Irene Beddies

Fluch des Mordens


 
Jedes Mal, wenn ich in meine Küche komme, ist der erste Blick der zum Fenster. Sind wieder neue Fliegen aus noch versteckten Larven gekrochen?
Zwar habe ich gestern das Nest gefunden, in dem sie ausgebrütet wurden: einen alten Lappen, mit dem ich vor Tagen mein Auto etwas gesäubert und den ich noch feucht in eine kleine Wanne im Abstellraum geworfen hatte.
 
Jetzt verfolgt mich der Anblick dieser Larven, in denen sich schon die fertigen Fliegen geregt hatten. In Gedanken tanzen sie mir auf dem glatten Küchenboden um die Füße. Nachdem ich sie erleichtert gründlich entsorgt hatte…kamen immer noch Fliegen an das Fenster, oft mehrere auf einmal. Wenn ich diese getötet hatte, kamen nach einer Stunde wieder neue. Sie waren noch wenig flugfähig und welterfahren, ließen sich also leicht erschlagen. Sicherlich hatten sie sich in irgendwelchen Ritzen verborgen gehalten.
 
Am Spätnachmittag ließ der Zustrom nach. Die letzte Fliege der Brut erschlug ich im Abenddämmer. Nun kommt der Horror, habe ich doch blindwütig gemordet.
 
Im Traum erblicke ich ein dunkles Rohr, das aus einer weißen Wand ragt. Aus ihm kommen, wie von einem Gebläse getrieben, in unaufhörlichem Strom Monsterfliegen auf mich zu und bedecken meinen Körper. Sie tun mir nichts, doch in ihrer Masse behindern sie jede Bewegung. Die Fliegenschicht wird dicker und dicker, ich kann schon kaum noch etwas sehen, und den Mund kann ich nicht öffnen aus Angst, sie zu verschlucken. Wollen sie mich lähmen und aushungern?
In der Küche wird es dunkler und dunkler, denn an die Fenster setzen sie sich auch in dichten Trauben. Da schlägt eine Macht zu, mit der ich nicht in meinem Blutrausch gerechnet hatte. Endzeitstimmung. Wer kann mich erlösen?
 
 
© I. Beddies


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.06.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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