Helmut Wurm

Sokrates und Förster, Jäger und Natur-Gutmenschen

 

Vorbemerkung
 
Gut-Menschen sind Menschen, die hoffen/meinen/starrsinnig anstreben/die Illusion haben usw., ihre Umgebung oder möglichst die ganze Menschheit von allen Irrtümern/Mängeln/ Ungerechtigkeiten/Fehlentscheidungen/Schlechtigkeiten usw. befreien zu können, dabei aber den Boden der Umsetzbarkeit/Sachlichkeit/Realität/Ausgewogenheit usw. verlassen und nicht beachten, dass die Folgen ihrer Ziele/Bemühungen/Illusionen usw. oft große Nachteile für die Mitmenschen zur Folge haben/unumkehrbare Einbahnstraßen darstellen/ Schlechtes durch noch größere Irrtümer ersetzen/so dass die Folgen der Tätigkeit von Gut-Menschen oft dieselben negativen Belastungen darstellen wie die Handlungen von Bös-Menschen…  
 
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Einem Berggipfel mit Ausblick in ein großes Waldgebiet Mitteleuropas streben ungeplant und getrennt von verschiedenen Seiten 7 Wanderer zu, die sich auf dem Gipfelplateau treffen – oder besser dort aufeinander treffen. Man kann ihre Funktionen/Positionen schon an ihrer Kleidung erkennen.
 
Es handelt sich
- um Sokrates, der den schönen Ausblick genießen möchte,
- um 2 Förster, deren Reviere auf dem Gipfel zusammen stoßen,
- um 2 Jäger, deren Jagdreviere hier aneinander grenzen und
- um 2 Naturschützer/Naturfans, die vom Berggipfel aus Anregungen für ihre Pläne zur
  Neugestaltung bzw. Umgestaltung der deutschen Waldgebiete sammeln wollen.
  
Da das Gipfelplateau relativ klein ist, kommen sie zwangsläufig so eng zusammen, dass sich nicht gegenseitig ignorieren können und sich ein Gespräch und dann eine heftige Diskussion entwickelt. Das Gespräch fängt ganz harmlos an…
 
Sokrates (unbefangen): Da habe ich ja Glück, dass einige kompetente Mitwanderer hier hinauf gefunden haben. Ich entnehme aus der Kleidung, dass ich es mit Förstern, Jägern und Naturliebhabern zu tun habe… Könnte ich von Ihnen einige Informationen zu diesem Waldgebiet, seinen Tieren und Pflanzen und seiner Zukunftsgestaltung bekommen?
 
Der eine Förster (er trägt die traditionelle Berufskleidung der Förster): Ich kann nur zum Waldbau und Holzgewinnung für die Wirtschaft etwas sagen, denn ich bin gewissermaßen nur so ein Art „Wald-Gärtner“. Denn ich habe primär dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft jetzt und zukünftig ausreichend mit Holz versorgt wird… Für die Pflanzen und Tiere meines Reviers bin ich nicht mehr zuständig…, das war früher noch eine Teilaufgabe der Förster. Aber ich habe mir noch eine ganzheitliche Sicht bewahrt, das heißt, dass ich Wald nicht nur als Holz-Produktionsraum verstehe, sondern als vielfältigen Naturraum, als artenreichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere und als Erholungsraum für die Menschen. Da muss man Kompromisse schließen… Ich strebe einen Mischwald mit artenreicher Bodenfauna und Flora an und habe Verständnis dafür, dass Spaziergänger auch Wildtiere sehen möchten…
 
Der andere Förster (er trägt eine unsystematische Grünzeug-Kleidung mit einem bunten Wollpullover): Ich bin nicht nur „so eine Art „„Wald-Gärtner“, ich bin ausschließlich ein Holz-Produzierer. Für mich zählt nur der maximal mögliche Holzertrag… Deswegen gibt es bei mir nur schnell wachsende Monokulturen aus Fichten und Douglasien und nur Tiere, die dem Baumwachstum nicht schaden. Alle Tiere, die den Bäumen schaden, werden bei mir abgeschossen bzw. vernichtet. Nützlich für den Wald sind nur Eichelhäher (die verstecken überall Pflanzensamen) und Spechte (die bekämpfen den Schädlingsbefall). Besonders schädlich sind Kaninchen, Hasen, Rehe, Hirsche (denn die fressen junge Bäume, junge Triebe und Rinde) und werden von mir ausgerottet. Kein Gärtner duldet in seinen Anlagen Schädlinge. Für einen dauerhaften Jagd-Wildbestand habe ich deswegen kein Verständnis.  Und wie kein Obstbauer und Winzer hohen Grasbewuchs unter seinen Obstbeständen duldet (denn der nimmt den Obstgewächsen die Nährstoffe), so dulde ich in  meinem Wald keinen intensiven Bodenbewuchs. Den bekämpfe ich mit Spritzmitteln vom Hubschrauber und von den Wegen aus… Und Spaziergänger möchte ich im Wald nicht sehen, denn die verlassen die Wege und trampeln mir den Boden fest. Spaziergänger, vor allem Kinder, gehören in die Stadtparks und in die Hausgärten… Wer Wild sehen möchte, kann das im Internet ausreichend erleben…
 
Sokrates (jetzt befangen): Abgesehen davon, dass sie die Wälder möglichst menschenfrei und  besonders kinderfrei machen möchten, sind doch solche Monokulturen optisch steril und anfällig gegen Stürme und Schädlinge…
 
Der andere Förster (knapp und unwirsch): Geben Sie diese Frage weiter an die Baum-Zuchtanstalten und an die biologisch-genetische Forschung. Die sollen den Forstämtern schnell wachsende Bäume mit tieferen Wurzeln (so stehen sie fester bei Stürmen) und mit einem Bitterstoff in der Rinde (der den Schadinsekten nicht schmeckt) liefern… Heute kann man jede Eigenschaft züchten…   
 
Sokrates (jetzt zurückhaltend): Ein solches rein erfolgbestimmtes, engstirniges Denken erschreckt mich… Da werde ich von Ihnen auch keine breiteren Natur-Informationen bekommen… Aber sicher wird einer der Jäger das können… Aber vorher würde ich gerne wissen, wie die Jäger ihr Verhältnis zum modernen Waldbau beurteilen
 
Der eine Jäger (er dunstet Jägermeister-Zuspruch aus, antwortet anfangs knapp und direkt, steigert sich aber emotional immer mehr): Es wird immer ärgerlicher, man kriegt immer weniger Wild vor die Flinte und alle meckern an uns Jägern herum. Ich bin Jäger geworden, weil ich in meiner Kühltruhe stets herzhaftes Wildbret liegen und an meiner Wand Trophäen haben möchte… Die Jagdfreude ist ein uraltes Erbe der Menschheit. Dazu bekenne ich mich offen… Ich möchte regelmäßig Wild schießen, aber das wird immer schwerer. Es kommt vor, dass ich wochenlang nichts tot gemacht habe… Die Waldgärtner haben etwas gegen einen größeren Wildbestand, weil der dem Wald schaden würde; die Naturschützer schützen das Raubzeug; das Umwelt- und Jagdministerium hat ein Verbot von Wildfütterung und Wildäckern erlassen; und die Natur-Gutmenschen wollen die Jagd ganz abschaffen… Jetzt wird der Luchs und Wolf bei uns eingebürgert, vermutlich bald auch noch der Bär. Dann erledigt sich die Jagd bei uns von selbst… Dann muss ich nach Osteuropa fahren, um noch etwas abschießen und eine Trophäe mitbringen zu können…
   
Sokrates (etwas verständnislos): Ist denn eine Einschränkung der Jagd so schlimm?
 
Der eine Jäger (steigert sich in eine emotionale Unbeherrschtheit): Die Jagd und die Jagd-Atmosphäre sind meine Leidenschaften, nicht das Brauchtum und nicht das Hörnerblasen, sondern das Knallen der Büchsen, das an die Jagden anschließende Schüsseltreiben mit Wildbret, Sauerkraut und Jägermeister und vor allem das Streckelegen des geschossenen Wildes… So wie der Förster vorhin sich als ein Holz-Ernter zu erkennen gegeben hat, so bin ich hauptsächlich ein Wild-Ernter… Welches Wild ich erlegen kann, ist mir dabei egal… Ich wünschte, man könnte wie die Fischer jährlich im Frühjahr junge Wildtiere aussetzen und im Jahr darauf oder später dann fett genährt schießen… Dazu würde ich Wild-Kameras an allen Suhlen und Futterstellen aufstellen, die mir nach Hause auf meinen Bildschirm jeden Wildbesuch dort anzeigen… Die Förster sollen sich wegen eventuellem Wildschaden nicht so anstellen. Die jährlich durch Sturm und Schadinsekten ausgelösten Baumverluste als Folge zu einseitig zusammengesetzter Waldbestände stellen einen größeren Schaden dar als das bisschen Wildverbiss. Der wird nur zweckbedingt übertrieben von den Holz-Erntern und den spinnigen Natur-Gutmenschen, die die Jäger nur abschaffen wollen…   

Die beiden Naturschützer (tuschen hinter seinem Rücken): Solche Kerle von Jägern muss man möglichst bald abschaffen… Solch ein primitiver Wildkiller… Man sollte ihn mit Fotos und mit seinen Äußerungen als Unterschriften in die Zeitungen setzen… Solche Jäger haben keine Chance, unsere Bemühungen um die Abschaffung der Jagd aufzuhalten…  
 
Der andere Jäger (ist verlegen von seinem Jagdkollegen weggerückt und versucht ruhig zu antworten): Ich möchte mich für diese Äußerungen entschuldigen, denn sie festigen nur das verzerrte Bild in der Öffentlichkeit von der Jagd und den Jägern… Die Jagd sollte primär keine Wild-Ernte sein, sondern eine Hege und eine kulturelle Tradition voller Notwendigkeit und Verantwortung. Ich möchte zum Beispiel daran erinnern, dass die richtig verstandene Hege und Jagd den Wildbestand von kranken, alten und degenerierten Wildtieren befreit… Dazu muss man auf überzogenes Trophäensammeln und überzogene Abschüsse verzichten, denn die Hege-Pflichten sind wichtiger… Und man muss eine intensive Aufklärung über verantwortungsbewusste Wildhege in Kindergärten, Schulen und  Presse betreiben, um das negative Bild von der Jagd und den Jägern wieder zurecht zu rücken…
 
(Er wird von den beiden Natur-Gutmenschen unterbrochen):    
 
Die Natur-Gutmenschen (sie bringen ihre Vorstellungen knapp und direkt auf den Punkt;  abwechselnd): Die Ausmerzung von krankem und degeneriertem Wild werden Sie künftig dem Wechselspiel der Natur zwischen Raubzeug und dem Wild überlassen… Wir wollen den ursprünglichen Naturzustand in unsere Wälder zurück holen, so wie ihn Darwin beschrieb… Unsere Naturschutzvorstellungen sind nämlich ein gutes Stück „Darwinismus“, obwohl wir das öffentlich nicht zugeben… Wir möchten weiter möglichst viele Wälder zu Naturschutz-Gebieten erklären ohne Jagd und Holzeinschlag… Und intensive Aufklärung in Kindergärten und Schulen soll sich darauf beschränken, dass möglichst wenige Menschen in die Wälder gehen, um das dortige freie Wechselspiel nicht zu stören…    
 
Sokrates und die beiden Förster (etwas erstaunt-entrüstet und abwechselnd): Das alles erscheint aber sehr einseitig, das ist wieder die andere Extremrichtung… Wo und wie soll in diesen Wäldern das benötigte Holz geerntet werden, denn in Naturschutzwäldern gibt es ja kaum ausgebaute Waldwege… Aber z.B. Pilze sammeln muss doch noch erlaubt bleiben… Dass Menschen, besonders Kinder, nicht mehr in den Wald gehen sollen, bedeutet eine erhebliche Verarmung der Erfahrungsmöglichkeiten für die Menschen, besonders für die Stadtbewohner… Ich hoffe, dass solche übertriebenen Ziele sich politisch nicht durchsetzen lassen…
 
Die Natur-Gutmenschen (jetzt offen und ehrlich, abwechselnd): In unseren künftigen Wäldern werden sowieso keine Jugendliche mehr herumstreunen, werden keine Pilzsucher mehr die Baum-Pilz-Symbiose stören und werden keine Holzarbeiter mehr Bäume ernten. Denn wir lassen alle Räume zwischen den Bäumen mit Brombeer- und Dornengestrüpp zu wachsen - so wie zur Zeit der alten Germanen… Unsere Waldungen sollen hauptsächlich Wasserspeicher und CO2-Reduzierer sein… Und diejenigen Heizölmengen, die durch unsere gesteigerte regenerative Energiegewinnung eingespart werden, stehen dann der Wirtschaft als Ersatz-Rohstoff für bisherige Holzprodukte zur Verfügung… In unseren Wäldern werden sich auch keine Wild-Killer mehr herum treiben, denn die Einbürgerung von Luchs und Wolf hat nicht nur mit der Rückkehr zur früheren Artenvielfalt zu tun, sondern diese Raubtiere sollen so viel Hasen, Rehwild und Rotwild reißen, dass für die Jäger, diese Wildkiller, nichts mehr übrig bleibt, ha, ha, ha… Das ist unser heimliches Endziel, davon reden wir nur nicht, ha, ha, ha… Es mag ja unter der Jägerschaft viele Naturschützer und Heger geben, aber die vorhandenen dickbäuchigen, rotnasigen, waffengeilen, flintenknallenden und nach Schnaps  riechenden Wildkiller werden weiterhin das Ansehen der Jäger so belasten, dass sie in der Öffentlichkeit keine ausreichende Unterstützung finden werden… Und was die Durchsetzung unserer Ziele betrifft, so haben wir in viele Regierungen unsere Leute eingeschleust, die zäh und langfristig denkend und in kleinen Schritten die Umwandlung der Wälder und die Abschaffung der Jäger voran treiben, ha, ha, ha…  
Damit gehen die beiden lachend und Arm in Arm zurück in die Ebene. Sie singen dabei:
 
Holla dihi, holla diho,
Luchs, Wolf Bär im Abendrot
Pizsammler-Schreck und Jäger-Tod
Holla dihi, holla diho
 
Zurück bleiben sehr nachdenklich Sokrates und die beiden Förster. Sokrates murmelt vor sich hin:
 
Sokrates: Welch eine einseitige Entstellung einer traditionellen Interessengruppe… Das ist ein Beispiel für typische extreme Gegenbewegungen gegen derzeit bestehende Mängel und Einseitigkeiten… Ich hoffe, dass die Mehrzahl der Naturschützer ausgewogener denkt und plant… Natürlich gibt es solche vereinzelten Negativtypen von Jägern und sie prägen auch negativ das Bild von der Jägerschaft in der Öffentlichkeit, aber die überwiegende  Mehrzahl der Jägers ist anders… Sie leiden nur mit unter der derzeitigen Gegenbewegung gegen solche Negativ-Typen… Besonders die Deutschen neigen zu solchen Pendelbewegungen von einem Extrem zum anderen… Aber kurzfristig haben die Waldgärtner und Jäger kaum eine Chance auf eine Trendwende, denn dazu müssten sie besonders öffentlichkeitswirksame Reformen vornehmen…
 
 
(Niedergeschrieben vom discipulus Socratis, der unauffällig mit Sokrates auf den Waldberg gestiegen war und das ungeplante Zusammentreffen miterlebt hat; Mai 2015)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.05.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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