„Mama, Mama, guck, was ich hier gefunden habe!“
Stolz hielt die kleine Elfriede ihrer Mutter eine große Zwiebel entgegen. Sie hatte auf einem Haufen von Gartenabfällen am Feldweg gelegen.
„Können wir die gebrauchen? Sie ist noch nicht verschimmelt.“
„Ja, Kind, lass sie uns mit nach Hause nehmen. Dort wollen wir sie in einen Blumentopf pflanzen und sehen, was passiert.“
„Au ja, Mama!“
Lange Zeit passierte aber leider gar nichts, sehr zum Kummer von Elfriede.
Im Winter dann zeigte sich das erste Grün. Wie staunte das Mädchen, als es nicht die runden Halme einer Zwiebel wurden, sondern breitere Blattspitzen.
„Wann können wir das essen?“
„Gar nicht. Es ist giftig. Warte ab, was geschieht.“
Die Blätter wuchsen nur millimeterweise, aber in der Mitte bildete sich ein seltsamer Knoten, der jeden Tag einen längeren Stiel bekam. Bald teilte sich der Knoten in vier Abteilungen auf seinem schon recht hohen Stängel. Die Abteilungen teilten sich, jede auf einem dünneren eigenen Stiel.
„Ist das bald reif? Sind das neue Zwiebeln?“
„Nein, warte noch drei, vier Tage, dann wirst du ein Wunder sehen.“
Elfriede wich kaum noch vom Blumentopf.
Am ersten Tag hatte sie das Gefühl, dass eines der Teile einen rosa Schimmer bekam. Am zweiten Tag kam eine rote Spitze aus der grünen Hülle. Und am dritten Tag – endlich gegen Abend – war da eine wunderschöne rote Blüte, groß und strahlend.
„Mama, Mama, eine Blüte!“
„Ja, du hast damals die Zwiebel einer Amaryllis, so heißt die Blume, gefunden.
Jetzt dankt sie dir für ihre Rettung mit schönen Blüten.“
„Aber warum sind denn die Blätter so kurz geblieben?“
„Damit die Blüten um so schöner aussehen. Wenn sie verblüht sind, wachsen die Blätter weiter.“
Und wirklich, die Blätter wurden sehr hoch, bogen sich anmutig und zierten das Fensterbrett noch bis in den Herbst.
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.03.2016.
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