Christa Astl

Gib mir die Hand...



 
Einander die Hand reichen, Hand in Hand gehen, an der Hand führen, die Hand halten, die Hände ausstrecken, mit leeren Händen dastehen,... oft nur banale Redewendungen, diese Gesten aber begleiten uns ein Leben lang.
Eine Hand kann so viel aussagen. Sie kann trösten, stützen, beschützen, leiten, führen, aber auch loslassen, sogar wegstoßen, viel zu wenig werden diese feinen Nuancen der berührenden Nähe bewusst erkannt.
Das neugeborene Kind wird hochgehalten, in den Arm genommen, zärtlich gewiegt, gestreichelt, bald schon streckt es selber die Ärmchen aus, will auch halten, ergreift alles, was in Reichweite sich befindet, betastet und untersucht es.
Etwas größer geworden, wenn es schon auf Händen und Knien durchs Zimmer krabbelt, nimmt es die dargereichte Hand, um sich daran hochzuziehen. Es will dann gehalten, geführt werden. An der Hand geführt begleitet es unsere Wege, vertrauensvoll sich festhaltend wagt es sich in das Gedränge der Menschen, denn es hat die Unterstützung eines großen, starken Erwachsenen, der es vor aller Gefahr beschützt.
Das Kind lernt, bei einer Begrüßung die Hand zu geben, es lernt nun auch zu umarmen und umarmt zu werden. Das sind Zeichen des Vertrauens anderen Menschen gegenüber. Wehe es wird missbraucht! Wie viel Schaden kann dadurch in einer kindlichen Seele angerichtet werden!
Das liebevolle, mitziehende Halten allerdings ist ein Mitnehmen, mit sich, zu sich, die Einladung zum Teilnehmen, Mitmachen, das gleichzeitig auch vermittelt, du bist nicht allein, falls dieses Mitmachen ein erster Versuch sein sollte, in eine Gemeinschaft einzutreten.
Das Handhalten als Zeichen der Zugehörigkeit, einer ersten Intimität, eine zärtliche Berührung, ein Streicheln, Erkunden des anderen Körpers in der Pubertät bis hin zur intimsten Nähe in der Liebe.
Und dann kommt plötzlich die Umkehrung. Allein, die Hände im Schoß verschränkt, um sich selber zu halten...? Der alte Mensch braucht nun selber eine helfende, stützende Hand. Gibt es sie, ist eine solche da? Das Gehaltenwerden beim Überqueren der Straße, beim Ein- und Aussteigen in die Straßenbahn oder aus dem Bus ist eine anonyme Berührung, die vielleicht nur mit einem Danke quittiert wird, vielleicht aber auch wirklich anrühren kann. Ähnlich, wenn man sich auf längeren Strecken, oder im steileren Gelände auf jemanden stützen darf, sich am dargebotenen Arm festhalten kann. Diese Berührung kann übergreifend als schön erlebt werden, ebenso wie das Halten beim Tanz.
Immer wichtiger wird im Alter nun, Halt zu bekommen, sei es von einem Stock, vom Rollator, noch lieber aber von einem teilnahmsvollen Menschen. 
Und schließlich liegt dieser sehr alte oder kranke Mensch nur noch im Bett. Auch wenn er nun keine Stütze braucht, die Nähe einer Hand wird immer wichtiger. Sie vertreibt das Alleinsein, lässt spüren, da ist wer bei mir.
Das ist das Letzte, was man noch tun kann: am Bett sitzen, die Hand halten, bis sie sich plötzlich löst und der Mensch allein das andere Reich betritt.
 
 
ChA 16.10. 15
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.10.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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