

Das wichtigste Faktum ist, dass das menschliche Gewebe wie auch die abgelegten Textilien mit der Zeit erschlaffen und aus der Form geraten. Je nach Veranlagung werden so aus einst straffen Gesäßbacken oftmals mit derben Gebrauchsspuren vernarbte Satteltaschen. Durchaus kann das Hobby Cowboys und gleichermaßen Dermatologen begeistern.

Ich überlege, ob ich intolerant und prüde erscheine wenn ich über freigelegte Gürtellinien und deren überbordende Auswüchse nachdenke. Darf ich mir die Finger der vorgehaltenen Hand, hinter der sich sonst jeder das Maul zerreißt, nicht im Selbstgespräch verbrennen? Ich denke schon.   

Es ist imposant, wenn die jüngeren und älteren gemeinen Nudisten sich wie selbstverständlich in der Sonne aalen und unverhüllt Flora und Fauna ganzkörperlich erfahren. Im Po Sand ist außerdem eines der natürlichsten Peelings für die intimen Problemzonen. Mit den Schmatzgeräuschen an der Strandbar, hörbar wenn überhängende Hinterteile langsam von kunstlederbezogenen Hockern abgezogen werden, beginnt jedoch meine Toleranzgrenze zu bröckeln.

Während ich mein Schokoladeneis schlecke, die Leistengegend vom Badetuch umhüllt an einem Tisch der Strandbar „Neptun“, bin ich im wahrsten Sinne des Wortes umzingelt, ich verzeihe mir die vulgäre Wortwahl, von entblößten Arschlöchern. Ich schäme mich nicht meiner Schadenfreude, wenn die untere Abteilung eines Freischwingers just auf dem Barhocker Platz nimmt, dessen braunes Sitzlederimitat seit zwei Stunden neben der Tagesangebotstafel „Thüringer Rostbratwurst mit Kartoffelsalat und Spiegelei“ in der prallen Sonne bei 28 Grad flimmert.

Bei schlechtem Wetter trägt der Hartliner Wollmütze zum Unten ohne. Der Art gehütet trifft man ihn im FKK Camp eigenen Supermarkt, mit körpereigenen Satteltaschen und oder naturfarbenen Faltbeutel. Wo der Freigänger die Münze für den Einkaufswagen und die Scheine zur Begleichung der Rechnung aufbewahrt, möchte ich mir jetzt wirklich nicht vorstellen. Nebenbei bemerkt, die Lebensmittel sowie Angestellten sind auch in einem Supermarkt der Freikörperkulturrefugien verpackt. Ausgenommen Obst, Gemüse und Frischfleisch.

Ich erinnere mich ungern an jenen hüllenlosen Mittvierziger, der am Gemüseregal Oben eine Fleischtomate nach der anderen betatschte, während eine Etage tiefer sein kleiner Freund mit den Auberginen Kontakt aufnahm. Unvergessen auch, dass der Kunstledergebrannte aus dem „Neptun“ verdächtig lange weit vorgebeugt in einer Tiefkühltruhe wühlte. Auch die zwei sonnenerröteten weiblichen Bombastika Gesäßteile auf der Suche nach Dosenfutter im engen Regalgang, konnten wie einst die Magnethunde Schnuppi und Schnappi, beim gleichzeitigen Bücken laut schmatzend nicht mehr voneinander lassen.  

Es sieht so aus, dass bei dem einen und anderen FKKler, gleich welchen Alters, immer auch ein neues schambefreites Bewusstsein mitschwingt, ungeachtet der Örtlichkeiten. Um diese Schocksituationen zu verhindern, hat ein gnädiger Gott vor dem Rauswurf von Adam und Eva aus dem Paradies noch schnell das Textil erschaffen, vermute ich. Wenn am Gestade die Hülle dem neuen Bewusstsein hinterherschlackert und baumelt, ist das für mich in Ordnung. In den Reservaten der Freikulturellen genießen alle Nackten einen besonderen Schutz und ohne Ansehen der Ausgestaltung jegliche Freizügigkeit.

Ich glaube aber nicht, dass Gott der Herr in seiner unendlichen Weisheit, im Übrigen immer in wallende Gewänder gehüllt, gewollt hat, dass der Mensch beim Essen und der Beschaffung des gleichen sich nackt präsentiert. Hätte der Erbauer aller Welten, der ja bekannter Maßen unter einer chronischen Vorsehung leiden soll, dann nicht die natürlichen Anbauteile bei Mann und Frau multipler, zum Beispiel mit Reisverschluss oder Druckknopf, ausgestattet? Vielleicht sind Brustwarzen und Raphe scroti am Skrotum ein Überbleibsel des Versuches die Druckknöpfe und den Reißverschluss serienreif zu machen. Egal ob Lieferschwierigkeiten oder Erbarmen, gut das es nicht so ist.

Ich muss noch erwähnen, dass PKK nicht die türkische Bezeichnung für FKK ist und kein Ableger des Deutschen Verbandes für Freikörperkultur (DFK). Diesem Irrtum sind  augenscheinlich einige deutsche sorg- und gedankenlos Entblätterte an der türkischen Adria verfallen. Vielleicht ist der Pauschalnudist aber auch politisch motiviert und zeigt auf diese Art in seinem muslemisch geprägten Lieblingsbilligurlaubsland, einen Protest gegen Verschleierung und Verhüllungen auch im deutschen Supermarkt. Könnte ja sein wenn man unbedingt diesem Verhalten noch etwas Entschärfendes andichten will.

Der Tom
27. März 2015
www.tom-kleinrensing.de

 

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