Patrick Rabe

“Gut und Böse“ - ein Briefwechsel



Hier veröffentliche ich einen Briefwechsel mit einer lieben Freundin, der aus theologischer Sicht um das Thema "Gut und Böse" kreist.

Hi Tanja,
mein Modem ist wieder in Ordnung.
 Für mich ist es total wichtig, was das "Böse" angeht, theologische Klarheit zu bekommen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Juden in der Zeit der Thora es anthropologisch - also zum Mensch gehörig - deuteten. Es gibt in der gesamten Thora nirgends die Vorstellung, dass Gott einen Widersacher hat, bzw. dass es böse Geister gibt. Das heißt, der Mensch ist aus sich heraus fähig zum Guten und zum Bösen. Wobei sich ja auch die Frage stellt: Wer setzt eigentlich diese Kategorien? Siggi (Zimmer, Theologe und Prediger bei "Worthaus") deutet das Böse/die Sünde ja einmal so, dass alles darunter fällt, wo ich bei der Definition des Guten nur meinen eigenen, begrenzten Vorteil im Blick habe (Ich bereichere mich, im Zweifelsfall auch, indem ich andere arm mache). Dazu sage ich, dass solche win-lose-Situationen eigentlich lose-lose-Situationen sind, und beide dabei verlieren. Der abgezockte, weil er real verliert, und der sich Bereichernde, weil er sich an dem anderen schuldig macht. Sehr viel vernünftiger und liebevoller wäre es, win-win-Situationen herzustellen, von denen von vorn herein beide Seiten  profitieren. Dann geht's beiden Seiten gut. (Was ihr nun wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch!)
 
Jörg Zink (Evangelischer Theologe) beschreibt in seinem Buch die Unbegreiflichkeit und gleichzeitige Nähe eines Gottes, der alle Gegensätze in sich vereint. Er macht es dem Leser nicht einfach und liefert keine fertigen Antworten, lässt aber etwas von der Barmherzigkeit spüren, bei der er in seinem hohen Alter ankommen durfte. (Jörg Zink/ Dornen können Rosen tragen/Herder)
 
Der Satansglaube, wie er z.B. in evangelikalen Kreisen teils vertreten wird, bringt einen null weiter. Irgendwann fängt man dann an zu denken "Huch, hab ich das grade gedacht, oder war das wieder der Teufel!?" ;-)
 
 
Hier ist schöner Sonnenschein mit verträglichen Temperaturen, und ich werd gleich mal raus!
 
Es grüßt dich dein heute mal angezogener aber immerhin etwas ungezogener
 
Patrick
 
***
 
Hi Patrick,

das Böse Teil des Menschen, aber warum ist es so?
Warum ist da der Wille, gegen die Liebe zu leben? Warum hat uns Gott nicht anders geschaffen? Dann kommen wir wieder zurück: Ursprünglich hat Gott das Böse geschaffen, als eine Option für uns, um eine Entscheidung treffen zu können?
Wenn es um das Schlechte, das Leid geht, dann kommt es von Gott, wenn man den Hiob-Erzählkreisen traut...
Ich glaube echt, alles was ist, ist in Gott...anders macht es keinen Sinn, es gibt nichts auserhalb von Gott, es gibt keine Gegenmächte...

Ah, schön, was der Zink schreibt. Ich les grad Richard Rohr, der schreibt das auch. Er sagt:
"Das Zusammengehören ist das Geheimnis des Göttlichen"
"Alles gehört zusammen. Das Gute und das Böse, Licht und Dunkelheit, Sünder und Heilige - immer gibt es zwei Seiten. Jeder Mensch besteht aus zwei Seiten und auch darin gehören alle zusammen [...] Gott allein ist so groß, alles in sich zu vereinen [...] wir sind nicht in der Lage, alles zu fassen. Nur Gott im Menschen und nur der Mensch in Gott kann alles umfassen. [...] Wenn wir mit Gottes Hilfe die Gegensätze in uns versöhnen können, ergibt sich daraus zwangsläufig, dass wir an unserem Nächsten genauso handlen müssen."
(Befreiung vom Ego)

Der Richard ist echt so einer, mit dem würd ich mich auch mal zu gern unterhalten, muss mal nach Interviews mit dem googeln...

Was los? Heut so wortkarg?

So, ich geh dann jetzt auch nochmal bissle Gassi.

LG, Tanja
 
 ***
 
Tanja, mir kam noch ein Gedanke zum Thema "Gut und Böse". Wenn du dir den ersten Schöpfungsbericht ansiehst, da heißt Gott alles, was er erschafft, gut. Am Ende sagt er sogar, Alles was ich geschaffen habe, ist SEHR gut. Wo ist da also das Böse? Wahrscheinlich umfasst Gottes Definition von "Gut" auch das, was wir vielleicht als grausam ansehen, z.B. wenn ein Löwe eine Gazelle reißt. Aber es ist in sich sinnvoll und damit vor Gott gut. Ein Tier beurteilt sein Handeln ja auch nicht, ist also auch nie schuldig. Der Löwe denkt ja nicht "Oh, das hat der Gazelle gerade weh getan!"
 
Der Mensch ist das einzige Wesen, das sein Tun und Dinge generell beurteilt, und ich glaube, die Bibel möchte uns zeigen, dass genau da der Hund begraben liegt. Das Böse kam m.E. in die Welt, als der Mensch anfing, in Gut und Böse einzuteilen (Sündenfallsgeschichte). Was und wer böse ist, hängt ganz massiv von unserem Standpunkt ab. Sieht man ja alleine schon daran, dass sich Moralvorstellungen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt haben. Wenn es aber offensichtlich uns Menschen so beliebig ist, was wir "Gut" und was wir "Böse" nennen, haben wir dann überhaupt die Kriterien für solche Maßstäbe in der Hand!? Im Hamlet heißt es: "Es ist kein Ding weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu."
 
Und ich denke, das ist das Geheimnis. Wenn wir unsere Bewertungsbrille mal beiseitelegen würden und statt: "Das ist gut oder böse" einfach sagen würden: "Es ist", dann wären wir Gott vermutlich wieder viel näher, denn er ist "der ich bin", also das Sein. Das Sein, die Liebe, ohne Bewertung. Lies auch mal das Gedicht "Was es ist" von Erich Fried dazu... Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, denn er zeigt uns den Weg aus dem ganzen Schlamassel "Richtet nicht/urteilt nicht" und "Werdet wie die Kinder". Vielleicht werden wir erst wieder ganz bei Gott sein, wenn wir Schönes und Schweres gleichermaßen dankbar aus seiner Hand nehmen. An sich ist alles gut, denn alles ist in sich sinnvoll. Und alle wirklich schlimmen Dinge auf der Welt entstehen durch diese Haltung, in Gut und Böse einteilen zu wollen. Die krasseste Lehre vermittelt uns da das dritte Reich. Dort hat man den (menschheitlich) längst überfälligen Schritt getan, jene, die man als Feinde lokalisiert hatte, auch tatsächlich buchhaltermäßig, kalt und systematisch auszurotten. Das ist das Endprodukt der Sünde. Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr kommen. Und die Wurzeln zu so etwas schlummern in JEDEM VON UNS!!! Schon, wenn ich sage, "Wenn doch Nachbarin XY nicht mehr da wäre, die nervt mich so!", ist das ein winziger Schritt in dieselbe Richtung. Die Nazis haben das Problem eben nur ins Gigantische vergrößert um klarzumachen, wohin der Weg der Sünde führt, wenn man ihn zu Ende geht.
 
Als "Seelenbalsam" noch ein kleiner Spruch von Friedrich Schiller, der es wieder mal viel besser gesagt hat, als der Patrick es jemals könnte:
 
Du suchst das Größte, das Höchste?
Die Pflanze kann es dich lehren.
Was sie willenlos,
sei du es wollend.
Das ist's!
 
 
 
Liebe Tanja, und jetzt muss ich Denker wirklich mal schlafen, musste aber diese Gedanken jetzt mal ausformulieren, wo sie gerade so klar waren. Morgen wäre das vielleicht alles schon wieder entschwunden gewesen!
 
Sei gegrüßt, dein Jesus-Äffchen Patrick
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.11.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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