Engelbert Blabsreiter

Glück

Gnadenlos brennt die Sonne auf die dunkle Haut der sechs Jahre alten Samira. Geschickt treibt sie ein kleines Rad von einem uralten defekten Kinderwagen mit einem Stock barfüßig die staubige Straße entlang. Ein armseliges Flüchtlingslager im Herzen Afrikas ist ihre neue Heimat geworden nachdem die Ziegenherde ihrer Familie verdurstet war und ihre Eltern die Heimat verlassen mussten. Ihre vielen schwarzen und kunstvoll geflechteten Zöpfe flattern wie wild um ihren Kopf und sie vergisst im Spiel die Schmerzen die ihr Hunger und Durst seit Jahren zugefügt haben. Ihre strahlenden Augen und ein herzlich lautes Lachen lassen nur erahnen wie glücklich sie in diesem kurzen Moment der Ablenkung ist.

Etwa 7000km weiter östlich und zur selben Zeit steigt ein in eine weiße Dischdascha gekleideter Mann aus einer schwarzen Luxuslimousine um ein Gebäude zu besuchen. Ein Gebäude das mit 828m das höchste Gebäude der Welt ist und sich in seinem Besitz befindet. Er konnte das Gebäude bereits aus 100km Entfernung sehen und sein Streben das höchste Gebäude der Welt sein Eigen zu nennen hatte ihn eine Summe von umgerechnet vielen Milliarden Euro gekostet.  Als er mit einem der 57 Aufzüge in atemberaubenden Tempo die 500m zu seinem Büro in nur 55 Sekunden hochkatapultiert wird, ist er für einen kurzen Moment von einem unglaublich intensiven Glücksgefühl  und Genugtuung erfüllt. Oben angekommen plagen ihn allerdings gleich wieder die Sorgen und Nöte um den Erhalt seines wirtschaftlichen Imperiums.

Weitere 5500km östlich in einer Seitenstraße Neu Delhis wird im selben Moment ein Mann angefahren und bleibt bewegungslos am Straßenrand liegen. Der Fahrer des Fahrzeugs fährt mit unveränderter Geschwindigkeit einfach weiter und schert sich nicht um die Person die durch den Aufprall auf Motorhaube und Windschutzscheibe schwer verletzt wurde. Als Tagelöhner der niedrigsten Kaste der „Unberührbaren“, hatte das Unfallopfer glücklicherweise nach mehreren Monaten schwerer Arbeit die Summe von 30 Rupien zusammengespart. Er hatte erst vor ein paar Tagen damit eine Krankenversicherung für ein Jahr abgeschlossen. Als ein Anwohner den Rettungsdienst alarmierte und dieser die Versichertenkarte in einer seiner Taschen fand meinte er nur… „Mann hast du Glück gehabt dass du versichert bist“.

6700km nordwestlich knallen gerade die Korken von mehreren Sektflaschen in einem sündteuren Nobelhotel in London. Ein skrupelloser Investmentbanker verbuchte gerade einen Deal, der ihm eine Provision in unglaublicher Höhe garantierte. Dieses Glück will er jetzt mit all den beteiligten Kollegen ausgelassen und verschwenderisch feiern. Die durch das Geschäft beschlossene Freistellung von mehreren tausend Mitarbeitern der betroffenen Firmen trübt dabei sein Glücksgefühl in keiner Weise. Auch die Stimmung der anderen Feiernden ist dadurch nicht beeinträchtigt. Planen diese doch schon wieder den nächsten Deal, mit dem Anspruch einen noch größeren Gewinn zu erzielen und sich gegenseitig darin zu überbieten.

Gleichzeitig etwa 10000km südwestlich strahlt der Padre über das ganze Gesicht, als ein alter Zahnarztstuhl auf dem klapprigen Pritschenwagen um die letzte Straßenecke vor seiner Missionsstation in der Nähe von La Paz in Bolivien poltert. Er hat diesen Stuhl von seinen europäischen Freunden und Förderern geschenkt bekommen. Ein Kauf wäre viel zu teuer gewesen und er hätte dieses Geld von anderen genauso wichtigen Projekten abzweigen müssen. Der Stuhl war zur Zahnbehandlung mittelloser Bürger des bolivianischen Hochlands vorgesehen und wer schon einmal Zahnweh hatte kann ermessen wie wichtig dieser Stuhl für den Padre und seine Gemeinde ist. Er eröffnet ihm die Möglichkeit schmerzgeplagte Menschen von ihrer Pein zu befreien. Kaum steht der Stuhl auf seinem bereits vorbereiteten Platz, hat auch schon der erste Patient darauf Platz genommen. Der Padre befreit den Patienten im Beisein der  halben Gemeinde mit dem mitgelieferten Zahnarztbesteck von seinem kranken Zahn, denn ein Zahnarzt war in der ganzen Gegend nicht verfügbar. Unter dem Beifall der Gemeinde strahlt der Padre jetzt ein unglaubliches Glücksgefühl aus, das die ganze Gemeinde ansteckt. Hat er doch wieder einmal eine Möglichkeit gefunden, wie man viele Menschen dauerhaft glücklich machen kann.
Ein Glück das für alle Menschen erreichbar und auch nachhaltig ist.

Wer von ihnen wird wohl am glücklichsten sein ?

© 2016 Engelbert Blabsreiter


Wenn man bedenkt, dass nach neuesten genetischen Studien die Menschheit vor etwa 70 000 Jahren auf diesem Planeten aufgrund des Ausbruchs eines Supervulkans auf etwa 2000 menschliche Individuen reduziert wurde und alle heute lebenden Personen von dieser Gruppe abstammen ist es erstaunlich, dass wir in 70 000 Jahren Entwicklungsgeschichte nicht gelernt haben wie wir uns gegenseitig dauerhaft glücklich und zufrieden machen können.
Wir Menschen haben den Mond betreten, fliegen zu anderen Planeten, kommunizieren drahtlos über Kontinente hinweg und geben Unsummen dafür aus um uns technologisch weiterzuentwickeln. Wir produzieren jedes Jahr mehrere Millionen Fahrzeuge und Produkte jeglicher Art. Aber wir lernen nicht wie wir mit all diesen phantastischen Technologien dauerhaft für uns und unsere Umgebung einen Zustand produzieren können bei dem alle Menschen glücklich und zufrieden sein können. Wir schaffen es nicht einmal alle satt zu machen oder keinen Durst leiden zu müssen.
Stattdessen hat jedes Land Ministerien und Organisationen die sich nur darum kümmern wie man sich verteidigt oder andere Menschen umbringt und wie dieses perfektioniert werden kann. Menschen friedlicher Religionsgemeinschaften werden durch radikalisierte und fanatische Extremisten unterdrückt und ermordet.
In den Schulen lernen wir alle möglichen Dinge, aber nicht was wahres Glück und Zufriedenheit ist.
Glück, das für alle Menschen erreichbar und auch nachhaltig ist.
Engelbert Blabsreiter, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.03.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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