Johannes Schmidt

41,50€ und mehr...

Ich steh an der Kasse. Sojabohnenkeimlinge 99 Cent, Bambussprossen 1,09 Euro und ne Packung Reis für 69 Cent. Hmm das gibt nen leckeres chinesisches Essen. Solche Gedanken
muss man an jeder Kasse haben, denn das monotone Gepiepe vor einem geht schon mir schon recht doll auf die Nerven. Und nun will die Oma vor mir auch noch genau bezahlen, was sich dadurch ausdrückt, dass sie nun jeden Cent einzeln aus den Tiefen ihres Geldbeutel fingert. Boah nervt das. Mein Blick schweift zurück zu den Leuten, die noch hinter mir in der viel zu langen Schlange für einen Freitag Abend stehen. Die Leute sehen auch schon genervt aus und auf einmal sehe ich sie wie sie ihre Einkäufe auf das Band legt. Pizza, Milch, Äpfel, Bananen, Schwarzbrot, Joghurt, Schokolade und andere Köstlichkeiten, die ich mir in meiner finan-ziellen Situation grad nicht leisten kann. Plötzlich machen sich zwei Gefühle in meinem inneren selbständig. Ein Gefühl der Glückseeligkeit durchströmt mich, denn ich hab sie lange nicht gesehen und nun erlebe ich das süße Lächeln live, was mich beim ersten Mal, als ich sie sah so verzaubert hat, was ich nur noch aus meinen Gedanken kannte und was ich eigentlich gestern hätte sehen sollen. Genau daran schließt sich nun das zweite Gefühl an, was aber ein wenig vom Neid geprägt ist, denn wegen ihr hab ich nur noch 4 Euro in der Tasche und dies nur weil sie gestern nicht da war. Nachmittags hatte mir ihre Freundin berichtet, dass sie zu einem Konzert in der Stadt gehen wollten und so machte ich mich schon gegen sechs Uhr bereit, den Abend in Angriff zu nehmen. Voller Hoffnung treffe ich mich mit meinem Kumpel im Pub, um den Abend gebührend einzuläuten. 2 Pints plus eine Tüte Chips (natürlich salt and vinegar) machen 8,50 €. Ein halber Liter aus der Dose zum festhalten während der Straßenbahnfahrt macht mal eben 1,50 €. Kein Thema, ich hab ja genug Geld und außerdem ist es ja auch bestens investiert. Angekommen bestelle ich mir natürlich ein neues Pils für 2,50 €, denn der Weg durch die Massen ist lang und wahrscheinlich werde ich sie sowieso nicht gleich finden und da brauch man halt Proviant für die Reise. Die Musik wird immer lauter je näher ich den Boxen komme und beschissen ist sie sowieso, denn ich bin wohl der einzige, der wegen was anderem als der Musik da ist. Also schaff ich mir den Weg durch die Massen von weißen Idioten mit Rastafrisuren und Gesichtspiercings und frage mich, wie man sich selbst nur so verstümmeln kann, aber ich setze ein Lächeln auf, das eines Priesters gleicht, der wegen Vergewaltigung Minderjähriger angeklagt ist und seine Unschuld beweisen will. Dann seh ich meine Freundin endlich, wie sie ungefähr 10 Meter von der Bühne entfernt tanzt und so dringe ich immer weiter in das Meer von geistig verwirrten Menschen ein. Endlich angekommen sind die Kommunikationsmöglichkeiten durch die Lautstärke der Musik soweit eingeschränkt, dass man durch Schreien in das andere Ohr eine Frage stellen kann und eine Antwort bekommt, die aus einem Satz, der maximal 5 Worte umfasst besteht und so beschränke ich mich aufs Wesentliche. Nach kurzen Begrüßungsflos-keln, die meine eigentliche Intention verbergen sollen, wem der eigentliche Besuch des Konzerts dient erfahre ich, dass sie überhaupt nicht da ist und schlagartig finde ich die Musik noch beschissener und das Bier hat auf einmal einen mehr als schalen Beigeschmack. Also ergreif ich die Flucht und bahne mir meinen Weg wieder zurück durch die Massen, die nicht verstehen weshalb ich meinen so guten Platz nach 2 Minuten wieder aufgebe. Endlich wieder am Tresen angekommen bestelle ich mir nacheinander die Biere zwei, drei und vier, die zusammen 7,50€ kosten und so scheisse schmecken wie Bier eins. Nach besagten Bier vier ist das Konzert endlich zuende und ich sehe eine Traube von Menschen mit verschwitzten und glücklichen Gesichtern auf mich zuwanken, die aus meiner Freundin und ein paar anderen Leuten besteht, die ich flüchtig kenne, aber deren Namen ich vergessen habe, da sie für mein weiteres Leben uninteressant erschienen. Und so finden auch die Kaltgerstenschalen fünf, sechs und sieben den Weg in meinen Körper. Macht wieder 7,50€. Auch wieder kein Thema , denn weder mein alkoholisierter Geist noch mein leicht sitzender Geldbeutel wehren sich ernsthaft gegen diese Summen, da ich wohl nicht anders diese Konversationen überstehen werde und so ist es auch nicht verwunderlich, dass noch 5€ für Gras, 3,50€ für nen Döner und 8 € für ein Taxi draufgehen, weil ich den letzten Bus verpasse, der sich nun alleine den Weg durch die Stadt bahnt. Naja der Abend ist eh voll daneben, da kommts auf sowas eh nicht mehr an. Eigentlich ist die Kohle ja nur wegen ihr draufgegangen und so fordert der Neid, der in Zorn übergeht die 41,50 € von ihr zurück. Also lasse ich den Blick wieder der Schlange entlangschweifen und stelle plötzlich fest, dass sich nun ein behaartes Untier über sie beugt und ihr einen fetten Schmatzer auf den Mund gibt. Ist wohl ihr neuer Freund und so wird aus den 41,50€ nur ein lächerliches Kopfnicken in Form einer Begrüßung, aber mein gebrochenes Herz schuldet sie mir noch, aber das ist unbezahlbar........

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Johannes Schmidt).
Der Beitrag wurde von Johannes Schmidt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.07.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Johannes Schmidt als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Lebens... Spuren von Eleonore Görges



Hier wird gekonnt in poetische Worte gefasst, was das Leben uns schenkt. Sehr einfühlsam kommen Gefühle und Empfindungen, Beobachtungen und Erlebnisse, Gedanken und Meinungen, sowie auch die Fantasie zu Wort.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (6)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Liebesgeschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Johannes Schmidt

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

1986 von Johannes Schmidt (Kindheit)
Das tizianrote Haar von Ingrid Drewing (Liebesgeschichten)
Apfel „Z” – KEIN Königreich für ein Paralleluniverum ? von Egbert Schmitt (Surrealismus)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen