Chiara Fabiano

Die Schneekugelhändlerin - Prolog

Die Schneeflocken landeten auf ihrem braunen Haar, setzten sich auf ihre Nase und auf die Knie. Die Kälte drang sich in ihren Körper, doch sie fröstelte nicht. Überall könnte die Gefahr lauern, überall konnte sie getroffen werden. Eine kleine Bewegung könnte sie verraten, nur eine winzig kleine Bewegung und sie wäre gefunden. Sie verharrte in dieser Stellung hinter der alten Eiche, deren Äste vollständig mit Schnee und Frost belegt waren, und traute sich nicht hier fortzugehen. Schließlich wagte sie es… ein kleiner Schritt, der Schnee knarzte unter ihren Füßen. Sie wollte schon gehen und sich ein anderes Versteck suchen, da traf er sie. Ein Schneeball, so groß wie eine Handgranate traf sie mitten ins Gesicht und ließ seinen Werfer in hallendes Gelächter verfallen. „Ich wusste, ich würde dich finden!“. Sie schüttelte den Schnee von ihrer Kleidung und blickte ihr grimmig ins Gesicht. „Wer macht auch eine Schneeballschlacht im Schnee?! Ist doch ganz klar, dass der Schnee einen verrät“. Ihr Gegenüber find erneut an zu lachen. „Wo soll man denn sonst eine Schneeballschlacht machen, du Ochse?“, sie half ihr wieder aufzustehen und den Schnee abzuschütteln. „Ich finde Wasserschlachten im Sommer eh viel besser“. Einen Moment lang blickten sie einander an, dann begannen sie unter großen Gelächter zu laufen. „Wer zuerst am See ist hat gewonnen!“. Sie schlugen die Äste beiseite, Schnee rasselte ihnen ins Gesicht. Sie lief hinter der anderen her, spielend schubsten sie sich nach vorn. „Ich bin gleich schon da!“, schrie die eine. „Niemals, du lahmer Esel!“. Die Waldlichtung wurde übersichtlicher, Bäume und Äste weiteten sich. Einen Moment später fühlte sie das Eis unter ihren Füßen, zögerte jedoch. „Ich habe gewonnen!“, hallte es von der Mitte des Sees. „Na komm schon! Was verharrst du denn da so lange?“. Sie trat einen Schritt zurück. „Lieber nicht…“, schrie sie. Die andere hüpfte herum, streckte ihre Hand aus. „Na siehst du? Es wird uns beide tragen, die Eisschicht ist dick genug“. Sie mochte wahrscheinlich recht haben, und so ging sie Stück für Stück auf den eisernen See, um ihre Hand zu ergreifen. Auf einmal zog ein Knacken unter ihren Füßen durch die Eisschicht. Sie blieb stehen. „Hör auf zu hüpfen!“, schrie sie, „Bitte!“. Doch die andere hüpfte und hüpfte, wollte beweisen, dass die Eisschicht sie beide halten würde. Das knack wurde lauter, es zog weiter. „Siehst du das ist doch…“, ein Schrei stoppte ihre Worte. Mit einem Ruck krachte sie in das Eiskalte Wasser unter der Eisschicht des kleinen Sees. Angststarre erfüllte ihren Körper, durchzog die Knochen. Einen Moment lang erfüllte das Schreien des hilflosen Kindes die Stille, doch auf einmal hörte man nichts mehr. Eine quälende Stille bohrte sich in ihre Ohren. Hilfe holen… Sie musste Hilfe holen. Ihre schwachen Beine trugen sie zurück durch den Wald, in den großen Garten, bis ins Haus, wo ihre Mutter gerade den Braten vorbereitet. „Habt ihr wieder im Schnee gespielt?“, lachte die Mutter und blickte an ihr herab. Sie brach in Tränen aus, erzählte was passiert ist. Die Mutter, die Schüssel fallenlassend rief nach ihrem Mann. Zu zweit liefen sie los, durch den Garten, in den Wald, bis zu dem See, an dem bereits jeder Schrei verstummt war. Stille legte sich im Haus nieder, während sie da saß und dachte: „Das war meine Schwester.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.06.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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