Irene Beddies

Der Penner

 
Der Penner
 
 „Mama, was ist ein Penner?“
„Ein Penner ist jemand, der schläft. Das Wort ist aber nicht nett gemeint.“
„Aber da saß ein Mann an der Straße, und Andi hat gesagt, der ist ein Penner. Dabei hatte er die Augen offen und hat uns angeschaut.“ Berta schien verwirrt.
Also musste Greta weiter ausholen. „Einen Penner nennen unfreundliche Leute die armen Menschen, die keine Wohnung haben und kein Geld. Die müssen dann auf der Straße oder im Park leben und sehen, wie sie etwas zum Essen  und zum Anziehen bekommen können.“
„Klauen die dann die Sachen?“ Berta war ganz aufgeregt.
„Nein, sie klauen meistens nicht, sie betteln eher. Sie fragen Leute, ob die ihnen etwas geben können. Nicht viele Menschen sind dazu bereit, weil die Obdachlosen ihrer Meinung nach selbst schuld sind.“ „Stimmt das?“ „Manchmal vielleicht. Viele aber haben sicherlich viel Unglück gehabt.“
„Mama, der Mann tut mir leid. Darf ich ihm morgen ein Butterbrot mitbringen?“
„Gut, Berta, wenn er noch einmal dort sitzt.“

Am nächsten Tag folgte Greta heimlich der Kindergartengruppe auf derem täglichen Spaziergang. Kurz vor dem Gymnasium saß ein Mann auf einem Mauerfundament. Er hatte zwei Plastiktüten und einen größeren Rucksack bei sich. Berta scherte aus der Gruppe aus und lief auf den Mann zu, ehe die Kindergärtnerin sie am Ärmel packen konnte.
Berta pflanzte sich vor dem Mann auf und fragte laut und deutlich:  „Was tust du hier?“
„Ich warte, bis in der  Schule die Pause zu Ende ist. Viele Schüler werfen  ihr Frühstücksbrot, das sie nicht essen wollen, und leere Plastikflaschen in die Papierkörbe. Die Sachen hole ich mir dann heraus. Die Flaschen kann ich im Supermarkt einlösen und mir etwas kaufen.“
„Bist du ein Penner?“ Der Mann sah Berta traurig an: „Das Wort höre ich nicht gern.“
„Okey, ich sag‘s nicht wieder.“ Berta holte das Extrabrot aus ihrer Tasche. „Das ist für dich. Mama hat es geschmiert. Es ist Wurst drauf.“
Verlegen schaute der Mann auf das Kind. Er wusste nicht, wie man einer solch kleinen Persönlichkeit begegnen konnte,  zumal eine ganze Kindergruppe herüberglotzte. Schließlich sagte er mit rauer Stimme: „Vielen Dank, und Dank auch an deine Mutter.“ Er gab dem Kind die Hand und stand auf, um auf den Schulhof zu gehen. „Hoffentlich findest du viel“, rief Berta ihm nach.
 
Am Abend sprach Greta mit Klaus über die Begebenheit. Klaus erklärte sich bereit, mit dem Obdachlosen zu sprechen und zu versuchen, ihm zu helfen.
 
© I. Beddies


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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