Gaby Schumacher

Meine erste Beichte

Mein nach außen hin religiöses, nach innen hin weitaus weniger gläubiges Elternhaus war sehr darauf bedacht, vor den Leuten den Schein zu wahren und so marschierten wir jeden Sonntag gen Kirche, egal, ob wir uns lieber mal ausgeschlafen hätten. Mit ungefähr 11 Jahren ereilte es mich dann. Ich wurde auf die erste heilige Kommunion vorbereitet. Damals lauschte ich noch voller Ehrfrucht den Ausführungen des Kaplans, wozu dessen schwrzes, elegantes Outifit nicht unwesentlich beitrug. Ja, dieses wehende bodenlange Gewand gewann mir gehörigen Respekt ab. ´Vater unser` beherrschten wir Kinder bereits vor diesen Stunden aus dem Effeff, was sich sehr bald als sehr wichtig erweisen sollte. Uns wurde nämlich eröffnet, dass wir in uns zu gehen und nach dunklen Stellen auf unserer Seele zu forschen hätten. Allein diese Aufforderung ließ uns innerlich schrumpfen. Bange schielte ich zu den Anderen:
´Wie gucken die jetzt? Geht denen jetzt auch die Buxe mit Grundeis?`
Nicht, dass ich etwa angenommen hätte, auch nur einem Einzigen von uns wäre dies dann zu Recht so ergangen. Nein, wir waren doch die reinen Unschuldslämmer, aber,wenn der Priester dort vorne dagegen der Auffassung war, unsere so unschuldigen Kinderseelen besäßen womöglich schwarze Flecken, dann musste vielleicht doch etwas dran sein. Denn der war ja schließlich erwachsen und auch sehr klug.

Je länger ich darüber nachdachte, dass mein Inneres vielleicht doch nicht reinweiß sein könnte, umso heftiger begann mein Herz zu klopfen. Ich empfand Gewissensbisse und wusste noch nicht einmal, weswegen eigentlich. Dazu kamen dann noch welche, weil ich eben nicht wusste, weshalb denn ich Gewissensbisse haben sollte. Ich forschte und forschte, wie uns aufgetragen, aber ich kam zu dem Schluss, wenn überhaupt, dann konnten es eigentlich nur Mikro-Flecken sein, die meine Seele verunzierten. Aber es beruhigte mich keinesfalls und je näher dann der Tag der ersten ´Beichte` rückte, desto schlafloser wälzte ich mich nachts im Bett. Weil der liebe Gott (bzw. eher sein Vertreter auf Erden und in unserem Falle der sonst so nette Kaplan) hartnäckig darauf bestand, gab es kein Entrinnen und ich beriet mich erstmal mit Freundinnen, was zu tun wäre, damit wir dann blütenweißer Weste wieder dem Beichtstuhl entsteigen dürften. Zu meiner Erleichterugn waren sie darin genauso ratlos wie ich mir, doch nach einigen wichtigen Zusammenkünften entschlossen wir uns zur Gemeinschaftsarbeit in Sachen ´Sündenregister zusammenstellen`. Es erwies sich denn als weniger dramatisch als zuvor angenommen. In unserer Gruppe trug Eine der Anderen leid. Unsere Bemühungen zeigten denn auch augenscheinlich Erfolg … Wir machten uns nämlich gegenseitig Mut, dass bis dato noch jedes Kind diese Beichte lebend überstanden hätte.  

Dann kam der große Tag und all der Mut war dahin. Im Gegenteil eiferten wir darin, wer die größte Angst hatte. Wieder musste ich feststellen, dass ich nicht gerade eine Heldin war. Es war nur gut, dass sämtliche Freundinnen auch keine waren. Uns allen schlotterten die Gehirnwindungen beträchtlich, die Köpfe rauchten und wir hörten gegenseitig unsere Sünden-Vokabeln ab, ob wir auch genügend zusammen gefunden hatten. Vor dem Beichtstuhl dann rückten wir eng zusammen, was mich aber auch nicht davor retten konnte, ganz auf mich selbst gestellt hinein gehen und dort auf die Knie sinken zu müssen. Zitternd kauerte ich mich nieder, vor mir das Respekt abverlangende, die Übermacht des Priesters noch betonende Gitter und schon ging es los:
„Meine Tochter. Was hast du gesündigt?“
Zwar war ich baff erstaunt ob dieser Anrede, denn bisher war ich immer der Meinung gewesen, mein Vater wäre mein einziger Vater. Nu hatte ich also plötzlich zwei davon, wobei dieser hier mir der weitaus strengere zu sein schien. Aber die wohl erwarteten töchterlichen Gefühle, die mir noch mehr Ehrlichkeit, was eventuelles Fehlverhalten anging, entlocken sollten, entwickelten sich einfach nicht. Dagegen brachte ich meine Stimme nur mit äußerster Anstregnung noch dazu, ja nicht zu versagen. Es hätte nämlich bedeutet, am weißen Sonntag die Kommunion nicht empfangen zu dürfen, weil dann die blöden angeblichen anthrazit/schwarzen Flecken auf meiner Seele sich nicht in überirdisch unschuldiges Weiß umgewandelt hatten. Zum Glück fiel mir noch gerade rechtzeitig ein, dass eine aussagekräftige Antwort von mir erwartet wurde. Wie gut nur, dass ich alles zuvor gepaukt hatte bis zum Umfallen und trotz meiner brechenden Stimme begann ich:
„Ich habe mich dreimal mit meinem Bruder gezankt, ich hab zweimal gelogen und meine Eltern anderthalb Male geärgert ...“ 

Heute, über 53 Jahre später denke ich:
´Der nette Kaplan von damals muss sich insgeheim köstlich amüsiert haben!`
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.10.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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