Andreas Rüdig
Die Schönheitsoperation
Das Badezimmer ist das letzte Rückzugsgebiet, das dem Mann noch geblieben ist. Dort sieht er sich jeden Tag morgens auf`s Neue im Spiegel. Sieht er schon präsentabel oder noch verschlafen-zerknautscht aus? Hier beginnt also die tägliche Schönheitspflege.
Auch das Bad am Wochenende findet im Badezimmer statt. Sind Badesalz und Duftstoffe eingelassen und stehen Seife und Quietschentchen bereit, kann das samstägliche Vergnügen beginnen.
Doch vor einigen Tagen packte mich das Entsetzen. Ich werde alt. Und häßlich. Und nicht mehr begehrenswert. Trotz aller Hautpflege haben sich Tränensäcke, Falten, Pickel und andere Hautverunreinigungen gebildet. Auch die Gesichtsbehaarung ist so hart geworden, daß ich sie nicht mehr rasiert bekomme.
Ich muß etwas dagegen unternehmen. Der Besuch beim Kosmetiker lohnt sich nicht mehr. "Sie sind ein hoffnungsloser Fall," hat mein Haus-und-Hof-Kosmetiker gesagt. "Ich kennen niemanden, der so eitel ist wie Sie. Finden Sie sich doch damit ab, daß Sie 70 Jahre alt und kein begehrenswerter KErl mehr sind!"
Was man sich in meinem Alter nicht alles sagen lassen muß! Also habe ich mich gestern beim Schönheitschirurgen in seiner Privatklinik angemeldet. Er wichh mich mit Schnibbeln und Saugen verjüngen und verschönern. Für 75.000 Deutschmark bin ich dann wieder ein attraktiver junger, schöner Mann. Ein Spottpreis, nicht wahr? Es sei gut, daß ich schon einen Glatzenansatz habe, sagt er. So müsse man nicht mein schönes volles Haupthaar entfernen.
Fehlschlag! Meine Operation war ein Fehlschlag. Kaum waren die Verbände abgenommen, schaute ich auch schon in den Spiegel. Und muß feststellen, daß meine Haut bröckelig aussah und viele Risse aufwies.
"Was haben Sie mit mir gemacht?" begehrte ich von dem operierenden Arzt wissen. "Der erste Teil der Operation ist eigentlich ganz gut gelungen," hielt der Mediziner mir entgegen. "Wir mußten erst einmal die Haut reinigen. Barthaare, Schorf, Pickel und Hornhaut mußten wir mit einem speziellen Schönheitsoperationshobel entfernen. Bei Ihnen, mein Herr, gab es dummerweise ein paar Hautirritationen. Zum Glück war das Bindegewebe von dem reichhaltigen, üppigen Essen, daß Sie regelmäßig zu sich genommen haben, sehr fettangereichert. Zusammen mit den Ihnen verabreichten Hautcremes hat dieses Fettgewerbe die Hautirritationen beseitigt."
Na gut. Und wie geht es nun weiter? "Kommen Sie mit..." forderte mich der Mediziner auf, nachdem ich mir das Gesicht gereinigt hatte. Er führte mich zu einem Maskenbildner, der sich mit einem Kosmetiker zusammengetan hatte.
Der Maskenbildner machte ein paar Fotos von meinem Antlitz. Innerhalb eines Tages schaffte er es, ein detailgetreues und natürlich wirkendes Modell meines Kopfes zu schaffen. Es dauerte dann nur noch ein paar Stunden, eine Kopie davon anzufertigen. Sie zeigt mich in meinem Idealzustand.
In Zusammenarbeit mit einem Friseur soll dann der Kosmetiker und Visagist einen neuen Menschen aus mir machen. Ich bin schon richtig darauf gespannt, ob ich dann auf die holde Weiblichkeit losgelassen werden kann.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.08.2015.
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