Ramadan

Hilfe! Am 6. Juni fängt wieder die vierwöchige Fastenzeit Ramadan an, und ausgerechnet im Sommer, wenn die Tage so lang und die Nächte so kurz sind.

Meiner Familie muss ich vor Sonnenaufgang ein Obst-Frühstück servieren, danach dürfen wir nichts mehr essen oder trinken bis nach dem Sonnenuntergang, wo ich ein ausgiebiges Abendessen servieren muss. Die Vorbereitungen sind auch sehr strapaziös. Ein großer Hausputz ist angesagt. Dann werden massenweise Lebensmittel eingekauft, denn wenn die große Hitze hier beginnt, bleiben alle lieber im klimatisierten Haus als sich im Stau zum Supermarkt zu begeben.

Ich bin Christin, aber kann es mir nicht erlauben, in Konfrontation zu meiner muslimischen Familie zu gehen und nicht zu fasten. Wer gegen den Koran verstößt, wird mit Schlägen bestraft. Eine Frau, die zu laut spricht oder den Sex verweigert, darf von ihrem Mann geschlagen werden. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist, heimlich zu essen, wenn ich großen Hunger habe.

Heute frage ich mich, warum ich damals nicht rechtzeitig abgehauen bin, bevor mein algerischer Vater mich mit einem seiner Verwandten zwangs -verheiratete, um die Ehre der Familie zu retten, denn ich war mit einem Deutschen verlobt und wollte ihn heiraten. - Mein Vater lockte uns in eine Falle, indem er uns eine prächtige Hochzeit in Algier vorgaukelte, doch bei unserer Ankunft nahm er mir sofort den Pass ab und ich wurde von meinem Freund getrennt. Ich war meinem Vater ausgeliefert.

Sein Lockvogel Angebot an mich war, im goldenen Käfig mit einem Muslim und vielen Kindern den Rest meines Lebens in Algerien zu verbringen. Ich brauchte keine Ausbildung, musste nicht arbeiten sondern durfte Hausfrau und gute Mutter sein. Schließlich willigte ich in die Heirat mit einem seiner Neffen ein.

Nach vier Kindern und langen Jahren im Exil fühle ich mich heute noch immer fremd. Auch die Sprache, eine Mischung aus Arabisch und Französisch habe ich nie richtig gelernt.

Die Zeit ist reif, dieses erz- konservative Land zu verlassen. Ich muss meine inzwischen erwachsenen Kinder und deren neu gegründete Familie, meine Enkel, aufgeben. Der Zwiespalt ist unendlich groß, denn auch sie sind keine echten Muslime geworden, müssen sich jedoch den strengen Sitten unterordnen.

Außerdem fehlt mir noch immer ein neuer deutscher Reisepass. Es erfordert viel Papierkram, nach so vielen Jahren die notwendigen Unterlagen aus Deutschland zu beschaffen, zumal meine Mutter inzwischen verstorben ist und ich keine direkten Verwandten mehr dort habe.

So werde ich auch dieses Jahr wieder mit zusammen gekniffenen Lippen den Ramadan über mich ergehen lassen müssen und heimlich das Fasten unterbrechen.

Wie lange noch? Ich will hier raus! So schnell wie möglich.

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