Iris Klinge

Geister

Nach dem Krieg lebte meine Familie in einer Wohnung, in der sich einige Jahre zuvor ein Mann erhängt hatte. - Wir wussten davon nichts. - Es passierten immer wieder unheimliche Dinge. Wir schienen vom Pech verfolgt zu sein. Meine Mutter, die sensibelste von uns allen, fühlte sich ständig unwohl, hatte Migräne und Alpträume.

Vom tragischen Tod in unserer vorigen Wohnung erfuhren wir erst, nachdem wir umgezogen waren. Im neuen Heim fühlten wir uns von Anfang an sehr viel wohler. Damals begann ich mich zu fragen, ob tatsächlich böse Geister oder Dämonen in einem Haus ihr Unwesen treiben können.

Spuk Geschichten und Gespenster in alten Schlössern sind vor allem in Kinderbüchern ein beliebtes Thema. Das Ausräuchern von „besessenen“ Häusern wurde früher auch bei uns praktiziert, ist jedoch weitgehend aus der Mode gekommen.

In Afrika bestimmt der Geisterglaube nach wie vor das Leben der Menschen. Es gibt spezielle Märkte für „cri-cris“, - Fetische, die die Menschen vor allen Übeln bewahren sollen.

Auch in Thailand ist der Geisterglaube noch überall präsent. So errichtet ein Thai ein Geisterhaus auf einem Grundstück, bevor es bebaut wird, um die Erdgeister zu beschwichtigen, die von ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden. In diesen kleinen Schreinen werden regelmäßig Opfergaben dargebracht. Blumen, Kerzen, Räucherstäbchen, ja sogar Nahrungsmittel.

Unser Nachbarhaus in Thailand wechselte den Besitzer. Die englische Familie verkaufte es an eine Thai Familie. Wo vorher keinerlei Geister spukten, sahen wir mit Staunen, wie auf der Dachterrasse plötzlich ein prunkvoller Altar errichtet wurde. Gold und Silber Dekoration im Überfluss. Und vor allem viel Obst, von dem sich die Vögel mit Begeisterung bedienen, und sogar Flaschen mit Limonade stehen dort und werden ab und zu ausgetauscht.

Ohne ein kleines Geisterhaus ist eine Thai Familie ungeschützt. Selbst wenn sie arm sind, wird an Opfergaben nicht gespart. Glücksamulette wie das Swastika – ein uraltes indogermanische Symbol, das Hakenkreuz, das im Buddhismus bis heute eine wichtige Rolle des Schutzes spielt - sind im Geisterhaus zu finden. Damit die Ratten keinen Zugang zu den dargebrachten Lebensmitteln haben, stehen die Häuschen vor dem Eingang auf Stelzen oder sind auf einer Dachterrasse aufgebaut.

Wenn ein Thai über eine Brücke fährt oder geht, dann grüßt er mit einer symbolischen Verbeugung die Erdgeister, die unter der Brücke hausen. Auf diese Weise hat er sich das Wohlwollen der kleinen Kobolde gesichert und es passiert ihm kein Unfall.

In unserer „aufgeklärten“ Kultur ist das Wissen um die Macht der Geister weitgehend verloren gegangen. Früher wurden noch die „Besessenen“ geheilt, indem die katholische Kirche das Ritual des Exorzismus vollzog  -  oft unter schrecklichen Qualen des jeweiligen Opfers.  Aberglaube war ein Teil des Alltags. Er konnte großen Schaden anrichten, etwa, wenn jemand als Hexe bezichtigt und diffamiert wurde. Heute glauben wir kaum noch an böse Geister oder Dämonen.

Trotz allem gibt es unerklärliche Phänomene, die selbst die Quantenphysik beschäftigen. Rupert Sheldrake, der englische Biologe, hat sein ganzes Leben lang die sogenannten morphogenetischen Felder erforscht. Wie ist es möglich, dass Affen auf einer Insel gelernt hatten, Kartoffeln zu schälen - und plötzlich auf einer weit abgelegenen anderen Insel die Affen ebenfalls Kartoffeln schälen konnten?

Oder das Phänomen, dass Organismen sich verändern, wenn sie beobachtet werden.

Auch die Homöopathie gibt Rätsel auf. Sie ist wirksam, obwohl sie nachweislich lediglich aus Zuckerkügelchen oder Wasser besteht. Zumindest das Wasser hat ein Gedächtnis und speichert die Information, die ihm durch ein bestimmtes Mittel gegeben wurden.

Sicher hat das weniger mit Geistern zu tun als mit der Tatsache, dass unsichtbare Energien am Werk sind, die die Naturwissenschaft bis heute nicht erklären kann. So abwegig ist es folglich nicht, an gute und schlechte Geistwesen zu glauben, die uns umgeben, begleiten, ärgern, helfen oder schützen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.08.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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