Rudolf Kowalleck

Novembermond


In einem Chat im Internet hatte ich Novembermond kennengelernt.
Unser erstes Date fand in meiner Stammkneipe statt. Heimspiel also.
Ich war bestens vorbereit. Frisch geduscht und scharf rasiert. Dazu hatte ich mir eine frische Unterhose gegönnt und ausreichend Kondome besorgt.
Als Gentleman vom Fach, weiß man ja, wie so ein Abend endet.
Novembermond war wirklich eine süße Maus, deren Wohlgefallen zu erringen ich mir vornahm.
Ich bestellte ein Pils und für sie ein stilles Wasser.
Ihr Wasser gab in der Tat kein Wort von sich, aber Novembermond quasselte dafür umso mehr. Ohne Punkte und Komma.
Ob Alexander Graham Bell wirklich das Telefon erfunden hat, sollte ich nochmal in Ruhe googeln, dachte ich. Eigentlich muss das eine Frau gewesen sein.
„Was ist für dich wahres Glück?“, wollte Novembermond unvermittelt wissen.
„Oh, das kann ich dir genau sagen. Wahres Glück wäre für mich, meinen Chef im Beisein der gesamten Belegschaft mit einer flachen Sahnetorte auf der Hand raten zu lassen, wer am letzten Wochenende den Jackpot geknackt hat.“
„Ach nein, im Ernst“, meinte Novembermond.
 „Ach, so. Ich weiß, was du meinst. „Wahres Glück ist natürlich Gesundheit. Ich meine, wenn du bis ins hohe Alter poppen kannst, ohne einen Bandscheibenvorfall zu bekommen.“
„Ich sehe schon, wir verstehen uns“, kommentierte sie.
War das jetzt ironisch gemeint, oder wie?
Wahres Glück sei für sie die Liebe, erklärte Novembermond. Wenn man wirklich liebt und genauso zurückgeliebt wird, hält man auch eine schwere Krankheit oder einen ungeliebten Job viel besser aus. Wie schrieb schon der Apostel Paulus an die Korinther? Am Ende bleiben Liebe, Glaube, Hoffnung, diese drei; doch die Liebe ist die Größte unter ihnen.“
„Wer?“, fragte ich.
„Ach nichts“, meinte Novembermond. „Vergiss es.“
„Jau, kann sein“, sagte ich, biss ein großes Stück von meinem Friko ab und orderte ein zweites Glas Pils. Dazu einen Klaren zum Runterspülen, schließlich wollte ich das Bier nicht einfach so trocken runterwürgen.
„Was hältst du vom Heiraten und von Kindern?“, fragte Novembermond. „Ich möchte so richtig romantisch heiraten. Ganz in Weiß. Mit Kutsche und so, und drei Kinder möchte ich haben, am liebsten drei Mädchen“, schwärmte sie.
Ich weiß auch nicht woran es lag, ob die Frikadelle schlecht war, der Schnaps zu scharf oder die Bude total überheizt, jedenfalls liefen mir auf einmal dicke Schweißperlen den Nacken runter.
„Heiraten?“, fragte ich. „Ich weiß nicht. Bis jetzt habe ich immer nach dem Motto gelebt: Ehe ich eingehe, gehe ich lieber aus, aber ich gehe nie die Ehe ein, denn ehe man Ehemann, gehe man. Findest du nicht auch, dass auf Familienstammbücher solche Warnhinweise wie bei den Zigarettenschachteln gehörten? Zum Beispiel: Vorsicht! Heiraten gefährdet Ihre Gesundheit! oder Achtung! Diese Eheschließung könnte Sie finanziell ruinieren?“
„Nein, das finde ich nicht.“
Oh, jetzt wird aber jemand zickig, dachte ich.
„Noch ein Wasser?“
„Nein, danke.“
Angelika blickte auf ihre Armbanduhr.
„Apropos Ehe“, schob ich schnell hinterher. „Mein Onkel Hansi hat mal in fröhlicher Runde zum Besten gegeben, dass Männer statistisch betrachtet im Schnitt fünf Jahre vor ihren Frauen sterben, hätte er früher als total ungerecht empfunden. Heute wisse er es besser. Der Herr in seiner unendlichen Gnade und Barmherzigkeit hätte das ganz bewusst so eingerichtet. Er gönnt uns Männern. halt noch ein paar gemütliche Jahre im Paradies, bevor unsere Alte nachrückt.“
Offensichtlich hatte ich damit nicht wirklich Novembermonds Sinn für Humor getroffen, wie ich an ihrem Gesichtsausdruck unschwer ablesen konnte.
„Tante Hilde hat dann drei Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen“, berichtete ich weiter. „Onkel Hansi meinte, das habe er anfangs sogar noch als ziemlich angenehm empfunden, aber als sie auch nicht mehr für ihn kochte und bügelte, hätte er mit den Friedensverhandlungen begonnen. Die Opfergabe, um seine Göttin wieder zu versöhnen, hätte ein ganz schönes Loch in sein Portemonnaie gerissen.“
Novembermond meinte, sie müsse mal dringend für kleine Mädchen und als sie wiederkam meldete sich ihr Handy.
„Oh, leider muss ich sofort gehen“, teilte sie mir mit, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. „Mit meiner Oma stimmt was nicht. Ein Notfall. Tut mir echt leid.“
Ihren Deckel wollte ich natürlich übernehmen, aber Novembermond lehnte dankend ab. Ihr Wasser könne sie noch selbst bezahlen.
Zu Hause eine SMS von ihr. Oh, dachte ich. Das ging aber flott. Was mag meine Herzallerliebste nur von mir wollen?
In freudiger Erwartung schaute ich aufs Display.
Unsere Liebe war ein Irrtum, hatte Novembermond geschrieben. Schönes Leben noch. PS: Rückruf zwecklos.
Wenn mich heute jemand fragt, warum ich noch Single bin, muss ich zugegeben, dass ich es selber nicht begreifen kann. Ich habe jedenfalls immer alles gegeben. Vielleicht bin ich einfach zu wählerisch.
Ich setzte mich an den Rechner und gab eine Anzeige auf: Zweihundert Kondome günstig abzugeben. Ungebraucht.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.11.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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