Anna Elisabeth Hahne

Die Arzttochter

Es war einmal eine Hexe, die hatte Abenddienst, für eine halbe Stunde. Sie aß gerade, so zwischendurch, Kartoffeln aus einem Schuh. Genauer gesagt, sie aß Schuhsalat. Und als sie so aß, und allein in ihrem Zimmer hin und her ging, dachte sie an ihre Tochter. Sie wußte, die Tochter war bei einer Freundin, und mußte nach Hause gehen, denn es war Zeit fürs Bett. Draußen war es mittlerweile dunkel.

Am nächsten Morgen wachte die Tochter auf, und der Vater begrüßte sie.
„Wie hast Du geschlafen?“ fragte er, und schaute seine Tochter beglückt an. „Ich bin so froh, daß ich Dich habe“, sagte er zu ihr.
„Ja, Papa und ich bin so froh, daß ich Dich habe“, meinte das Mädchen, und ließ sich von ihrem Vater in den Arm nehmen. Sie drückten sich fest aneinander, und verspürten Seligkeit.

„Wo ist denn Mama?“, fragte die Tochter, und löste sich aus seinen Armen.
„Oh, Mama ist schon zum Arbeiten ins Krankenhaus gefahren“, meinte er, und sah seiner Tochter nach, während sie zum Fenster ging, um hinauszuschauen.
„Was meinst Du, wird Mama wieder so erfolgreich sein?“
„Ja, das denke ich schon.“
„Schön“, sagte die Tochter, und sah ihren Papa ernst an.
„Und Du? Du hattest Nachtschicht, hast Du in der Nacht anderen Menschen helfen können?“ fragte sie.
„Ja, ich denke schon. Denn die Menschen sahen mich, nach der Operation, zufrieden an.“
„Und Papa, willst Du denn nicht, genau wie Mama, hexen können? Denn dann wärst Du eher mit der Arbeit fertig, und bräuchtest nicht die ganze Nacht von mir fort zu sein und mehr als den halben Tag zu schlafen.“
„Tja“, sagte der Vater, „da hast Du eigentlich recht. Aber wie soll ich das denn, in meinem Alter, noch lernen? Mama hat das Hexen schon in ihrer Kindheit gelernt und ich bin doch schon 34.“
„Das macht doch nichts. Es gibt doch für Erwachsene Schulen, in denen sie das Hexen lernen können.“
„Ja, das stimmt“, gab der Vater zu, und sah nachdenklich auf seine Hände.
„Aber weißt Du, ich habe immer die Menschen mit meinen Händen operiert, und jetzt soll ich das nicht mehr tun? Ich soll hexen wie Mama?“
„Ja“, sagte die Tochter, „bitte Papa hexe doch die Menschen gesund, genauso wie es Mama tut. Dann sind doch die Menschen viel eher wieder glücklich, haben viel eher keine Schmerzen mehr und Du bist dann wieder eher bei mir, und wir alle haben dann viel mehr Zeit füreinander.“
„Ja, wenn Du das so siehst, das stimmt natürlich.“

Es verging noch eine Weile, und die Tochter versuchte den Vater zu überzeugen mit dem Hexen zu beginnen. Als beide noch zusammen waren, und über das sinnvolle Hexen nachdachten, öffnete sich die Tür und Mutter kam herein.
„Hallo, Ihr Lieben, wo seid Ihr?“
„Hier oben“, sagten die beiden, wie aus einem Mund.
Während die Mutter die Treppe hinauf ging, sagte sie:
„Stellt euch mal vor, 1000 Leute waren da, und ich brauchte sie nur anzusehen, und schon waren sie gesund. Ist das nicht toll?“
„Ja“, sagte das Kind, „das ist super und weißt du was Mama, Papa will zur Hexenschule, damit er nicht mehr so lange von uns fort sein muß, und damit die Menschen schneller gesund werden können. Ist das nicht super?“
„Ja, das ist super“, meinte sie hocherfreut.
„Und das Schöne ist doch, die Menschen leiden nicht mehr, sind schneller gesund und wir haben Zeit füreinander”, resümierte die Arzttochter.
„Morgen werde ich einen Antrag stellen, daß ich in Zukunft als Krankenhausarzt hexen kann”, sagte der Vater.
„Oh fein“, strahlte die Tochter, „dann sind wir endlich eine richtige Familie, weil wir alle viel, viel mehr Zeit füreinander haben.“

Anna Elisabeth Hahne

 

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Anna Elisabeth Hahne).
Der Beitrag wurde von Anna Elisabeth Hahne auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.08.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Anna Elisabeth Hahne als Lieblingsautorin markieren

Buch von Anna Elisabeth Hahne:

cover

Der Schrei der Nachtigall von Anna Elisabeth Hahne



Das Buch handelt von einer einmaligen Liebe, die nicht gelebt werden kann, in der Kinder den ersten Platz einnehmen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Anna Elisabeth Hahne

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

4. Aus meinem Brasilien- Tagebuch, 10.07.2005 von Anna Elisabeth Hahne (Reiseberichte)
Für die lieben Frauen von Uli Garschagen (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Und die Sonne ging auf von Ingrid Drewing (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen