Christa Astl

SABINES ÜBERLEBENSKUNST 7

Sehnsucht nach der Hütte
 
 
Die nächsten Tage quält sich Sabine mit ihrem geschwollenen Bein, sie hockt zu Hause herum und langweilt sich.
Inzwischen hat sie Zeit, ihre Hüttentage zu überdenken. Die Tage, die sie allein verbracht hat, waren wohl eine harte Zeit, aber sie bereut den Entschluss nicht. Sie hat viel gelernt, hat ihren Tag strukturiert, hat viele ungewohnte Arbeiten gemacht, ihre Kraft, ihr Geschick, ihre Ausdauer, ihre Findigkeit und Kreativität erproben können, und was das Schönste war, die Eltern und die Mitschüler haben das akzeptiert. Irgendwie ist sie in diesen wenigen Tagen erwachsener, reifer geworden.
In der Klasse fällt ihr das besonders auf. Der Begeisterung ihrer Freundinnen für Mode und Liebesabenteuer kann sie nichts mehr abgewinnen, so ganz ihr Thema war es auch vorher nicht. Damals machte sie halt mit, um dazu zu gehören. Nun jedoch fällt es ihr plötzlich leicht, nein zu sagen. Auch als ihre Freundin Elvira sie wieder einmal ins Kino zu einem witzigen Liebesfilm, wie sie sagt, einladen möchte, lehnt Sabine klar und bestimmt ab. Elvira kann es nicht begreifen. „Sag, hat dir der Berg nicht gut getan? Du verkriechst dich ja jetzt in deiner Bude?“ – „Macht nichts, ich habe anderes zu tun!“, antwortet Sabine nur. Es macht ihr komischerweise nichts aus, dass Elvira sie daraufhin nicht mehr anredet.
Und das Wochenenden mit Sylvia, David, Arno und Gert… Es war nicht ganz das, was sie sich vorgestellt hatte. Was hat sie sich eigentlich erwartet? Sie wusste ja, wie die drei waren. Dass Gert dabei war, hat ihr noch am besten gefallen. Und der Unfall, weil die so herumalberten? Sie musste es büßen, weil sie so gut war und ihnen ihre Hütte, die ihr ja gar nicht gehörte, zeigte.
Nein, das macht sie nicht mehr. Das soll ihr Platz sein, der nur ihr gehört. Dieses Andersleben, das Verbundensein mit der Natur, da passen keine fröhlich-albernen Mitschüler hinein.
Gert hatte sie in der Woche zweimal angerufen, wollte sie besuchen, aber Sabine hatte keine Lust. Dieses Wochenende wollte sie so schnell wie möglich vergessen.
Eher denkt sie daran, ob sie wohl selber wieder zur Hütte hinauf könnte. Wann werden die Besitzer ihre Nachricht lesen, die sie hinterlassen hat, und wie werden sie reagieren? Es dauert einige Zeit, der Frühling ist bereits ins Land gezogen, auch auf den Bergen bekommt die Schneedecke bereits braune Flecken. Sabines Bein ist fast wieder in Ordnung.
Am Sonntagabend, als sie sich gerade für den nächsten Schultag vorbereitet, klingelt ihr Handy, es ist eine unbekannte Nummer. Eine brummige Männerstimme meldet sich, schon will Sabine auflegen, da sie den Anrufer nicht kennt. Endlich versteht sie aus seinem Dialekt, dass er der Besitzer der Hütte sei. Er war am Wochenende droben, hat sich zuerst schon geärgert, wer seinen Holzvorrat beraubt hätte und sich über den geräumten Vorplatz gewundert.
Dann hätte er ihre Zeilen gefunden, gesehen, wie der Vorratsschrank gut gefüllt war und wolle sich nun bedanken. – Seine Stimme klingt nun nicht mehr so brummig und streng. Er schimpft auch gar nicht über ihr unerlaubtes Eindringen, sondern, und Sabine glaubt nicht richtig gehört zu haben, er fragt, ob sie wieder hinauf einmal möchte! Sie hätte ihn umarmen mögen!
Nun erzählt sie ihm auch noch kurz ihre Erlebnisse, und wie begeistert sie von diesem Ort wäre. Auch von ihrem Unfall darauf folgenden Wochenende berichtet sie. Er wünscht ihr eine gute Besserung und Sabine verspricht noch, sie würde sich gerne melden, wenn sie wieder hinauf könnte. „Warte lieber noch einige Wochen, jetzt könnte jederzeit sein, dass noch eine Lawine abgeht, und die reißt oft den Weg mit.“
 
Ungeduldig wartet Sabine Woche um Woche und beobachtet, wie der Schnee allmählich weniger wird. Und am Berg würde es noch einige Wochen länger dauern.
Erst Anfang Mai wagt sie einen Anruf beim Herrn Huber, dem Bauern und Hüttenbesitzer. Sie muss erst seiner Erinnerung ein wenig nachhelfen, bis er weiß, was sie will. „Du, da bin ich aber froh, dass du hinaufkommst. Sag mir dann Bescheid, wie es aussieht oben!“ – Als ob es schon ganz selbstverständlich sei, dass sie einfach Mitbewohnerin ist. Natürlich macht sie das gern!
Sie zählt die Tage bis zum nächsten Feiertag, denn das ergibt dann ein langes Wochenende. Auch wenn die Eltern nicht gerade begeistert sind, Sabine lässt sich nicht abbringen und zerstreut Mutters Sorgen, „was ist wenn du alleine bist und dir was passiert?“ mit der Antwort, allein wäre das ja gar nicht geschehen, und es ist ihr ja beim ersten Mal auch nichts passiert.
 
 
 
ChA  27.03.14

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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