Oma Alma, die Mutter meines Nachbarn, ist dement und lebt seit Kurzem in einem Pflegeheim, in einer Abteilung für Demenzkranke, wo es ihr gut geht. Jetzt will der siebenjährige Albert seine Oma unbedingt besuchen. Albert hängt sehr an ihr. SeinVater zögert, weil er Albert nicht zumuten will, seine Oma zu sehen.
Ich denke an Nele, die sechsjährige Enkelin meiner Tante. Eines Tages kam sie ins Wohnzimmer gerannt und sagte: "Oma, dem Opa von Julia ist ein schlimmer Wind durch den Kopf geweht und hat alles durcheinandergebracht. Der hat jetzt Herbst. Aber das tut nicht weh." So kommentiert ein Kind die Trauer einer Freundin, um ihren schwer dementen Opa. Beim letzten Besuch hatte er Julia mit einem ungeduldigen "Wer bist du denn?" an der Tür empfangen. Julia war mit einem Mal der Opa abhanden gekommen. Der jungen Dame war durchaus nicht entgangen, dass der Großvater seltsam wurde. Wenn er Julia als seine Enkelin erkannte, erzählte er ihr oft wunderliche Geschichten, sprach von sich in der dritten Person, wollte nachts spazieren gehen und fragte Julia immer wieder die gleichen Dinge. Manchmal begann er zu weinen oder kicherte wie ein kleiner Junge. Während die Erwachsenen um Julia herum einen Masterplan zur Bewältigung der neuen Lebenssituation strickten, hatte Julia sich ihren eigenen Reim auf die Verwandlung des Großvaters gemacht. Sie klettert weiter auf seinen Schoß und kuschelt mit ihm. An einem Tag ist sie mit Opa an der Hand durch das Haus gewandert, um im Keller nach dem richtigen Bahnsteig für den Zug zu suchen.
Mit der Geschichte von Neles Freundin Julia, will ich die Demenzerkrankung von Oma Alma nicht harmloser machen, als sie es ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder sich mit Veränderungen auf ihre Weise arrangieren. Das, was normal, und das ,was anormal ist, ist bei ihnen noch unausgeprägt. Ihre Liebe ist neu, ohne Vergleich, ohne Maßstab, ohne Vorbehalt. Schwieriger ist das Schleichende geistige Verschwinden für die zu ertragen, die die geliebte Person als starken unabhängigen Menschen gekannt haben.
Meinem Nachbarn habe ich gesagt, dass er seinen Sohn nicht von seiner Oma fernhalten soll. Oma Alma ist nicht tot sondern verwandelt, eine andere und doch immer die Gleiche. Ich gab ihm den Rat, seinen Jungen auf dem Weg in den neuen Lebensraum der Großmutter zu begleiten. Miteinander reden über das was sie an Oma Alma so vermissen und das, was schön geblieben ist. Vielleicht entdeckt mein Nachbar an der Hand seines Sohnes neben dem Schmerz auch Anmut und Würde seiner Mutter wieder neu.
(c) Olaf Lüken (2017
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2017.
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