Werner Don Balmer

Liebe - abgelaufen

Elvira, einer Frau, die im Luxus lebte, weil sie den richtigen Mann geheiratet hatte, wurde mehr und mehr klar, dass er nicht der Richtige war. Aber was sollte sie machen?
Sie hielt sich an ihren Sohn, der nun schon laufen konnte, und unablässig, mit schier unendlicher Kraft, durch die große Wohnung rannte. "Albi, ich liebe dich, komm zu Mama, du bist mein."
Wenn ihn sein Vater auf die Arme nahm und "Albrecht" zu ihm sagte, weil er so getauft war, das war Familientradition, dann kam Elvira dazu und nahm ihm ihren Albi ab. "Siehst du mein Schatz, hier geht es dir besser."
Albrecht, der Ehemann, sagte nichts dazu. Er hatte wichtigere Dinge im Kopf und war froh, dass seine Frau etwas zu tun hatte.
Was war das für eine Sensation, als Albis erstes Wort "Mama" war. Sie hatte es ihm allerdings lange genug vorgesagt. Dafür wurde er mit einer elektrischen Eisenbahn belohnt.
Sie reichte ihn bei Freundinnen rum. "Was sagt ihr zu meinem Prinzchen?" Alle fanden ihn süß und fütterten ihn mit Schokolade.
Als er in die Kita kam, wurde es schwierig, weil die Erzieherinnen trotz allen Beschwörungen von der Mama Albis Einmaligkeit nicht beachten wollten. Sie ließen ihn ungerührt mit all den Proletarierkindern herumtoben, oft kam er sehr verschmutzt nach Hause. Eines Tages reichte es Elvira. Sie beendete die Kita und behielt Albi zu Hause. Auch später, als er in die Schule ging,beschützte sie ihn immer wieder vor all den Rowdies, die nur Fußball und unanständige Witze in ihren dummen Gehirnen hatten und Sachen machten, die Albi ganz sicher umbringen würden. Diesen sensiblen feinen Jungen.
Um ihn vor Schlimmem zu bewahren, brachte sie ihm bei, ihr immer alles zu erzählen, was er erlebte.
Dass er auf der Schülertoilette einem kleinen Jungen das Onanieren beibrachte, erzählte er allerdings nicht.
Auf dem Gymnasium hatte er große Schwierigkeiten. Er verbrauchte zwei Nachhilfelehrer, und das Abi war schließlich doch nicht gut genug für die Uni. Sein Vater kümmerte sich und fand trotzdem einen Studienpjatz für ihn. Aber er musste Betriebswissenschaft studieren, was ihm gar nicht lag.
Aber es geschah doch noch ein Wunder in seinem Leben, Er lernte Anne kennen, und sie hatte die Gabe, ihn zu öffnen. Durch sie lernte er atmen, fühlen, lieben.
Als sie sicher waren, dass sie zusammen gehörten, stellte Albi seine Freundin den Eltern vor. 
Er lief ins offene Messer. Seine Mutter schaute diese fremde Frau gar nicht an, und der Vater fand die Kleine so sexy, dass er sie seinem Sohn nicht gönnen konnte.
Durch diese Ablehnung wuchsen in Albi Schuldgefühle. Wenn seine Eltern so reagierten, war sie wohl doch nicht richtig für ihn. Seine Mutter hatte ihn doch immer so geliebt, und der Vater hatte ihm immer wieder geholfen. Er war sicher, dass sie nur das Beste für ihn wollten.
Er brach also mit Anna. Sie verstand überhaupt nichts, flehte ihn an, das zu überdenken, beschwor ihre gemeinsame Liebe - es half nichts.Er blieb stur, er war sich sicher und sagte schließlich, er hätte eine andere.
Er brach nicht nur mit Anna. Er brach mit allen Frauen.
Mit Ach und Krach beendete er sein Studium. Sein Vater besorgte ihm eine gut  bezahlte Stelle.
Das ging da aber nicht gut. Seine Vorgesetzten bemängelten seine Arbeit und die Kollegen moppten ihn.
Er verlor seine Stelle wieder und lebte "vorübergehend" wieder bei seinen Eltern.
Die Sehnsucht nach Liebe war nicht erloschen in ihm.
Aber sie war inzwischen verdorben und abgelaufen. Wie Lebensmittel im Kühlschrank. Und er fühlte sich alt und verloren.
Nur Kinder konnten ihn noch erfreuen. Er fühlte sich zu ihnen hingezogen.
Und schließlich wurde er verhaftet, weil er sich an Kindern vergangen hatte.
Albi schrieb Briefe an seine Eltern. Er entschuldigte sich, bereute, schrieb, er wüsste selbst nicht. wie das geschehen konnte...........aber es kam keine Antwort. Nie.
Erst nach drei Jahren Knast besuchte ihn seine Mutter. An seinem Geburtstag. Für ihren Opfergang hatte sie sich aufgetakelt wie zu einer Operpremiere. So saß sie ihm in dem abgesperrten und videoüberwachten Besucherraum gegenüber.
Ohne ein verbindliches Wort fing sie gleich mit Vorwürfen an. "Das ist doch kein Leben mehr für mich. Die Leute starren mich nur an, beleidigen und beschimpfen mich. Glaubst du, ich würde noch irgendwo eingeladen? Nur weil du eine Verbrecher bist. Ich habe ja kein Kind vergewaltigt. Ich habe alles getan für dich, und was warst du für ein lieber Junge. Und das ist der Dank. Das tust du uns an." Sie schrie auf und fing an zu weinen, die Tränen liefen in Strömen und versauten ihr Make up. Sie musste sich wieder herrichten und verschwand dann grußlos.
Albrecht wartete nicht lange. Er hing sich auf. Irgendwo in seiner Zelle.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Werner Don Balmer).
Der Beitrag wurde von Werner Don Balmer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Werner Don Balmer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Der Sehnsucht fliehend Licht: Gedichte von Bernd Herrde



In seinem sechsten Gedichtband zeigt sich Bernd Herrde wieder als Meister der Poesie. Wunderschöne, lebenskluge und herzenswarme Gedichte reihen sich wie Perlen auf einer Kette und ziehen den Leser in ihren Bann.

Bernd Herrde, geboren 1946 in Dresden. Erlernter Beruf Binnenschiffer bei der Fahrgastschifffahrt Dresden, später Studium von Kultur- und Kunstwissenschaft an der Universität Leipzig und von 1980 bis 2011 Konservator im Museum für Sächsische Volkskunst.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (3)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Alltag" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Werner Don Balmer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

So ändern sich die Zeiten von Norbert Wittke (Alltag)
Brillantes Spiel der Shirley Brill von Rainer Tiemann (Klassisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen