Meike Schäfer

Alvarez-Der Schwur-18.Kapitel-Der Abschied-S.337-345

Zuerst dachte ich sie würde scherzen, aber als ich mich umdrehte, standen Emma und Sam hinter uns.
Emma sah besorgt drein. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
Ich verdrehte die Augen. „Wie oft hast du mich das in letzter Zeit gefragt!“
Victoria trug das erste Mal seit langem wieder Schuhe mit Absatz. Das erkannte ich, indem sie sich mir mit lauten Schritten näherte.
„Für eine echte Freundin ist dieser Satz einer er wichtigsten, den sie im Bezug auf ihre Freundin kennt.“
Und da wurde es mir erst klar. Seit Emma wusste, dass ich von der Abstammung her etwas anders als die anderen war, drehte sich bei ihr alles um mich. Allen die mich im Moment umkreisten, ging es jetzt um mich. Sogar dem Direktor war ich scheinbar wichtig, obwohl die Schule nur sein Beruf war und ich nochmal eine von fünfhundert Schülern war. Zwei wussten überhaupt nichts von meinem Schicksal. Zwei wussten von der Legende und der Geschichte dahinter und eine wusste nur von meinem einen Schicksal, das nicht den Tod brachte. Das Eis auf meiner Haut schmolz und rann über meinen Körper. Dies war das erste Mal seit langem, dass ich wirkliche Gefühle zuließ. Eine der schmerzhaftesten Erfahrungen überhaupt, denn meine Gefühle öffneten sich nicht nur in Betracht auf die Personen, die in meiner Reichweite waren.
Tränenüberströmt rannte ich Emma in die Arme und hielt sie so fest wie es nur ging. Im Hintergrund spürte ich Sams Hand auf meinem Rücken. Emma versuchte mich nicht zu beruhigen. Vielleicht freute es sie, dass ich nicht wieder einfach nur sagte, dass mit mir alles in Ordnung sei.
Ich löste mich von ihr und Sam und sah beiden direkt in die Augen. „Es tut mir so leid.“ „Was tut dir leid?“, wollte Sam wissen.
Er wusste ja noch nicht einmal, was mit mir und meiner Mom los war. Emma konnte es sich denken aber es ging hier letzten Endes darum, dass ich die beiden für eine längere Zeit verlassen würde, und dass ich es nicht übers Herz brachte, es ihnen zu sagen. Ich würde mich zwar von ihnen verabschieden aber dann nur für den nächsten Morgen. Spätestens morgen Nachmittag würde sich Emma wundern, dass ich sie noch nicht angerufen habe. Sie würde zu Victoria fahren und erfahren, dass ich mich auf einem anderen Kontinent befinde und erst, wenn keine Gefahr mehr droht zurückkomme. Sam würde es von ihr dann spätestens übermorgen in der Schule erfahren. Sie beide würden alles ausprobieren, um mit mir wieder Kontakt zu bekommen aber vergebens. Niemand der beiden könnte mich finden. Dabei lebte ich immer noch.
„Das kann ich nicht sagen.“
Mr. Raycolme war in sein Büro zurückgekehrt. Zum Glück.
Es klingelte zur fünften Stunde. Sam nahm Emma an der Hand und wollte auch nach meiner greifen, aber ich wich zurück. Geschockt sah Emma in die ganze Runde, außer Sam. Sie versuchte eine Antwort aus Kyrans und Victorias Augen zu lesen aber es half nichts.
Dann sah sie mich an. Ihre Augen wurden rot. „Was ist hier eigentlich los“, flüsterte sie knapp, aber ich schüttelte nur den Kopf.
„Du wolltest immer wissen, ob mit mir alles in Ordnung ist. Ich habe dich immer angelogen. Hier kommt meine ehrlichste Antwort seit Tagen. Mit mir ist nichts in Ordnung.“
Nun fing sie auch leicht an zu weinen. Das hatte ich mir nicht für sie gewünscht aber es war schön gewesen, zu wissen, dass man emotional nicht allein war.
„Und was heißt das!“ Ich sah ihr an, wie sie mit mir mitlitt.
„Das ich gehen muss.“
Jetzt mischte sich Sam nochmal ein, was ich schön fand, denn auf diese Weise konnte ich noch einmal mit ihm sprechen, ohne dass ich ihn ansprechen musste.
„Was heißt das? Wieso gehst du und wohin gehst du?“
Victoria ging an mir vorbei, den Schülermengen, die sich durch die Eingangshalle zwängten entgegen.
„Das wird mir hier alles zu viel. Ich warte im Auto auf euch.“
„Euch!“, wutendbrand drehte sich Sam zu Kyran, da er der einzige aus der Gruppe war, der für euch in Frage kam. „Was hast du denn mit der ganzen Sache zutun!“
„Nichts“, antwortete ich an Kyrans Stelle. „Er kann für all das am wenigsten aber er kann mir helfen. Deshalb wäre ich dir sehr dankbar, wenn du ihn ganz lassen würdest.“
Die Situation wurde immer angespannter. Ich musste einen Schlussstrich ziehen und dieser war gekommen, als Jeannie Gandhi um die nächste Ecke kam und mich besorgt musterte. Ich wusste, dass sie mich noch von früher kannte.
„Katrin! Geht es dir nicht gut? Was ist mit deinem Gesicht passiert?“
Ich machte eine Handbewegung, mit der Kyran zu mir kam. „Es ist Zeit zu gehen“, sagte ich ihm.
Das letzte was ich Emma sagte, war das, was ich eigentlich schon früher hätte tun sollen und zwar selbstständig. „Bitte erzähl Sam alles von mir!“
Sie nickte nicht sondern starrte mich nur an. Mit einem letzten Blick auf sie, drückte mich Kyran von hinten sanft voran durch die Massen von Schülern, die sich noch in der Eingangshalle befanden.
Ich hatte nicht darauf geachtet, wie viele Schüler sich nach dem Klingeln um uns versammelt hatten. Mir war es auch egal gewesen. Zumindest konnte man mir jetzt aufgrund meines Anblickes abkaufen, dass mich der Zwischenfall mit Simon doch Nerven gekostet hatte, die jetzt angeblich fehlten. Ich wusste nur, dass ich aus der Schule raus wollte.
Meine nächsten Stunden teilte ich mir in drei Abschnitte ein. Der erste Abschnitt, in dem ich mich jetzt befand, war die Vergangenheit. Der zweite Abschnitt war eine kleine Zwischenpause und der dritte ein kleiner Funke meiner Zukunft. Meine Vergangenheit wurde automatisch mit dem Verlassen der Schule beendet. Die Zwischenpause war der Weg von Victorias Auto zu meinem neuen Zuhause auf Teilzeit. Der kleine Funke meiner Zukunft würde beginnen, wenn ich mein neues Zuhause erreicht hätte.
Mit fünfzehn Stufen lag meine Vergangenheit hinter mir. Auch wenn ich so sehr zu Sam und Emma wollte hatte ich Angst, dass sie mir folgen könnten und mich versuchen zum Bleiben zu überreden. Aber zum Glück kam hinter uns niemand mehr raus.
Victoria saß schon im Auto. Kyran wies auf sie, dass ich bei ihr einsteigen sollte und stieg selbst in sein Auto, um uns zu meinem noch Zuhause zu folgen.
Victoria hörte Klassik im Radio. Das passte ja super zu meiner Situation!
„Such dir aus was du hören willst“, meinte sie und ich sah sie ungläubig an.
Wenn ich ansonsten etwas anderes hören wollte, hatte sie immer sofort energisch reagiert. Aber ihre paar Wörter überzeugten mich noch nicht. Ich ging lieber auf Nummer sicher. „Ich meine es ernst Katrin. Du hast gerade deinen Freunden für lange Zeit tschüss gesagt und weißt nicht was dich bald noch erwarten wird. Du bist fertig mit den Nerven, das sehe ich dir an und auch jeder andere. Was willst du dann bitte mit so einer öden klassischen Musik, auch wenn ich sie liebe. Ich bleibe dabei, such dir was aus was dir gefällt und auch die Lautstärke ist mir jetzt egal. Nur würde ich mich beeilen, sonst sind wir nämlich schon Zuhause.“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich wählte eine Rocknummer von Golden Veil und setzte die Lautstärke einigermaßen hoch an. Schon bei dem anfänglichen Lärm imitierte Victoria einen Schlagzeuger und sang mit, natürlich bewegte sie nur ihren Mund.
Ich lachte und schloss die Augen bis wir da waren.
Das erste Mal seit langem, entspannte mich mein Traum. Obwohl ich nicht wirklich schlief. Ich hatte meine Augen zugemacht und hörte im Hintergrund Autos die an uns vorbeifuhren. Jedoch sehr langsam, da Glatteis herrschte. Ich vernahm die Geräusche, das Quietschen der Reifen aber nur hauchdünn, wie durch Ohrschützer. Ich vernahm alles um mich herum real aber es schwamm an mir vorbei, und ich kümmerte mich nicht darum sondern blickte einfach nur nach vorne in das Nichts. Es fühlte sich zu schön um wahr zu sein an, alle Last von sich fallen zu lassen, aber es war wirklich zu schön um wahr zu sein. Denn es war nicht wahr.
Als meine Mom mich sanft aufrüttelte blinzelte ich durch die Fensterscheiben in einen übernatürlichen Nebel. Ich wusste nicht wo ich war. Das Gefühl der Panik ließ mich erst richtig wach werden und der Nebel hatte sich vollständig aufgelöst um das zu entblößen, was er vorher verbarg. Ich sah vor mir ein schwarzes, leicht mitgenommenes Auto stehen, vor einem grünen, aus Bäumen, Hecken und einer gepflegten Wiese bestehenden Hintergrund.
Dann schaute ich in Fahrtrichtung und sah unser Haus vor mir.
Kyran war dabei mir die Tür aufzuschließen. Victoria saß mit offener Tür neben mir und wartete, bis ich wieder voll und ganz bei der Sache war.
„Na, komm schon“, flüsterte sie mir zu und stieg aus dem Auto.
Leicht mitgenommen folgte ich ihr ins Haus. Als ich reinkam befand sich niemand in Sichtweite. Aber nach wenigen Augenblicken hörte ich von oben Gepolter. Mit einem schnellen Blick auf Victoria machte ich mich die Treppe hoch in mein Zimmer, dessen Tür schon aufstand. Als ich es betrat befand sich Kyran auf meinem Bett und hatte das Foto von Emma, Sam und mir vom Nachttisch genommen.
Noch nie etwas von Privatsphäre gehört?
Ich räusperte mich um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er bewegte nur seine Augen kurz zu mir und wieder auf das Bild. Das gleiche Gesicht hatte ich immer, wenn ich nicht von einer Sache abgelenkt werden wollte und alles um mich herum so gut wie möglich versuchte zu ignorieren.
Ein Lächeln glitt ihm über die Lippen.
„Ein schönes Bild“, sagte Kyran und stellte es wieder zurück an seinen Platz.
Dann sah er mich an und tippte mit seinem Finger auf den noch freien Platz auf dem Bett neben ihm. Ohne zu zögern setzte ich mich und er redete weiter.
„Da scheinst du sehr glücklich gewesen zu sein.“ Ich nickte. Er ging in die Offensive. „Wärst du da auch so glücklich gewesen, wenn man dir einige Minuten bevor das Bild gemacht wurde gesagt hätte, was dich einmal erwarten wird?“
Ich konnte es nicht sagen. Vor einem halben Jahr hatte ich ganz normale Probleme wie jeder andere auch. Schule, Freunde und Familie, wenn auch ein kleines Geheimnis mit mir lebte. Aber wahrscheinlich, hätte mir das jemand gesagt, hätte ich es aufregend gefunden oder ich wäre mir nur albern vorgekommen.
Auch wenn ich nicht mehr an ihn denken wollte, aber Matt hatte damals recht gehabt. Ich fragte mich die ganze Zeit, wieso ich ihm vertrauen musste um alles zu verstehen. Dabei wäre es ohne Vertrauen gar nicht möglich gewesen. Denn er war mir fremd gewesen und ich wusste nichts über ihn, also hätte er mir auch Dinge erzählen können die gar nicht stimmten. Ich glaubte ihm, weil er mir alles von sich zeigte und alle Fäden logisch zusammenfädelte. Einem Fremden hätte ich das sicher nicht geglaubt und wenn, nicht wirklich beachtet. Denn nur zu sagen, jemand wolle mich töten, klang harmloser als Stück für Stück alle Hintergründe zu erfahren, warum er das tun wollte.
Ich hatte meine Meinung geändert.
Ich konnte es sagen aber nicht genau.
„Ja, das wäre ich wahrscheinlich. Ich hätte mir dabei sicher nichts gedacht.“
Kyran rieb sich die Hände und stand auf. Die zwei Sätze hatten ihm wohl gereicht, sonst wäre er sicher noch weiter auf das Thema eingegangen. Stattdessen ging er langsam durch mein Zimmer und musterte nachdenklich den Inhalt.
„Ich wollte schon immer wissen, wo mein Bruder seine Zeit verbracht hat.“
Musste er jetzt auch noch mit Matt anfangen? Er kam nicht wieder! Das war uns allen klar, auch wenn es gewisse Personen noch hofften aber es würde nie mehr der Fall sein! Warum mussten dann immer alle mit ihm anfangen, wo ich ihn doch aus meinem Leben verbannen wollte. Es war in meiner gedanklichen Eigen-Therapie nicht gut, immer wieder an ihn erinnert zu werden um ihn zu vergessen. Dabei war er erst gestern gegangen. Er war noch nicht mal einen Tag fort und für mich fühlte es sich schon wie eine Ewigkeit an. Kurz und schmerzlos war für mich schon zu spät. Von lang und qualvoll konnte jetzt eher die Rede sein.
Wütend, dass Kyran wieder die Erinnerung an seinen Bruder in mir vorgeholt hatte, funkelte ich ihn an. Das war aber eigentlich nicht nötig, denn schon als er in seinem Satz seinen Bruder erwähnt hatte, merkte er dass es ein unbeabsichtigter Fehler war und brachte den Rest des Satzes nur noch knapp rüber.
„Sorry wegen der zweiten männlichen Person, die meine Eltern neben mir gezeugt haben. Ich verspreche dir nur noch in nötigen Situationen mit dir über diese männliche Person zu reden“, entschuldigte er sich und machte schnell meinen Schrank auf. „Hast du schon alles gepackt?“
Ich ging zum Regal und machte alle Schubladen auf. Dann nahm ich eine kleinere Kiste und machte mich daran den Inhalt jeder Schublade darin zu verstauen.
„Ich muss noch das Regal leerkriegen. Könntest du bitte die restlichen Klamotten aus dem Schrank nehmen und sie in den Koffer legen, der unten links im Schrank steht.“
Ich bekam von Kyran keine Antwort, aber ich hörte meine Kleiderbügel gegen die Metallstange stoßen und das hieß, die Hälfte der Sachen war schon von der Stange. Als das Regal vollständig leer war machte ich die Kiste zu und stellte sie vor die Tür. Als ich mich umdrehte und zu Kyran schaute traf mich der Schlag. Auf meinem Bett lagen ordentlich zusammengelegte Oberteile und Hosen. Daneben lag der offene Koffer in dem er die Klamotten sorgfältig bettete. Ich würde nie in meinem Leben so perfekt zusammenfalten können. Während er den Koffer füllte, traf sein Blick auf mich.
„Ich hoffe die Weise wie ich mit deinen Sachen umgehe ist ok für dich.“
Ich kam näher. „Wo hast du gelernt so gut zu falten?“
Er grinste. „Wenn einem mit der Zeit langweilig wird, ist man bereit für neue Erfahrungen. Du wirst lachen. Meine Mom hat mir, um mich dafür zu begeistern, erzählt, dass die Frauen sowas mögen.“
Ich grinste. „Da hat sie nicht ganz unrecht. Schließlich haben wir dann ein Problem weniger.“
Mit seiner Arbeit war ich mehr als zufrieden, aber wenn ich genau hinsah, fehlte da etwas. „Wo ist meine Unterwäsche?“
Er winkte zum Schrank. „Einige würden das sicher machen, aber ich finde das nur widerlich. Ich hab sie extra nicht angerührt. Ein wenig Privatsphäre ist ja auch nicht schlecht.“ Als er mit dem Koffer fertig war, schauten wir uns wieder an und er verstand was ich meinte. „Schon gut.“
Er ging an mir vorbei und nahm den fertigen Koffer und die Kiste.
„Kümmere du dich in Ruhe um deine Unterwäsche. Ich bring die beiden schon mal runter.“
Ich nickte und räumte den Rest des Schranks aus bis alles im Koffer war und ich ihn mit Mühe zubekam. Kyran hatte alles so klein und dünn wie möglich zusammengefaltet und das war auch gut so. Hätte ich alles rein geschmissen, säße ich hier bestimmt noch bis morgen fest um den Koffer zuzukriegen.
Als Kyran wiederkam, stand der Koffer schon vor der Tür, und ich lag ausgebreitet mit dem Rücken auf meinem Bett. Das Bett wackelte etwas, dann konnte ich seinen Atem neben mir spüren.
„Was ist los Katrin“, flüsterte er.
„Ich habe meine besten Freunde verloren.“
„Ich habe meinen Bruder verloren.“
Und Victoria hatte Anthony verloren. Alle verloren etwas nur um mir etwas zu schenken. Mein Leben. Hätte ich diese Gedanken jetzt gesagt, hätte mich Kyran sicher angeschrien, ich solle mich nicht so anstellen. Aber wie stellte man sich denn an, wenn alle für einen Opfer brachten? Einfach danke sagen und geradeaus weitergehen? Nein! So hatte mich Victoria nicht erzogen, und so war ich auch nicht. Bisher war der einzige Mensch für den ich relativ kein Verständnis zeigte, Simon. Vielleicht auch David, Sams Bruder, aber seine Hintergründe waren ja schon entlarvt. Das war das erste Mal gewesen, dass ich jemanden zu Unrecht beschuldigt hatte. Aber dass Sam mir so lange die eigentliche Situation zwischen den beiden verschwiegen hatte, konnte ich ihm als letztes übel nehmen. Schließlich erzählte ich ihm nichts von mir.
Im letzten halben Jahr waren so viele Sachen passiert, die man vielleicht, wenn man Erwachsen wäre, hätte verarbeiten können, würden sie sich auf die achtzehn Jahre aufteilen. Ich genoss es einfach nichts zu tun und neben Kyran zu liegen, der mir heute mal keine Anweisungen gab, sondern mir einfach nur zuhörte. Niemand war jetzt perfekter als er. Victoria hätte mit ihren Sorgen um mich angefangen, Emma war nie so still auf so einen Zeitraum und Sam hätte mich nicht verstanden.
„Danke, dass du hier bist Kyran“, sagte ich trocken und dachte an die Wörter, die er mir sicher gleich sagen würde. „Obwohl es ja dein Beruf ist.“
Ich zuckte zusammen als das Bett wieder anfing leicht zu wackeln.
Sein Kopf beugte sich über mich. „Es ist nicht mein Beruf. Es ist meine Berufung.“
Gefühlte Stunden starrten wir uns an. Ich bekam etwas Panik da ich nicht wusste, was gleich passieren würde. Doch dann griff er nach meiner Hand und zog mich mit Schwung zu sich.
Er lächelte. „Für einen Moment hatte ich bei dir dasselbe Gefühl wie damals bei Shaynia, als sie wieder zu uns kam. Sie hat es bis heute überlebt und das wirst du auch.“ Ich lächelte mit aber nicht aus dem gleichen Grund wie er.
„Danke, dass du so an mich glaubst, aber ich befürchte, so lange wie ihr werde ich es nicht mehr schaffen. Mein Herz ist nicht unsterblich.“
Er stand auf und nahm den Koffer. Ich folgte ihm die Treppe hinunter bis er ihn neben der Haustür platzierte.
„Manchmal entwickelt es sich auch während der Pubertät.“
Ich bezweifelte, dass er das ernst meinte, aber den brauchte ich im Moment.
„Ist das dein Ernst“, wollte ich misstrauisch wissen.
Mir war klar, dass er das nur sagte um mich aufzuheitern.
„Warum nicht? Wäre doch möglich.“
Bei Kyran war alles möglich. Alles bis auf, dass ein Vampir ohne Kopf leben konnte. Nach meinen Informationen her war das aber auch eher unwahrscheinlich.
Auf einmal ging alles ganz schnell. Victoria meinte, ich solle mich einfach vor die Tür stellen. Das tat ich auch aber nicht freiwillig. Ich brauchte irgendeine Beschäftigung. Ein größeres Auto hielt vor unserer Einfahrt, mit einem großen Hänger dran, der von einer Plane überzogen war. Charlene und Shaynia kletterten heraus und zogen die Plane ab. Dann hieß es nur noch, alle Koffer und Kisten, die ich gepackt hatte, dort rauf zu befördern. Als alles an seinem Platz war, half Kyran mit, die Plane wieder fest drüber zuziehen und gab ein Zeichen von sich, dass alles soweit fertig war.
Die Verabschiedung von meiner Mom verlief sehr kurz. Wir umarmten uns nur einmal, dann musste ich auch schon hinten einsteigen. Neben mir nahm Shaynia Platz, am Steuer Kyran und vor mir Charlene. Ich wusste, dass es für mich das Beste war, den Abschied so kurz und schmerzlos wie möglich zu machen, aber es war auch sehr schwer. Vor allem, als wir losfuhren und ich ihr noch, bis wir die Straße verließen, hinterher winkte. Aber ich wusste auch genau, dass das einzige, was ich jetzt tun konnte war, nicht mehr zu denken. Einfach alles an sich vorbeigleiten zu lassen, auch wenn es schwerfiel. Aber irgendwie funktionierte es. Mit leerem Blick schaute ich aus dem Fenster.
Das letzte Schild, das ich noch richtig wahrnahm, war das von Warden Springs.
Ich holte aus meiner Tasche das Buch von Egon heraus und fing an, die erste Seite zu lesen. Sie bestand aus einem kleinen Spruch mit dem Namen des Verfassers. Doch schon, als ich es gelesen hatte, klappte ich es wieder zu und steckte es sofort wieder in meine Tasche, darauf achtend, dass niemand anderes aus dem Auto es sehen konnte.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Dieser Spruch war kein normaler Spruch. Der Schwur von Theodore haftete schwarz auf weiß auf dem alten Papier und war unterzeichnet mit seinem vollständigen Namen.
 
            „Ich werde nie wieder zulassen, dass sich ein solches Geschöpf unter uns wagt.“
            Theodore Luc Draca Everett von Alvarez

 

Das war der erste Teil der Alvarez-Reihe.
Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr hattet Spaß am Lesen :)

LG Meike ;)
Meike Schäfer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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