Sven Eisenberger

Kämpfen? (2000)

„Ein Dank den zahlreichen Wahlhelfern und Wahlhelferinnen, die in der Landtagswahl toll gekämpft haben!“ - „Scheiß-Millionäre - Wir wollen euch kämpfen sehen, wir wollen euch kämpfen sehen!“ - „Ich liebe Dich, ich kämpfe um Dich!“
Beispiele dieser Art sind schnell gefunden, denn „das Kämpfen“ hat derzeit Hochkonjunktur. Alle kämpfen um, für oder gegen etwas oder jemanden: Eine Gesellschaft mit Kampfauftrag. Der Sozialdarwinist weiß: Wer nicht kämpft, geht unter. Wer´s tut, vielleicht auch, aber immerhin hat er oder sie wenigstens noch gekämpft. Vielleicht ein schwacher Trost für die Schwachen, q.s. jene, die tatsächlich kämpfen müssen, und das meistens auch noch gegeneinander, um dann schließlich doch zu verlieren; sonst wärn´s ja auch nicht die Schwachen - eine kleine Hommage an die grandiosen „Time Bandits“. Wenn aber nun auch noch die Starken bereits zu kämpfen beginnen für Arbeitsplätze, niedrigere Steuern, Freiheit und soziale Gerechtigkeit, dann wird das Leben allerdings so richtig ernst. Bei Motivationsschwäche empfehlen wir die Auswahl zwischen kategorischem Imperativ („Kämpfe so, daß Du wollen kannst...“), Gesellschaftsideal (Wann darf man eigentlich wieder „Volk“ sagen?) - stand der „Kampf aller gegen alle“ nicht einmal ganz am Anfang? - und universell einsetzbarer Freizeitmetapher (für die Vitalisten unter uns).
Dort, wo alle kämpfen, gerät der eigentliche Kampf - Sie wissen schon, der ums Überleben - jedoch recht unelegant aus dem Blick. Sozialwissenschaftlich heißt es dann, so man´s glauben darf und möchte, daß der alte „Klassenkampf” höchstens noch als sportiver Verteilungswettkampf weiterlebe: Sozialhilfe und Alu als Startgeld für das große „Lebenskampfspiel“, dabei sein ist alles! Nur am Spielfeldrand repetieren noch einige wenige zerlumpte Gestalten die alte „Stoppok“-Zeile: „Ich bin nicht der einzige hier, der bereit wär´ zu kämpfen, wenn er wüßte, wofür.“

Aber freut euch nicht zu früh, Ihr KämpferInnen! Nüchtern betrachtet haben Eure Kampfparolen nämlich nicht nur nichts zu bieten, sondern dummerweise auch noch einen fatalen Geburtsfehler, verweist der Ursprung des Kämpfens doch stets zurück auf einen Zustand der Unzulänglichkeit, des Mangels oder akademisiert: der Inferiorität. Wofür müssen Wahlhelfer überhaupt kämpfen, wenn das Programm und die Kandidaten denn wirklich überzeugend und gut sind? Warum sollen Fußball-Millionäre „die Ärmel hochkrempeln“ und kämpfen, wenn man sie doch eigentlich viel lieber spielen sähe? Und wieso soll man um jemanden kämpfen, der oder die schon beschlossen hat zu gehen? Das Kämpfen ist offenbar nur dort vonnöten, wo Defizite bestehen oder etwas wiedergutgemacht werden soll. Kampf - Disziplin - Durchhaltevermögen: deutsche Tugenden? Große Umleitungsschilder: Hier wird der „deutsche Sonderweg“ ausgebaut!
Oh je, ich wag´s ja kaum zu schreiben, aber dachten Sie nicht auch schon: „Der Kampf geht weiter!“

 

Ursprünglich mal als Entwurf für einen Artikel im "Freitag" verfasst.Sven Eisenberger, Anmerkung zur Geschichte

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