Winfried Hau

Pilger

Sie sind mehr als 20 Stunden geflogen, haben in billigsten Herbergen übernachtet, sind in überfüllten Bussen über gefährliche Pässe gefahren, um endlich das vorläufige Ziel, den Fuß des heiligen Berges zu erreichen.
Auf dessen Gipfel soll Gott selbst erschienen sein.
Erst folgen die Pilger einem schmalen Pfad, der sich serpentinenartig durch dichten Wald nach oben schlängelt. Sie stolpern über Wurzelwerk,  schlagen sich fremdartige Insekten aus dem Gesicht.
Dann erreichen sie die Schneegrenze. Sie kämpfen sich vor, schwer keuchend, Schritt für Schritt, gegen eisigen Wind kämpfend.
Endlich, halb bewußtlos, erreichen sie den Gipfel.
Dort steht eine Gestalt, halb dem germanischen Odin, halb dem christlichen Vatergott gleichend.
"Ich bin nur ein Streckenposten", sagt er. "Ihr müßt weiter, immer weiter hinauf ins Gebirge, an vielen Streckenposten vorbei, immer weiter, immer höher, um vielleicht einen verwehten Fußabdruck von Gott zu sehen."
Die Pilger ziehen weiter. Nach und nach bricht einer nach dem anderen zusammen. Leichen säumen den Weg ins Gebirge.

Ein einziger Pilger, so heißt es, soll einmal den Gipfel aller Gipfel erreicht haben.
Von dort erklingt manchmal ein verzweifelter Schrei, der in windstillen Nächten bis in die tiefsten Täler hinein zu hören ist.

Jeden Tag strömen neue Pilger heran.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Winfried Hau).
Der Beitrag wurde von Winfried Hau auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Winfried Hau als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Gedichte der Liebe. Sag mir ein Zauberwort von Barbara Priolo



Von Liebe und Verletzlichkeit sprechen die Gedichte Barbara Priolos in immer neuen,überraschenden Variationen. Sie benennen die Süße erwachender Zuneigung, die Inbrunst fraulichen Verlangens nach Zärtlichkeit, und sie wissen zugleich von herber Enttäuschung, von Trennung und Leid des Abgewiesenwerdens. Deswegen aufhören zu lieben wäre wie aufhören zu leben. ** Das Schönste ist,was man liebt **, bekennt die griechische Lyrikerin Sappho auf Lesbos. Diese Einsicht-aus beselingender und schmerzlicher Erfahrung wachsend-ist Ausgangspunkt der sapphischen Dichtungen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Winfried Hau

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Polizeikontrolle von Winfried Hau (Absurd)
MANCHMAL GIBT ES NOCH KLEINE WUNDER von Christine Wolny (Sonstige)
Schau mich an und ich sage dir, was du isst von Norbert Wittke (Satire)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen