Olaf Lüken

Eine Kaffeefahrt ist lustig, eine Kaffeefahrt ist schön

Vor einigen Wochen fand ich im Postkasten einen Brief mit einer Einladung zu einer Tagesfahrt ins Münsterland. Neben einer fröhlichen Rundfahrt durch die westfälische Metropole gehörte der Besuch einer Verkaufsveranstaltung. Vor der  Präsentation sollte ich einen Bargewinn von zweitausend Euro entgegen nehmen dürfen. Wohlgemerkt, für ganze 28,95 Euro bot eine mir unbekannte Firma himmlische Freuden auf Erden an. Ein Präsentkorb mit einem regionaltypischen Allerlei sollte das bunte Rahmenprogramm abrunden.

 

Als ich an der Haltestelle in den Bus stieg, begrüßte mich der Fahrer wie einen guten Freund aus früheren Kneipenzeiten. Ich kannte ihn nicht. Die Mitreisenden, darunter Rentner, Pensionäre und  andere  Best Agers, waren bereits bester Stimmung, als ich durch den Gang auf meinen Sitzplatz zusteuerte. Die einen klatschten und  feixten, andere prosteten sich einander zu. Unser Busführer und Fahrtbegleiter, machte auch als Dirigent eine gute Figur. Für knapp zwei Stunden bildete er aus 60 fröhlich gestimmten Mitreisenden einen musisch gestimmten Chor. der lautstark und  eindrucksvoll Lieder sang, die an den romantischen Dichter Joseph von Eichendorff erinnerten: "Wem Gott will rechte Gunst erweisen", " es klappert die Mühle am rauschenden Bach", oder "das Wandern ist des Müllers Lust." An Münster, Westfalens Friedensstadt von 1648 und Perle der Region, fuhren wir aus "Zeitgründen" vorbei. Die letzten zehn Kilometer unserer westfälischen  Überlandfahrt führten über holprige Straßen und schwarz-grau geteerte Schlaglöcher, bis wir im Irgendwo des Münsterlandes an einem abgelegenen Gehöft mit angeschlossener Gastwirtschaft anhielten.

 

In einem ehemaligen Tanz- und Versammlungssaal waren die Tische bereits mit Kaffee und Marmorkuchen eingedeckt worden. Die schriftlich versprochenen Geldpreise sollten die Gewinner später in einer der im Prospekt benannten Filialen des Veranstalters  abholen. Die Anschrift des Abgabeortes war freilich frei erfunden, und der im Prospekt angebotene Warenkorb mit Steinhäger, Pumpernickel, Westfalenschinken und einem leckeren Allerlei, entpuppte sich als kleine und armselig anzusehende Plastiktüte billigsten Inhalts.

 

Ein Macher mit dem hemdsärmeligen Charme eines Felix Krull, betrat die dunkle und schmuddelig aussehende Tanzsaalbühne. Auf den ersten Blick sah ich einen Mann wie du und ich. Er war eine Art illustrer Moderator und verstand, durchaus beredt, seine Produkte in Träume zu verpacken und die Zuhörer phrasenstark einzuwickeln. Dieser Felix Krull nannte sich Bernd Fröhlich, war seinen Worten vertrauend 50 Jahre alt, verheiratet und glücklicher Vater zweier Töchter im Teenageralter. Seine Absicht ? Trotz hoher Angebotspreise Habgier und Nachfrage zu wecken. Bernd und sein Ruckzuck-Verkaufsteam stellten ihre Waren auf Tischen in Bühnennähe.Die Artikel  sollten vor den Augen potenzieller Käufer ins rechte Licht gerückt werden. Es war alles  Mache und Masche. Bernds großer Verkaufsschlager war ein Edelstahl-Topfset für sage und schreibe 499 Euro. Geradezu ein Geschenk. Ein junges Ehepaar hatte sich für alle Gäste gut sichtbar, in der Nähe des Veranstalters eine Sitzgelegenheit ausgesucht und den Beteiligten erzählt, das gleiche Set woanders für stolze zweitausend Euro ergattert zu haben. Das wirkte. Irgendwann ging Moderator Bernd zum Thema Gesundheit über. Zum Wortzauberer mutiert, redete sich Bernd mit seinen Wunderdragees "für schlappe 399 Euro" geradezu in eine Art Redetrance.  Nach einer guten Stunde ebbte die Kauflaune langsam ab. Freund Bernd zog seinen letzten und entscheidenden Trumpf. Für seine minderwertigen und preislich überbewerteten Güter bot er den Kauf gegen Kredit mit "gaaanz niedrigen Kreditraten" an. Bis auf die altrosafarbenen und abgenutzten Tischdecken wurde am Ende der Veranstaltung alles abverkauft.

 

Was lernen wir daraus ? Allen Besuchern wurde ein Erlebnistag für wenig Geld versprochen. Die fröhliche Fahrgemeinschaft konnte  von geschickten und gerissenen Werbestrategen wieder einmal aufs Glatteis geführt geführt werden Das traditionsreiche Münster wurde aus Zeitgründen nicht besichtigt. Und der Nachmittagskaffee geriet zur wolkig vorgetragenen Warenabsatzshow. Zuverlässigen Informationen entnehmen wir, dass zwielichtige Zeitgenossen wie Bernd Fröhlich Monat für Monat 15.000 Euro und mehr "verdienen". Trotz schlechter Erfahrungen gaben knapp 80 Prozent der  befragten Teilnehmer schriftlich an, dass sie auch in Zukunft wieder mitfahren wollen. .Warum ? "Lieber mit Freunden unterwegs sein, als allein zuhause sitzen und entsprechend   zu versauern". Wohl wahr. Man sagt aber auch: Wer der Herde folgt, sieht nur noch Ärsche.


(c) Olaf Lüken (2017)

Im Kölner Stadt-Anzeiger unter "Kaffeefahrt ins Münsterland" 31.3./1.4. 201 "verdienen

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.01.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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