Richard von Lenzano

Ostereier

 
 
Ostereier
 
 
 
  Es ist wieder einmal so weit.
Der Winter liegt in den letzten Zügen, die Luft wird langsam lauer und die Sonne wärmer. Bedingt dadurch wird der einst unschuldige und weiße Schnee grau und unansehnlich, und zerfließt in vielen keinen Rinnsalen.
 
  An fast allen Bäumen und Sträuchern wachsen in schneller Folge Triebe, welche sich in Richtung Sonne ausrichten. Knospen fangen an aufzubrechen und geben einerseits Blätter, andrerseits zukünftige Blüten frei.
 
  Auch unsere noch winterlichen Gefühle, kommen langsam in Wallung und erwarten voller Freude und Sehnsucht den Frühling. Der Kopf wird frei, das Herz geht auf, der Mensch wird ein anderes Wesen. Nicht mehr so nörglerisch, verschlossen und in sich gekehrt, nein, er blüht auf, als will er sich der Natur – wie jedes Jahr – anpassen.
 
  Folglich naht in Kürze das Osterfest wieder, wie jedes Jahr.
Auch dieses Mal wollen wir das Fest ein wenig feierlich begehen, so richtig familiär, wie sonst auch. Das heißt bei uns - Eier kaufen, anmalen und verstecken, um sie danach im Lauf der nächsten Tage zu vertilgen. Wie schon letzjährig, wird auch diesmal wieder eine Arbeitsteilung vorgenommen. Mutter kauft die Eier, kocht sie und die Kinder und ich dürfen sie danach anmalen und einfetten.
 
  Allerdings kommt zuvor noch ein alter Brauch zur Geltung, da wir immer zu Ostern bunt gefärbte Ostereier vor dem Haus an verschiedene Bäumchen und Hecken binden. Nur, nachdem die Kiste mit den letztjährigen Eiern aus dem Keller geholt wird war, stellen wir fest, dass doch einige in Mitleidenschaft gezogen sind, und erneuert werden müssen.
 
  Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten; entweder werden welche bei Aldi, Lidl, Penny oder Rewe gekauft und benutzt, oder wir blasen selbst Eier aus und färben diese dann selbst. Bei Kindern im Haus, ist die Entscheidung da relativ einfach. Sie wollen beschäftigt und sollen auch kreativ gefordert und gefördert werden. Somit bleibt es bei uns beim alten Ritual, wir färben die ausgepusteten Eier selbst.
 
  Vierzehn Tage vor Ostern ist es dann soweit, die Eier für den Außenbereich müssen langsam in Angriff genommen werden. Da wir auf dem Lande leben und immer von unseren Freunden, die einen schönen Bauernhof haben,  mit frischen Eiern versorgt werden, bekomme ich von meiner Frau Order, dort 30 Eier zu besorgen. Ich trabe also los, marschiere bei Sonnenschein durch unser Dorf und gehe die 300 Meter zum Bauernhof. Mit dem Bauern klöne ich noch ein wenig, während seine Frau die Eier in Eierpappen legt. Danach verabschiede ich mich und gehe recht schnell zurück, da es inzwischen angefangen hat, zu regnen – wir haben April.
 
  Nass zu Hause angekommen, gehe ich erst mal duschen, da mich der kurze aber kräftige Regenschauer ordentlich durchnässt hat. Frisch abgerubbelt, im sportlichen Dress geh ich in die Küche, wo meine Kinder schon warten.  Natürlich sind sie voller Häme, weil ich den Regenschauer abbekommen habe, sie grinsen heimlich aus reiner Schadenfreude.
 
  Da ich technisch doch ein wenig versiert bin, fällt mir die Aufgabe zu, Löcher in die beiden ovalen Enden der Hühnereier zu machen. Da gibt es nun verschiedene Hilfsmittel, derer wir uns bedienen können. Man kann die Löcher mit einer spitzen Nadel, einer spitzen Schere oder einem anderen sehr spitzen Gegenstand machen. Nur, man muss Geduld haben und sich Zeit lassen, sonst wird aus dem kleinen gewollten Löchlein eine offene Haustür. Für diese Notfälle wird dann das ganze Ei in eine bereitstehende Schüssel gekloppt.
 
  Ich sitze also am Küchentisch und operiere die weißen, unschuldigen Eier und versuche, eine gewaltsame Öffnung anzubringen. Mal geht es gut und schnell, mal geht es langsamer von der Hand. Habe ich ein Ei beidseitig „amputiert“ gebe ich es meinen Kindern und diese fangen dann an zu pusten.
 
  Akustisch ist dies nicht unbedingt ein Leckerbissen, da es Töne in allen Höhen und Tiefen zu hören gibt, weiterhin ist ordentlich Atemluft in Zirkulation.  Ich ergötze mich aber trotzdem am Anblick meiner Kinder, die optimal angestrengt in die Eier pusten, um das Eigelb und Eiklar in die Flucht zu schlagen.
 
  Irgendwann  aber geht unser Eiervorrat zur Neige, die Eier werden weniger.  Nun will ich auch noch ein Ei ausblasen um meinen Kindern zu zeigen wie man es schnell, sauber und rationell machen kann. Mein einer Sohn gibt mir sein Hühnerei und meint, dass er Schwierigkeiten damit habe.
 
  Ich, als sein Erzeuger, wachse über mich hinaus und teile stolz mit, das sei für mich doch kein Problem – her mit dem Ei. Meine Kinder sehen sich kurz und schelmisch an, ein leichtes Grinsen überzieht ihre, vom pusten erröteten Gesichter. 
 
  Nun, ich habe das Ei in der Hand und schau mir an, ob eines der beiden Löcher etwas größer ist, weil man dadurch den Inhalt leichter herausblasen kann. Dem war leider nicht so, somit nehme ich es, lege meine Lippen an die stumpfe Seite und fange an, erst langsam und gleichmäßig zu blasen. Es tut sich nichts, absolut nichts.   Ich erhöhe den Druck meiner Lungen und blase bzw. versuche, kräftig in das Ei zu pusten. Die Luft geht überall hin, nur nicht in das Ei. 
 
  Erwartungsvolles Grinsen meiner Kinder zeigt mir, dass es ihnen Spaß macht, wie ich hier am Werkeln war.  Ich mache eine kurze Pause, teile ihnen mit, dass die Sache gleich erledigt sei und - drehe das Ei um. Nun blase ich an der spitzen Seite, aber, die Rektion war auch hier gleich Null. Ich mache noch einen letzten Versuch, konzentriere mich voll auf meinen Atem und presse meine Luft voller Kraft in das ovale Etwas. 
 
  Es ist ebenfalls ein ungültiger Versuch und ich sehe kaum noch Chancen, an einer Blamage vorbei zu kommen. Verzweifelt überlege ich mir schon eine Ausrede, um mich nicht ganz zu entblößen.
 
  Ich nehme das Ei und kloppe es in die Schüssel mit den ausgeblasenen Eierinhalten. Doch, ich klopfe die Schale an der Schüssel auf und ich kann das Ei nicht aufklappen. Es verweigert auch noch seine normale Öffnung.
 
  Jetzt, jetzt endlich habe ich kapiert, dass es nicht meine Schuld war, dass ich das Ei nicht ausblasen konnte. Trotzdem fühle ich mich blamiert und angeschmiert, denn wieso war ich so sorglos? Wo waren meine Gedanken bei meiner Tätigkeit?? 
 
  Ich hatte letztlich selbst Schuld, obwohl man mir ein gekochtes Ei untergejubelt hatte, was nicht mal ein Riese ausblasen kann.
 
Das positive an der ganzen Sache war, dass wir zwei Tage lang Rühreier essen konnten….
 
 
 
 
 
RICHARD von LENZANO
©  2015 – 04.03
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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