Gaby Schumacher

Fitnesstraining zusätzlich ( Fliegen ist ja so schön, g)

Mein Flug nach Mallorca würde in einer Stunde starten. Bester Gesundheit und eben solcher Laune checke ich ein, denn mich erwarteten drei Wochen Faulenzen pur.
„Mal überhaupt kein Stress!“
Pünktlich werden die Passagiere aufgerufen und ich steige munter in die Maschine. Übers ganze Gesicht strahlend nimmt mich eine Stewardess in Empfang:
„Hallo und einen angenehmen Flug!“
Ich stutze. Irgendwie ist deren Lächeln fast zu charmant.
´Quatsch. Einbildung!`
Alle suchen ihre Plätze auf. Einige müssen feststellen, dass sich auf ihren Sesseln bereits Andere breitgemacht haben, selbstverständlich nur, um ihnen einen Gefallen zu erweisen und deren Sitzkomfort zu testen. Sie quittieren es mit ziemlich süßsaurer Miene. Platznummern werden verglichen, jene hilfsbereiten Mitmenschen verschwinden denn auffallend verunsicherter, gar nicht mehr so freundlicher Miene, stapfen durch den Mittelgang und lassen sich dann irgendwann erleichtert auf den eigenen Sitz fallen.
Bald sind alle Plätze besetzt. Doch der Strom der Passagiere versiegt keinesfalls.
„Irgendetwas stimmt hier nicht! - Stewardess?“
„Ja, bitte, wie kann ich Ihnen helfen?“
„All die Leute ... Wo sollen die denn noch sitzen?“
„Sitzen?“, fragt die junge Dame fröhlich zurück.
„Wiiee??“
„Sie haben Stehplätze gebucht!“
Ich glaube, mich verhört zu haben.
´Reisekoller! Du hast nen Reisekoller!`, denke ich und verkneife mir jede weitere Bemerkung dazu.
Bald herrscht im Mittelgang des Flugzeuges ein Gedränge wie in einer Sardinenbüchse:
„Ob das die Stehplätze sind? Hm!“
„Meine Damen und Herren. Willkommen an Bord. Bitte schnallen Sie sich jetzt an. Wir starten in wenigen Minuten.“
Ich hefte meinen Blick auf die Umstehenden:
„Wie sollen die denn ...?“
Mir fallen an den Seiten der Sessel so eigenartige Eisenringe auf, durch die lange Leinen gezogen sind. Und schon kämpft sich die Stewardess von Passagier zu Passagier durch, bindet ihnen die Leine um den Bauch und fesselt sie mit deren Ende an den Eisenring. So hübsch nebeneinander aufgereiht wie die Hühner auf der Stange verharren die Armen fast bewegungsunfähig auf dem Flecken. Damit sie es denn dennoch gemütlich haben, schiebt ihnen die Stewardess ein Sofakissen in den Rücken. Obendrauf kommt noch eine Nackenrolle zu liegen, falls sich einer der Passagiere zu einem Nickerchen entschließen sollte. Denn der Kunde ist ja König.
„Schlafen kann man bekanntlich sogar im Stehen!“, erinnere ich mich daran, dass ich früher mal nach einem anstrengenden Arbeitstag im Supermarkt vor der Kasse mit der Hand am Einkaufswagen ins Traumland entflohen bin. Es war ja nicht meine Schuld, dass die Kassiererin, eindeutig gleichfalls völlig erschöpft, ihre Arbeit gewissermaßen nur noch im Halbschlaf erledigte.
Doch nun startet die Maschine. Gespannt beobachte ich die aufgereihten Hühner:
´Donnerwetter! Echt sportlich!`
Brav, ohne umzukippen, stehen sie sich heldenhaft die Beine in den Bauch und loben sich deswegen gegenseitig. Gemeinsames Leid fördert bekanntlich die Sensibilität füreinander.
„Dauert ja nur ne gute Stunde!“, tröstet ein Kavalier eine neben ihm stehende Dame, die daraufhin noch gequälter lächelt als ohnehin schon. Die Minuten vergehen. Das gequälte Lächeln der Dame lächelt nicht mehr. Im Gegenteil scheint dieses weibliche Wesen einer Ohnmacht nahe zu sein. Bleich geworden röchelt es vor sich hin.
„Stewardess, schnell!“, ruft daraufhin der besagte Kavalier.
Bewaffnet mit einem Becher Cola mit Strohhalm eilt diese herbei, drückt der Dame den Becher in die Hand und den Strohhalm zwischen die Lippen:
„Trinken Sie!“
Die Hälfte des köstlichen Nasses tropft daneben und auf die schicke Bluse der Dame:
´Vielleicht braucht die ja auch ein Aufputschmittel!?`
Die Umnachtungskandidatin entkommt knapp der Gefahr des unfreiwilligen Schlafes, ist dann fix schon erheblich weniger blass und findet auch die Sprache wieder:
„So etwas ist mir noch nie geboten worden. Unerhört!“
´Stimmt, und das wirst`e mit Sicherheit nicht wieder vergessen!`, denke ich.
Während der restlichen Flugzeit schleppt die Stewardess unentwegt Becher plus Strohhalme hin und her und stopft mit den letzteren beleidigten oder auch wie in Trance schwankenden Passagieren den Mund. So bleiben ihr heftige Vorwürfe erspart und ihre Ohren genießen den Urlaub. Trotz dieser Hilfsaktionen bildet sich eine Beine-einknick-Formation. Offensichtlich hat die Fluggesellschaft die Standfestigkeit ihrer zahlreichen Könige bei weitem überschätzt. Selten habe ich einander fremde Menschen so innig vereint gesehen. Umschlungen hocken sie dort, den Kopf an die Schulter des Nebenmannes gelehnt.
Nach eingehender Beratung entschließen sich der besorgte Pilot und seine Mannschaft zu einer recht ungewöhnlichen, aber leider genauso unumgänglichen Rettungsaktion für all jene bemitleidenswerten Geschöpfe:
„Ohne tatkräftige Unterstützung kriegen wir die hier nie wieder raus!“
Praktischerweise sind die Betreffenden schon nicht mehr ganz von dieser Welt, werden also die geplante degradierende Aktion gar nicht registrieren. Kurz entschlossen stapeln sie die Jammerlappen oben auf die Gepäckberge, mit denen zusammen sie dann die Reise zu Laufbändern an der Gepäckausgabe antreten. Vorsichtig lbettet man sie auf diesen. Damit aber endet die liebevolle Rücksichtsnahme auf die einstigen Fluggäste. Zu Beginn der Rundfahrt an den auf ihre Koffer wartenden Leuten vorüber schnappen sich die Flugplatzangestellten, die das Gepäck aufs Laufband befördern, Eimer mit eiskaltem Wasser und spendieren den lebenden Flugleichen eine denn extrem schockierende Dusche. Vor lauter Schrecken quietschen diese auf wie abgestochene Schweine und werden urplötzlich wieder munter, sogar dermaßen putzmunter, dass sie in ungeahnter Sportlichkeit vom Laufband herunter und in die Senkrechte springen.
Mich wundert es überhaupt nicht, dass in den nachfolgenden Minuten vom Flugplatzpersonal weit und breit nichts mehr zu sehen ist ...
















 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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