Klaus-D. Heid

Guten Appetit!

Wenn andere Leute sich den Bauch mit Steaks, Schnitzeln oder Currywürsten mit Pommes füllen, dreht sich mir der Magen um. Alleine der Gedanke an ekliges Fleisch, das in Öl brutzelt, verursacht mir Bauchschmerzen. Wie kann man nur etwas essen, das noch vor kurzem Muh, Mäh oder Grunz gemacht hat? Wie kann man vergnügt Fleisch von einem Lebewesen in sich reinschaufeln, das Augen und Ohren hatte? Widerlich! Es ist doch ganz egal, wie man Fleisch zubereitet! Welche Gewürze man auch immer darüber schüttet – es ist und bleibt doch... Fleisch! Nie werde ich begreifen, wie Menschen so tief sinken können, dass sie sogar den grausigen Tod von kleinen süßen Lämmchen in Kauf nehmen, nur um ihre hemmungslose Fresslust zu befriedigen.

Besonders ekelerregend sind auch die dickbäuchigen Männer und Frauen, die an Bratwurstständen auf zerhackten Schweinen und Rindern herumkauen. Sie tunken ihre Würste in Senf und denken kein bisschen daran, was sie da eigentlich verzehren. Und dann erst dieses amerikanische Fast Food Essen! Aus niedlich blickenden Rindern, die noch auf der Weide nichts Böses ahnen, macht man ohne mit der Wimper zu zucken, kreisrunde Massenklopse. Tonnenweise friert man sie ein, um sie weltweit zwischen pampigen Kunstbrötchen verstecken zu können!

Was der Mensch aus ehemals lebendem Gewebe macht, schreit zum Himmel. Er pulverisiert es, zerhackt es, verfärbt es und verspeist es. Dem Menschen ist es offenbar vollkommen egal, dass er mit jedem Stück Fleisch auch einen Vater, eine Mutter, einen Sohn oder eine Tochter in den Rachen schiebt. Familien werden brutal auseinandergerissen, damit ein animalischer Kannibalismus seine Befriedigung findet.

Haben Sie schon einmal gesehen, wie man eine Gans tötet? Haben sie schon einmal gesehen, wie Hühner gefoltert werden, bevor sie dampfend und mit knuspriger Haut in isolierten Papiertüten verschwinden? Erinnern Sie sich an das Geräusch, das eine Geflügelschere macht, wenn sie ein Hähnchen halbiert? Hören Sie das Knirschen und Krachen der kleinen Knöchelchen? Das Gleiche gilt natürlich auch für Enten, Gänse, Puten und Truthähne. Ich frage mich, wann der Mensch seine Hemmungen vollständig ablegt und damit beginnt, Adler und Bussarde als Delikatesse feilzubieten!

In einigen asiatischen Ländern werden sogar Hunde gegessen! Unsere heißblütigen südländischen Nachbarn lieben der Geschmack kleiner Singvögelchen. Selbst hier gehören Wachteln in die Speisekarte jedes angesehenen Gourmet-Restaurants. Phillipinos schlürfen rohe, halbausgeschlüpfte Vogeleier aus und ergötzen sich an den rosafarbenen Embryos. Empfinden sie Ekel? Sind Sie auch nur einen Deut besser? In deutschen Supermärkten liegt seit einiger Zeit Straußenfleisch in den Kühltheken. Hasen, Kaninchen, Rehe, Hirsche und Wildschweine werden gejagt, weil der Schnaps am besten zum Wildbraten passt! Sogar Kängurufleisch ist problemlos zu bekommen. Und wann müssen unsere Hauskatzen um ihr Leben fürchten? Wann gibt es Wellensittiche als leckere Vorspeise? Wann wird Meerschweinchengulasch angeboten? Wie lange dauert es noch, bis unsere Lebensmittelindustrie Bellos, Hassos und Wauwis zu Salami verarbeitet?

Essen Sie gerne Tütensuppen? Ich meine diese Suppen, die zu 98 Prozent aus Chemikalien und Geschmacksverstärkern bestehen und die zu 2 Prozent irgendwelche tierischen Substanzen beinhalten? Lesen sie doch einmal auf der Rückseite einer solchen Packung, was Sie zu sich nehmen wollen! In Champignon-Cremesuppen finden Sie plötzlich Rindfleischextrakte! In Nudelsuppen verkümmern getrocknete Schweinefette. Selbst in Tomatensuppen schwimmen undefinierbare Innereien ermordeter Kälbchen...

Kommt einem nicht das Kotzen, wenn man darüber nachdenkt? Worin unterscheiden wir zivilisierten Menschen uns eigentlich noch von vergessenen Naturvölkern, die Würmer, Spinnen und andere Insekten verschlingen? Ist nicht die nächste Stufe der Perversion, dass wir Appetit darauf bekommen, uns gegenseitig anzuknabbern? Vielleicht sieht ja der Nachbar ganz lecker aus? Dürfte es eventuell ein Beinchen von der hübschen Blonden da hinten sein? Heute ist Haxe vom Kerl im Angebot! Wünschen sie noch etwas Hinterschinken von einem ganz zarten Fünftklässler?

Nein? Doch lieber das Stück summa cum laude Brägenwurst?

Jetzt aber mal ganz ernsthaft:

So kann und darf es einfach nicht weitergehen! Als Industrieller habe ich schließlich eine gewisse Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit. Dieser Verantwortung bin ich mir sehr bewusst! Es gehört zu meinen Pflichten und Aufgaben, den Verbraucher auf Alternativen hinzuweisen, die er sich erstens leisten und zweitens schmecken lassen kann!

Aus diesem Grund habe ich keine Kosten und mühen gescheut, Ihnen hier und heute mein neuartiges wohlschmeckendes Fertiggericht vorzustellen! Obwohl es kaum Kalorien hat, mundet es vorzüglich. Außerdem können Sie es bedenkenlos einfrieren, um bei Bedarf ein phantastisches Mahl zubereiten zu können!

Wenn Sie JETZT bestellen, bekommen Sie sogar gratis ein von mir geschriebenes Kochbuch dazu! Und? Wie viel Pfund von meinem selbstgejagten

Eichhörnchenragout

darf ich Ihnen zuschicken?

Wenn wir eines Tages WIRKLICH wissen, was wir essen, erübrigen sich solche Geschichten vielleicht. Leider befürchte ich, dass bis dahin noch viele Geschichten geschrieben werden müssen...Klaus-D. Heid, Anmerkung zur Geschichte

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