Irene Beddies

Schatzsuche mit Folgen

Schatzsuche mit Folgen
 
 
„Papa,Papaaa!“ -  Boris schreckte aus seiner Lektüre auf.
„Papaa, o Papaa, komm schnell“ Das klang beängstigend und verzweifelt. Boris sprang vom Sofa und rannte die Treppe hoch zum Kinderzimmer. „Was ist denn los?“
„Hier ist was unter meinem Bett, das macht komische Geräusche und spricht zu mir.“
Boris sah auf seinen Sohn. Tommy war rot im Gesicht. Er sah seinen Vater aus glasigen, erschreckten Augen starr an. „Na, dann gucken wir mal unter dein Bett“, schlug Boris vor. „Nein, das ist gefährlich“, schluchzte Tommy.
 
Aber Boris hatte sich schon gebückt und holte mehrere Dinge unter dem Bett hervor. Zuerst hob er einen schwarzen Kasten auf, dann einen Tennisball mit grünen Flecken und einem ausgefransten Loch, einen gelben Filzstift und eine leere Chipstüte, in der noch ein paar Krümel raschelten. Tommy starrte auf die Dinge mit geweiteten Augen. „Hörst du die Musik aus dem Kasten?“, fragte er bang. Der Vater hob die Schachtel an sein Ohr. „Nein.  Ich höre nichts.“ „Aber du musst doch die Stimme hören, die mir jetzt etwas sagt. Es ist so schrecklich! Sie sagt, dass. . . dass bald . . . dass bald etwas Schreckliches in unserem Haus passiert.“
„Tommy, sei vernünftig. Ich höre weder Musik noch eine Stimme. Da ist nichts. Soll ich die Schachtel aufmachen?“ „Neiiin, bitte nicht!“, schrie Tommy hysterisch. „Es ist gefährlich. Es macht mir Kopfweh!““
Boris sah seinen Sohn besorgt an. Er bemerkte kleine rote Flecken auf seiner Haut.
„Tommy, wir müssen ins Krankenhaus.“ Er packte  seinen Sohn samt der Zudecke und verfrachtete ihn ins Auto, das zum Glück noch nicht in der Garage stand. Mit überhöhter Geschwindigkeit jagte er in das nicht weit entfernte Krankenhaus.

In der Notaufnahme war nicht viel los, so war eine Ärztin schnell da. Tommy kam auf eine Liege. Die Ärztin befragte den Vater, aber Boris konnte nicht allzu viel sagen, verwies auf die roten Flecken, die noch ein wenig größer geworden waren.
„Er hat hohes Fieber, wir müssen das ganze Programm ablaufen lassen“, wandte sich die Ärztin an die Krankenschwester. „Und Sie, Herr Röben, sollten die Gegenstände herbeischaffen, die ihren Sohn so sehr erschreckt haben. Vielleicht können wir da einen Zusammenhang feststellen. Es sieht wirklich ernst aus. Ziehen sie dabei Handschuhe an.“ Sie gab ihm ein Paar Schutzhandschuhe. Boris stieg wieder ins Auto und war nach einigen Minuten zurück. Er hatte die Gegenstände in eine Plastiktüte gesteckt. Sie kamen jetzt ins Labor.
Im Behandlungszimmer hatten sie Tommy bereits einen Zugang gelegt. Ein Medikament wurde gerade daran angeschlossen, das den Jungen erst einmal beruhigen sollte.
Behutsam begann die Ärztin den Jungen auszufragen, was er gespielt hatte, wo er gewesen war. Es stellte sich heraus, dass Tommy mit seinem Freund aus dem Nachbarhaus Schatzsuche gespielt hatte. „Die Schatzkarte ist in der Schachtel“, war alles, was die Erwachsenen erfuhren. Da der schwarze Kasten aber im Labor untersucht wurde, konnte der Zettel zunächst nicht zu Rate gezogen werden. Sie mussten also weitere Fragen stellen.
Das Medikament wirkte inzwischen, und Tommy konnte genauer erzählen, wo er und sein Freund  gesucht hatten. „Swenja hat uns bei unserer Haustür die Karte gegeben. Danach sind wir auf die Suche gegangen. Zuerst haben wir in dem runden Blumenbeet gesucht, du weißt schon, Papa, das im Vorgarten. Da war aber nichts… Dann sind wir zum nächsten Punkt gelaufen, nahe der Hecke, die zu Heikos Garten geht. Da fanden wir einen Zettel. Da drauf stand, dass wir auf dem Rasen dahinter weiter sollten, aber auf den Knien, und gut gucken. Da lag dann der Filzstift. Er zeigte in die Richtung der großen Tanne. Du weißt schon, die, die mit den Ästen den Boden berührt. Unter dem  ersten Zweig fanden wir den schwarzen Kasten. Da war die Chipstüte drin… Und ein Zettel, dass der eigentliche Schatz am Stamm vom Tannenbaum ist. Wie sollten wir da rankommen, die Nadeln pieken doch so sehr! Ich wollte nicht feige sein und kroch doch weiter. Da lag ein alter Tennisball. Heiko gab mir einen Stock, mit dem habe ich den Ball hervor geangelt…Das ging nicht so schwer, er hatte ja ein Loch. Im Ball war aber nichts, nur rosa Krümel von etwas. Dann haben wir die Chips gegessen. So’n toller Schatz war das ja nun wirklich nicht.“
„Die Hände habt ihr euch sicher nicht gewaschen, bevor ihr gegessen habt?“, fragte gespannt die Ärztin. „Wo denn auch, da gibt es keinen Wasserhahn.“
„Die Sache ist sehr ernst. Herr Röben, ich möchte sie bitten, den Nachbarn anzurufen, denn auch Heiko könnte ernsthaft krank werden. Ich habe da einen Verdacht auf Vergiftung mit Rattengift. Darin ist meist ein Blutverdünner, der die roten Flecken erklären könnte.“
 
Der Nachbar kam mit seinen zwei verschlafenen Kindern. Heiko wurde ebenfalls untersucht. Der Vater konnte bestätigen, dass vor zwei Wochen ein Mann dort unter der Tanne das Gift im Tennisball ausgelegt hatte. Am Zaun des Grundstücks zur Straße war deshalb ein roter Warnhinweis angebracht worden. Swenja wusste nichts davon und hatte einen Schatz tief unter die Baumzweige geschubst.
„Den Schatz hat Tommy offenbar nicht gefunden. Es ist ein braunes Portemonnaie mit einigen Goldmünzen drin, aus Schokolade, die ich noch von Weihnachten hatte.“
Nach längerem Warten kam das Ergebnis aus dem Labor. Heiko war nicht von dem Gift betroffen, er hatte nur die Chips und nicht die Tüte angefasst. Tommy hatte eine ernsthafte Vergiftung, die aber gut behandelbar war. Er würde in einigen Tagen gesund wieder nach Hause kommen können.
„Darf er Besuch von uns haben?“, fragte Heiko. „Na klar, lächelte die Ärztin, dann wird er schneller gesund. Aber bringt ihm bitte keine Süßigkeiten mit.“
 
 
 
© I. Beddies

 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.10.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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