Klaus-Jürgen Langner

Hat sich das alles gelohnt?


Als ich geboren wurde, wusste ich damals noch nicht genau, dass es sich bei dem Vorgang um mich selber handelte.
Ich lag da, ohne Zähne, noch fast total blind mit einem nicht funktionierenden Fortpflanzungsorgan!
Als ich heute früh mit über achtzig Jahren aufwachte, stellte ich fest, dass ich auf dem besten Wege bin, diesen Zustand wieder zu erreichen.
Da kommt mir natürlich die Frage in den Sinn:
Hat sich das, was dazwischen liegt denn überhaupt gelohnt?
Immerhin kann ich feststellen, damals habe ich geschrieen und mit Armen und Beinen gestrampelt, um meinen Unmut über meine damalige Situation zum Ausdruck zu bringen.
Heute früh habe ich das doch nicht gemacht!
Ich will um eine Antwort zu finden einige Stationen meines Lebens durchgehen soweit meine Erinnerung das zulässt. Natürlich weiß ich, dass meine Erinnerungen immer persönlich gefärbt sind, also können sie nicht „objektiv“ sein. Aber ich will ja auch kein „Handbuch der Lebensweisheit“ schreiben sondern eben meine höchstpersönliche Reise durch mein Leben.
Wenn jemand daraus für sich irgendwelche Schlüsse ziehen will: Gerne, aber ich weise darauf hin, ich gebe keine Garantie dafür, dass meine Erkenntnisse für die ganze Menschheit gültig sein werden.
 
Es ist wirklich schade, dass ich nicht schon sehr viel früher existierte. Ich hätte dem seinerzeitigen Engel-Planungsbüro für die Erschaffung der Menschen sehr viel helfen können.
Wir wissen ja, dass das erste Modell eines Menschen, ein gewisser Adam auch nach Meinung seines Schöpfers nicht vollkommen war, denn er nahm sich nach dem ersten Menschen sofort eine verbesserte Ausgabe vor: Eva!
Dann will ich das Modell nach dem auch ich ins Leben getreten worden bin mal etwas näher in Augenschein nehmen.
Da fallen mir einmal die beiden Brustwarzen an seiner Brust auf, die keine Aufgabe übernehmen können außer für den Fall, dass er mal ein Kind gebären sollte und dann auch noch Lust auf das Stillen hätte. Aber ich habe gehört, das sei ziemlich selten. Dann wurden auch noch die Kiemen gefunden, die ziemlich unnötig sind, außer  ein dauerhafter Unterwasser- Aufenthalt ist eingeplant. Aber dann hätte auch ein Muskel da sein müssen, der die Nase unter Wasser verschließt.
Da heißt es aber Fehlanzeige.
Ich stell mir grad einige Erzengel aus der Abteilung Planung vor, die auch nicht wissen, wie ihre Entwürfe genau geplant werden sollen. Wird das mal ein Fleischfresser oder doch nur einer mit Appetit auf was Grünes oder auf Samen wie die Vögel?  Und wie soll das mit der Fortpflanzung gehen? So wie bei einem Hahn, da kämen die Keimdrüsen auf den Rücken oder doch wie bei Säugetieren, die  alles außerhalb des Körpers schaukeln lassen. Aber dann hätte man auch schon etwas genauer planen können, und nicht so wenig ausgerichtet wie das, was da jetzt so uneinheitlich bei und Männern  herumschaukelt. Aber am schlimmsten ist ja wohl die Fehlkonstruktion wo mitten durch das Vergnügungszentrum eine Abwasserleitung installiert wurde. Das könnte wirklich auch anders gehen!
Da ist die Angelegenheit mit den ziemlich nutzlosen Haaren auf dem Kopf, die sowieso bald ausfallen schon nicht mehr so wichtig. Und die paar Zausel im Gesicht finden die meisten Männer auch nicht optimal.
Beim Nachfolgemodell wurden die ja auch gleich weggelassen. Besser so. Überhaupt gefällt das Modell durch ein eleganteres Äußeres viel besser. Was da so ein paar Gramm Fett an verschiedenen Stellen schon ausmacht. Auch die  beim Adam nutzlosen Brustwarzen bekamen eine Aufgabe und eine viel handgreiflichere Form. Auch die Beingestaltung wurde verändert und zwar so, dass Eva beim normalen Gehen mit den Knien zusammenstoßen müsste. Daraus entwickelte sich dann eine Fortbewegungsart, die das Hinterteil zu einer eigenwilligen Bewegung veranlasste. Das ist wahrlich gut gelungen, denn die meisten Adams bis heute sehen dorthin viel häufiger als dass sie Vögel im eleganten Flug beobachten oder den Kölner Dom.
Ja, diese weiblichen Nachfolgemodelle waren und sind für Kinder (aber nicht nur für diese) sehr berührend. Und mithilfe eines solchen  Modells, das ich bald als „Mutter“ kennen lernte
kam auch ich auf die Welt frühmorgens um Fünf Uhr.
Aber ich darf nicht zu schnell vorgehen. Ehe es zur Geburt kam entstand ja schon im Mutterleib mein vorgeburtliches „Ich“. Denn wenn ich meine Mutter nach der Geburt als angenehmes Wesen empfinden wollte, dann musste ja vor der Geburt schon mein Körper sich zusammen mit meinem Gehirn entwickeln. Entwickeln? Woraus denn? Aus einem Klumpen Stammzellen, dem „befruchteten Ei“. Aber schon sehr schnell wissen die einzelnen Zellen, was sie mal werden wollen. Zum Beispiel Nervenzellen aus denen das Gehirn entsteht. Zuerst entsteht nur ein einfaches Neuronalrohr, aber dann fängt dieses Rohr an 100 Milliarden Gehirnzellen entstehen zu lassen. Die ersten Wahrnehmungen sind wohl tastend. Und irgendwann meist so um die 24. Woche, übernimmt das Gehirn seine erste Fähigkeit und der neue Mensch beginnt zu hören!
Jetzt hatte ich endlich ein beginnendes Gehirn, das Organ mit dem ich später dann dachte, dass ich denke! Bis heute habe ich noch keinen Gedanken gesehen oder gehört, gefühlt, aber ich behaupte Gedanken sind denkbar!
Aus den Erzählungen meiner Mutter weiß ich, dass sie mir schon viel vorgesungen hat als noch in ihr wuchs. Und unsere Wissenschaftler haben festgestellt, dass dieses vorgeburtliche „Hören“ von musikalischem Gesang spätere Vorlieben auslöst. Bei mir hat es dazu geführt, dass ich dann später zwei Instrumente lieben und spielen lernte nämlich Akkordeon und Flöte. Das Akkordeon brauchte ich danach auch ganz intensiv, denn damit habe ich mir zum großen Teil mein Studium verdient.
Das lässt mich jetzt grad darauf hinweisen, dass ich erkannt habe: „Es hängt alles mit allem zusammen!“ (An passender Stelle komme ich darauf zurück).
Zuerst muss so ein neues kleines Wesen lernen, wie der eigene Körper so funktioniert. Nach etwas greifen, Laute ausplappern und später gar Laufen, das alles will gelernt werden. Im Gehirn entsteht ein unendliches System von Verbindungen.
»In den ersten Monaten nach der Geburt bilden die Neuronen der Hirnrinde verstärkt Fortsätze, Axone, an deren Ende Synapsen wachsen«, erklärt Matthias Deliano, Hirnforscher am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg. »Vor allem in den Sinnesarealen, etwa der Hör- und Sehrinde, wachsen Billionen dieser Anschlüsse und bilden neue Schaltkreise.«
Und das alles hängt ganz eng mit dem elterlichen Verhalten zusammen.
Ich weiß, dass meine Mutter mit mir sehr viel geschmust hat und sich dabei einer besonderen Art von Babysprache bedient hat, die nur Mutter und Kind genau und richtig verstehen. Aber genau das hat bei mir den großen Schub von Qxytocin, ausgelöst, dem Hormon, das später bei mir eine gewisse Leichtigkeit gebracht hat, wenn es die Bildung von sozialen Beziehungen geht.
Und im Alter von ca. drei Jahren kam dann wie bei allen der zweite große Schub von Verbindungszellen im Frontal-Lappen der Großhirnrinde der mitverantwortlich dafür ist, ob dann aus mir ein „fauler Sack auf dem Sofa“ wird oder jemand, der lieber selbst denkt und handelt.
Ich war halt schon vorsichtig bei der Wahl meiner Eltern gewesen. Sonst hätte ich andere – wohl schlechtere - Startbedingungen gehabt.
Wie die meisten  bin ich mit sechs Jahren in die Schule gekommen und habe an meine „frühe Zeit“ kaum konkrete Erinnerungen.
Ich weiß, dass ich bald in der „HJ“ (Hitler Jugend) zu finden war und dass ich die ersten Lageraufenthalte im Kreis von gleichaltrigen sehr schön fand. Ich bin sicher, dass ich später zunächst mal ein „Nazi“ geworden wäre, denn ich kannte nichts anderes, als diesen normalen Ablauf.
Ganz einschneidend war nach Kriegsende die Zeit, als ich richtigen Hunger kennen gelernt hatte. Daraus resultiert heute noch meine Schwierigkeit noch genussfähige Lebensmittel auf den Müll zu bringen. Dann kam „die Flucht“, als meine Eltern, Großeltern und andere Familienangehörige gezwungen wurden, die gesamte bisherige Sicherheit der eigenen Wohnung und des gesamten Lebens aufzugeben und mit Koffern auf einem unbereiften Fahrrad zu Fuß aus Schlesien „in den Westen“ zu laufen.
Irgendwann kamen wir irgendwie bis Helmstedt und von dort dann in ein kleines Dorf mit 800 Einwohnern als „Flüchtlinge“. All diese Zeit hat mich später sehr geprägt. Denn trotz einem „christlichen Willkommen“ waren wir dort die „Ausgegrenzten“, wir kamen ja „von Drüben“.
Das alles hat mich mitgeformt. Ich hatte Schwierigkeiten mich neu zu formieren.
Die Sicherheit einer intakten Familie mit allen Bezugsrahmen war plötzlich verschwunden. Ich musste mich erst selbst finden und das bedeutete in der Schule eine Klasse Wiederholung. Aber dennoch danach fing ich an die Schule wieder ernster zu nehmen. Irgendwann war Abitur und ich wollte studieren.
Für meine Mutter war klar: Es musste ein Beruf sein mit sozialer Anerkennung, denn wir kamen ja aus der unteren Klasse, wo noch nie ein Sohn in der Familie studiert hatte.
Also Arzt wäre ja sehr gut, aber dann müsste ich im Notfall auch sonntags arbeiten. Also besser Zahnarzt. Deswegen befreite ich mich erst einmal aus den Umsorgungen der Familie und ging weit weg nach Bonn zum Studium der Rechtswissenschaften. Das war so meine erste eigene Entscheidung und ich war mir damals schon ganz sicher: Alles was ich mir wirklich vornehme das erreiche ich auch, denn ich war noch ganz „neu“ aber voller Tatendrang.
Mit meinem Akkordeon fuhr ich an die nahe gelegenen Weinlokale im Moseltal und verdiente mir so, was ich noch brauchte, denn meine Eltern unterstützen mich zwar, aber das meiste hatte ich mir selbst zu besorgen. Überall neue Möglichkeiten zu entdecken und neue Fähigkeiten zu erlernen, das war mein Leben, das ich genoss. Im Studentenwohnheim kochte ich mir selber mein Essen. Bald nicht nur für mich, denn mein Essen schmeckte besser als das Essen der Mensa gegenüber. Und wenn ich insgesamt für vier Studenten mitkochte, war mein Essen meist umsonst.
Irgendwann später entwickelte sich diese Fähigkeit bis zur Erfindung einer Diät mit einem von mir ganz allein gestalteten Kochbuch. Natürlich entsteht so ein Buch meist unter großem Zeitdruck zum Schluss. So auch bei mir. Am letzten Tag abends um 22.00 Uhr war abzusehen, der Termin wird gehalten.
Die Erleichterung war groß bei allen Beteiligten. Für alle ein Bier und der Quatsch begann. Er schlug sich nieder in einem ganz neuen Rezept.
„Man nehme…..einen guten alten französischen Cognac und schütte zwei Cl ganz vorsichtig in den Koch! Dann standen da alle anderen Zutaten, ein nicht zu alter Hahn aus der Bretagne; diverse Gemüse, guter alter französischer Rotwein, aber immer wieder der Hinweis, dass auch ein kleines Glas in den Koch zu schütten sei. So entwickelte der Hahn im Topf sein Aroma. Aber der Cognac auch seine Wirkung im Koch. Diese „Übermutsrezept“ war natürlich nur für uns gedacht aber ein wohlmeinender „Zufall“ sorgte dafür, dass dieses Rezept mitgedruckt wurde in der gesamten Auflage des Kochbuchs.
Die Diät und das mit ausgelieferte Kochbuch haben sich gut verkauft, aber eine Beschwerde habe ich nie erhalten!
Damals war die Zeit angebrochen, wo ich anfing gelegentlich selber zu denken.
Ja, schon, aber wirklich nur gelegentlich. Ich konnte zwar argumentieren, aber ich weiß nicht, warum ich schon damals davon ausging, dass ich unsterblich sei.
Heute weiß ich das, aber damals war ich ohne Angaben von Gründen nur ganz einfach davon überzeugt.
 
Folgt Studium in Berlin, Ehe mit Rita, Examen in Hamburg, Referendarszeit mit Aussicht auf Promotion und Tätigkeit in Unibereich. Anwalt; Anschlag; Reise mit Elch. Fünf Jahre Weltenbummler. Zurück nach Berlin, Zweite Ehe mit Brigitte. Tätigkeit wieder als Jurist! Auftritt über ein Jahr bei Madi im Zelt!! Malen und Autor. Keine Kinder aber drei Enkel, also beliebter dreifacher Opa, Hund und Katzenbesitzer.
Und hier hab ich meinen Lebenslauf erst mal unterbrochen!
Wird fortgesetzt.
 
Don, 2014
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.04.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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