Hans K. Reiter

Das Geheimnis

Als irgendwann zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Feldmeier Quirin den Hof von seinem Vater übernahm, hatte ihn dieser davor schon von seinem Vater und dieser wiederum von seinem Vater übernommen und so fort. Bis in die Lutherische Zeit hinein konnte der Quirinhof zurückverfolgt werden. Und es war Brauch, dass der jeweils Erstgeborene auf den Namen des Heiligen Quirin getauft wurde.

Der Quirin, von dem hier die Rede ist, war allerdings alles andere als ein rechtschaffender Bauer. Weithin war er als Hallodri bekannt und wegen seiner Weibergeschichten nicht überall gerne gesehen. So manche Magd war auf ihn hereingefallen und die Leute munkelten, dass auch die eine oder andere Bauersfrau seinem Charm nicht hatte widerstehen können.

Das Anwesen gehörte zu den grössten und profitabelsten im ganzen Gau. Ein Leichtfuss, wie er war, so gerissen war der Quirin aber auch, wenn es um den Hof und die Geschäfte ging. Damit er seinem unbeschwerten Leben frönen konnte, hatte er einen Verwalter eingesetzt. Einen umtriebigen, gewissenhaften und wohl auch sehr fleißigen Menschen, was die Leute so erzählten und, was später in den 80er Jahren dann auch einmal von einem sogenannten Heimatforscher aufgeschrieben worden war. Zu dieser Zeit war bereits der dritte Quirin des zwanzigsten Jahrhunderts am Ruder.

Sein Großvater, der Hallodri, war Ende 68 im hohen Alter von 98 Jahren verstorben. Die beim letzten Gang Anwesenden, berichteten übereinstimmend, dass Quirin, der Alte, wie sie in nannten, dem verdutzten Sohn mit einem verschmitzten Lächeln etwas ins Ohr geflüstert habe. Da Quirin der Erstgeborene es aber nicht preisgab, wusste niemand Näheres darüber.

Bis vor ein paar Tagen der mittlerweile auch schon in die Jahre gekommene Vater des amtierenden Qiurin, also der Sohn des Großvaters, seinen Quirin zu sich rief und ihm das Geheimnis anvertraute. Du musst es wissen, hatte er gesagt, net dass ich plötzlich auch auf dem Friedhof lieg und keiner weiss Bescheid.

Seitdem trieb es den armen Quirin hin und her. Wenn das herauskäme, nicht auszudenken! Die Leut‘, der Pfarrer!Sakrament, entfuhr ihm ein derber Fluch. Aber das passte zum Großvater, diesem ausgefuchsten Hundling, der nichts hatte anbrennen lassen. Die Mutter, das war doch schon tragisch genug. Und jetzt das noch!

Wie sollte er es seiner Frau sagen? Vorerst gar nicht. Außer dem Vater und jetzt ihm, wusste es ja niemand und so sollte es auch bleiben. Die Tage und Wochen zogen dahin und über die Arbeit vergaß Quirin das Geheimnis des Vaters. Bis eines Tages eine Frau etwa im Alter der verschiedenen Mutter vor der Tür stand.

Bist du der Quirin?, wollte sie wissen, der, dessen Vater vom Quirin dem Hallodri abstammt? Quirin blickte irritiert hoch und unschwer war zu erkennen, dass er nicht recht verstand, was diese Frau von ihm wollte. Macht nix, sagte die Frau, wirst es gleich erfahren, warum ich hier bin.

Quirin bat die Frau schliesslich ins Haus, schickte nach dem Vater und liess von einer Magd Kaffee und Kuchen auftragen. Schweigend saßen sie so am Tisch, nur die Frau unterbrach gelegentlich mit einem wohligen der is guad,wobei sie offensichtlich den Kuchen meinte.

Bald schon steckte der Vater den Kopf in die Stube und erklärte, dass er gleich käme und nur noch die Schuhe ausziehen wolle. Alles voller Erden, fügte er hinzu. Eine Minute später war er mit einem fragenden Gesicht bei ihnen. Königshofer Maria, stellte sich die Frau vor. Du bist also der Quirin, der Mann vom Luiserl? Ja, schon, sagte der so Angesprochen, aber ich versteh nicht …? 

Schau, is doch ganz einfach, sagte die Frau und lachte dabei über das ganze Gesicht, war net deine Frau auch eine geborene Königshofer? Und kennst mich nimmer von eurer Hochzeit? Na..! Langsam, ganz langsam dämmerte es Quirin. Ja, freilich, sagte er, jetzt erinnere ich mich, du bist die Maria, die Schwester vom Luiserl. Hast dich lang net sehen lassen!

Ich weiss, aber das erklär ich dir später einmal. Jetzt bin ich hier, weil mir die Mutter am Totenbett noch etwas anvertraut hat und des muss ich mit dir bereden. Am Totenbett, sagst. War auch schon lang nimmer da g’wesen, eure Mutter, sagte der Quirin bedächtig.

Weiss er Bescheid?, fragte Maria und deutete auf ihn, dem der Vater, noch nicht lange her, das Unfassbare eröffnet hatte. Ja, er weiss, was ich auch weiss und was ich auch erst erfahren hab‘, als sein Großvater gestorben ist.

Jetzt lag die volle Wahrheit auf dem Tisch, ausgesprochen, endlich ausgesprochen! Und schon bald werden es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dachte Quirin. Er war der Sohn seiner Tante, weil das Königshofer Luiserl ein Kind vom Großvater gewesen ist, der es damals in seiner Zügellosigkeit mit der Frau des Königshofer Bauern getrieben hatte. Der aber hatte nichts gemerkt und keiner der beiden Umtriebigen hatte es ihm gesagt. Und so blieb es ein Geheimnis, bis heute.

Der Sohn von der Schwester des Vaters – da wird’s schaun, die Erna, mei Frau, war alles, was er sagte, als er die neu hinzugewonnene Tante Maria vom Hof verabschiedete.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.06.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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